17 Göppingen: Stadtbildsatzung

Sorge um das Stadtbild

Grünen-Fraktion hakt nach – Kritik an „Politik der vollendeten Tatsachen“

Autor: ARND WOLETZ | NWZ 17.09.2010

Die Göppinger Innenstadt steht im Zeichen von Bauvorhaben. Die Grünen wollen dem vorschnellen Abriss weiterer Häuser vorbeugen und pochen auf eine Stadtbildsatzung.

Göppingen. Bauprojekte verändern die Göppinger Innenstadt. Am Bahnhof wird ein riesiges Einkaufszentrum geplant. In der Marktstraße fiel im August das Guberan-Haus, es folgt das „Studio Z“ in der Schulstraße. Die Fraktion der Grünen im Gemeinderat kritisiert nun in einem Brief ans Rathaus die Abbruchgenehmigungen. Die Grünen beklagen gleichzeitig, die Verwaltung setze den vom Gemeinderat beschlossenen Antrag für eine Stadtbildsatzung nicht um. Die Lokalpolitker sprechen dabei von einer „Politik der vollendeten Tatsachen“. Die Grünen wollen wissen, warum die im Rahmen der Haushaltsberatungen zugesagte Stadtbildsatzung noch nicht aufgestellt wurde. „Zur Zeit fragen viele Bürger, warum die Stadt nicht mehr für das Stadtbild unternimmt und zusieht, beziehungsweise willentlich dazu beiträgt, dass immer mehr historische Gebäude in unserer Stadt abgerissen werden“, heißt es in dem Brief.

Dabei wollen die Grünen keine Veränderungssperre erreichen, betont Fraktionschef Christoph Weber. Es gehe darum, sich rechtzeitig einzusetzen, damit erhaltenswerte Gebäude gerettet werden können, beispielsweise auch mit Hilfe von finanzieller Förderung für den Eigentümer als Anreiz für eine Sanierung. In anderen Städten wie Schwäbisch Gmünd sei erreicht worden, dass große Filialisten wie Müller oder die Textilkette „H&M“ in historische Gebäude eingezogen sind.

Eine Stadtbildsatzung könne dazu beitragen, das kleinräumige Gepräge der Quartiere zu erhalten, glauben die Grünen. Die Fraktion richte den Blick in die Zukunft, betont Weber. Seine Sorge gilt einigen weiteren stadtbildprägenden Gebäuden, die gefährdet erscheinen. Dazu gehöre das Hotel Apostel, für das in wenigen jahren die Mietverträge auslaufen, aber auch das Haus Bahnhofstraße 6, das in der unmittelbaren Einflusssphäre der geplanten Shopping-Mall steht.

Veränderungen könnte es aber auch in der nördlichen Innenstadt geben. Volker Kurz, Geschäftsführer der städtischen Wohnbau bestätigte auf Anfrage der NWZ, dass die Wohnbau sich über die weitere Entwicklung mehrerer Quartiere Gedanken mache: beispielsweise den Block östlich des Schlossplatzes oder das Carrée zwischen Pfarrstraße, Freihofstraße, Kirchstraße und Kellereistraße. Dort gehöre der Wohnbau schon ein Drittel bis die Hälfte der Gebäude. Die WGG wolle „überlegen, was man da strukturell macht“, erklärt Kurz, allerdings erst nach nach der Vermarktung des aktuellen Projekts „Stadtgarten“.

Es gehe der WGG in der nördlichen Kernstadt um die Themen Urbanität, Wohnen und Leben, genauso um die Zukunft der Ladenflächen. Allerdings, so Kurz, würden wohl in dem meisten Fällen nur Neubauten die Anforderungen erfüllen – unter betriebswirtschaftlichen und energetischen Aspekten. „Man muss prüfen, was ein Gebäude hergibt. Wir werfen aber nicht alles um“, meint der Geschäftsführer.

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Augen auf

KOMMENTAR STADTBILD

Autor: ARND WOLETZ | NWZ 17.09.2010

Die haarsträubenden Bausünden der Vergangenheit zeigen es: Die Sorge der Grünen-Fraktion um die Zukunft des Göppinger Stadtbilds kommt nicht von ungefähr.

Es kann natürlich nicht um Blockadepolitik gehen. Der Erhalt von historischer Substanz muss finanziell vertretbar sein. Für eine Kultur des Ensembleschutzes mit Gespür müssen viele Faktoren zusammenkommen. Es braucht Eigentümer mit Bürgerstolz, die ein prägendes Gebäude nicht blindlings niederreißen. Bei Bedarf kann auch gezielte Förderung helfen, eine Sanierung bezahlbar zu machen. Schließlich muss auch die Verwaltung ein gewisses Engagement für das Erhaltenswerte in der Stadt entwickeln, und nicht nur schulterzuckend die nächste Abbruchgenehmigung unterschreiben.

Gerade dort wo die städtische Wohnbaugesellschaft, und damit indirekt der Steuerzahler, Eigentümer von Gebäuden ist, muss es auch demokratische Einflussmöglichkeiten geben. Die Bürger haben in diesen Fällen ein besonderes Recht darauf, frühzeitig informiert zu werden. Es ist Zeit zum Umdenken. Gerade, weil schon viel historische Substanz verschwunden ist, sollte man künftig genau hinschauen, bevor man den Abrissbagger bestellt. Bei den Überlegungen der Wohnbau, in der nördlichen Kernstadt „über die Struktur nachzudenken“, sollten die Göppinger schon jetzt die Augen offenhalten. Sonst werden sie erst wach, wenn alles schon entschieden ist.

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