23 Kreistag/Geislingen: Geburtshilfe

Galgenfrist für Geburtshilfe

Kreistag setzt Schließung um drei Monate aus und formuliert Bedingungen

Autor: RODERICH SCHMAUZ | NWZ 23.12.2010

Der Beschluss, die Geislinger Geburtshilfe zum Jahreswechsel zu schließen, wird maximal drei Monate ausgesetzt. Zugleich fasste der Kreistag gestern den Baubeschluss für ein Gesundheitszentrum an der Klinik.

Göppingen. Die Zuhörerreihen waren gestern Abend im Göppingen Landratsamt dicht besetzt, als der Kreistag zu seiner Sondersitzung zusammentrat. Gut 70 Zuhörer aus dem Raum Geislingen waren mit einem Sonderbus oder privat gekommen, um live mitzuerleben, ob das Kreisgremium auf den letzten Drücker noch einen Aufschub gewährt für die Schließung der Geburtshilfeabteilung an der Helfenstein Klinik.

Landrat Edgar Wolff teilte auch gleich die Beschlüsse aus der nichtöffentlichen Gesellschafterversammlung der Kliniken gGmbh mit (sie ist identisch mit dem Kreistag):

  • Der Schließungsbeschluss wird bis 31. März 2011 ausgesetzt. Bis dahin muss eine tragfähige Lösung gefunden werden, damit kein Defizit mehr entsteht und die medizinische Versorgung gewährleistet ist; außerdem muss sich die Lösung ins Gesamtbetriebskonzept der Kliniken einfügen. Ansonsten wird die Abteilung auf 1. April geschlossen.
  • Eine Schließung tritt sofort ein, falls die ärztliche Mindestbesetzung in Geislingen nicht mehr gewährleistet sein sollte.
  • Die Gesellschafterversammlung stellt sich nachdrücklich hinter das Sanierungskonzept von Kliniken-Geschäftsführer Professor Dr. Jörg Martin und dem kaufmännischen Direktor Wolfgang Schmid.
  • Die Gesellschafter anerkennen die große Identifikation der Bevölkerung mit der Geburtshilfe und die Spendenaktion.
  • Die Spenden werden nicht verwendet (Dazu wird keine Begründung angefügt).

Die Aussetzung der Schließung soll der „Wiederherstellung des sozialen Friedens“ dienen. Die Kreis-Verantwortlichen wollen ihre Argumente in einem „transparenten, neutral moderierten Informations- und Diskussionsprozess“ darlegen. Dabei sollen alternative Konzepte der Schließungsgegner geprüft werden, die bis Mitte Februar vorliegen müssen. „Am Ende des Prozesses entscheidet der Aufsichtsrat der Kliniken,“ heißt es in dem Beschluss.

Landrat Wolff machte kein Hehl daraus, dass er nur um des Friedens willen die Schließungs-Verschiebung befürwortet: „Alle Fakten sprechen dafür, den vom Aufsichtsrat einstimmig gefassten Beschluss zur Schließung der Geburtshilfe weiter zu verfolgen und umzusetzen.“

Den Baubeschluss für das 21 Millionen Euro-Projekt eines Gesundheitszentrums bezeichnete Wolff als „Meilenstein“ und wirkliche „Klinikrettung“. Das Projekt umfasst, wie mehrfach berichtet, ein Ärztehaus und Modernisierungen an der Klinik. Dieser Beschluss zeige, „wir meinen es ernst“, sagte Wolff. Dies sei Bestandteil eines stimmigen Konzepts der Klinikleitung, die sehr gute Arbeit leiste.

Für diese Aussage erhielt Wolff im Kreistag viel Beifall, ebenso, als er polemische Bemerkungen von Schließungsgegnern brandmarkte, wie zum wiederholten Mal den Vorwurf, das Landratsamt sei ein „Behördenmoloch“. Keine Hand rührte sich dagegen bei den Kreisräten, als Wolff „Respekt für die Solidarität und die beeindruckende Spendenaktion“ im Raum Geislingen bekundete.

Was die Fraktionssprecher im Kreistag zum Aufschub für die Geislinger Geburtshilfe sagten

Fraktionssprecher im Kreistag erläuterten erneut ihre Position, wonach nur durch Einschnitte und Spezialisierung die zwei Standorte einer Kreisklinik zu halten seien.

Wolfgang Rapp, CDU, Geislingen: Beide Klinikstandorte zu stabilisieren, sei bereits eine „Herkulesaufgabe“. Rapp kritisiert die GZ, die zur „Geburtshilfezeitung“ ohne Ausgewogenheit und sachliche Berichterstattung geworden sei. Er geißelt bei Demonstranten und Leserbriefschreibern „verbale Entgleisungen und Diffamierungen“.

Werner Stöckle, FWV: Die Fakten, die für die Geburtshilfe-Schließung sprächen, seien eindeutig. Dass sich dagegen Protest erhebt, sei ein Kommunikationsproblem. Stöckle verwahrt sich gegen Kritik „weit unter der Gürtellinie“.

Sascha Binder, SPD, Geislingen: Ein Plakat mit „Kindermord“ bei Montagsdemonstrationen und „Moloch“-Vorwürfe zeigten, dass viele nicht, richtig streiten könnten. Die Geburtshilfe sei bei jungen Leuten kein Standortfaktor, Arbeitsplätze seien viel wichtiger. Der GZ wirft er unrichtiges Zitieren und fehlende Distanz vor.

Tobias Hösch, FDP: Die Kliniken müssten wirtschaftlich rentabel werden. Die Geislinger Geburtshilfe sei es nicht mehr. Er verwahrte sich gegen „gezielte Beleidigungen“ und „Unverschämtheiten“.

Martina Zeller-Mühleis, Grüne: Eine Klinik mit zwei Standorten sei das richtige Konzept. Richtig bleibe der Beschluss, die Geburtshilfe zu schließen, ebenso, ihn wegen des sozialen Friedens auszusetzen.

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