19.02.12 Energiepreise

Leserbrief von Rüdiger Höwler, energiepolitischer Sprecher der Grünen im Kreis Göppingen, vom 19. Februar 2012

Durch Energiewende eher moderate Preissteigerungen

Wieder einmal werden steigende Preise der Energiewende angelastet. Die Angaben des Unternehmens decken sich allerdings nicht einmal annähernd mit den Daten des Statistischen Bundesamtes. So gibt das Unternehmen an, der Gaspreis hätte sich in den vergangen 10 Jahren verdreifacht. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes betrug in diesem Zeitraum die Preissteigerung für Industriekunden etwa 88 Prozent. Ob diese Entwicklung der Energiewende anzulasten ist? Oder mangelt es eher an Wettbewerb?

Auch, dass der Strompreis angeblich in den letzten 10 Jahren um 160 Prozent stieg, ist nicht aus der Statistik nachzuvollziehen. Vielleicht handelt es sich auch um einen Formulierungsfehler. Die Angabe, der Preis sei im Vergleich zu 2002 (100%) auf nun 160 Prozent gestiegen, deckt sich in etwa mit den Daten des Statistischen Bundesamtes. Das entspricht also einer Steigerung von etwa 60% im Vergleich zu 55% in Frankreich.

Der Erdölpreis stieg im Übrigen im gleichen Zeitraum um 220%, hat sich also tatsächlich mehr als verdreifacht. Auch die Kohle hat in den vergangenen 10 Jahren um über 150% zugelegt, kostet also inzwischen mehr als das Doppelte.

Dass sich der Strompreis trotzdem relativ moderat entwickelt hat, hängt unter anderem auch damit zusammen, dass durch den Ausbau erneuerbarer Energien immer weniger Energierohstoffe eingeführt werden mussten. So wurden durch den Einsatz erneuerbarer Energien allein im Jahr 2010 Importe fossiler Energieträger in Höhe von 6,7 Mrd. Euro vermieden.

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Der Leserbrief bezieht sich auf folgenden Artikel:

Glasproduktion in Sachsen birgt heiße Probleme

Energieintensive Unternehmen kämpfen mit steigenden Kosten und Auflagen

Autor: DIETER KELLER | NWZ 18.02.2012

Die Energiewende macht energieintensiven Unternehmen zu schaffen: Sie kämpfen nicht nur mit steigenden Preisen für Gas und Strom, sondern auch mit der Versorgungssicherheit und staatlichen Auflagen.

Torgau/Schkopau. Selbst an bitterkalten Tagen ist es gut warm in der 500 Meter langen Fabrikhalle von Saint Gobain im sächsischen Torgau. Denn an die 1600 Grad Celsius sind erforderlich, um aus Sand, Soda und weiteren Zutaten Fensterscheiben zu produzieren, und das am Fließband – rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. Entsprechend hoch ist die Erdgasrechnung für den Hersteller von Flachglas: Allein sie macht 37 Prozent der Kosten aus. Vor zehn Jahren waren es erst 30 Prozent. Doch seither hat sich der Gaspreis verdreifacht.

Ein Standortnachteil gegenüber dem Mutterland des größten europäischen Flachglasherstellers ist das nicht: In Frankreich ist Gas ähnlich teuer – im Gegensatz zu Strom. Dessen Preis stieg seit 2002 in Sachsen um 160 Prozent, erzählt Werksleiter Uwe Naumann, in Frankreich nur um 55 Prozent. Auf Strom entfallen 5 Prozent der Kosten. Doch sie allein sind nicht das Problem. Zu schaffen machen auch Spannungsschwankungen beim Strom und die nachlassende Qualität des Gases, die der Lieferant auf den gestiegenen Biogasanteil zurückführt. Daher musste die Technik nachgerüstet werden, um sicher für die nötige Temperatur zu sorgen.

Angesichts des hohen Energieverbrauchs machen Naumann die zunehmenden Vorschriften und Kostenbelastungen Sorgen: Die Befreiung von der Energiesteuer für energieintensive Betriebe läuft Ende des Jahres aus, und in Berlin wird beraten, wie es weitergehen soll. Zudem will die EU künftig von jedem Betrieb verlangen, dass er die Energieeffizienz jedes Jahr um 1,5 Prozent steigert. In Torgau ist das nicht zu schaffen, klagt der Werksleiter: Das zentrale Teil der Anlage mit dem höchsten Energieverbrauch wird nur alle 16 Jahre erneuert. Zuletzt geschah dies 2006, was 15 Prozent Energieersparnis brachte. Optimiert wird zwar auch dazwischen, aber bei weitem nicht mit so viel Effekt. Zudem stößt die Produktion an physikalische Grenzen: Bei niedrigeren Temperaturen lässt sich das Glas nicht schmelzen. Schon die hohen Kosten sorgten dafür, dass man sich seit Jahren um möglichst wenig Energieeinsatz bemüht – ganz ohne Vorschriften.

Zudem greift es für Detlef Rebenstorff, Leiter Umwelt bei Saint Gobain Deutschland, zu kurz, nur auf die Fabrik zu schauen: Neue Doppelglasfenster sparen in 30 Jahren 1379 Kilogramm CO2 ein, rechnet er vor. Da sind die 29,7 Kilogramm, die bei der Herstellung entstehen, fast zu vernachlässigen, und Optimierungen bringen eher wenig.

Die Glashersteller sind die kleinste unter den energieintensiven Industrien, die sich in einem eigenen Verband EID zusammengeschlossen haben, um für Verständnis für sich und ihre 830 000 Mitarbeiter zu werben. Auf die Hersteller von Baustoffen, Papier, Metallen und Stahl sowie die Chemische Industrie entfallen zwar nur 14 Prozent der Arbeitsplätze der Industrie, aber die Hälfte ihres Stromverbrauchs. Kein Wunder, dass sie für eine „sichere, preisgünstige und umweltfreundliche Strom- und Gasversorgung“ werben. Sorgen sie doch für die Basis der übrigen Industrien in Deutschland, betont EID-Geschäftsführer Jörg Rothermel.

Mögliche Gefahren zeigt Schkopau. In dem traditionellen Chemiestandort bei Halle hat der US-Konzern Dow Chemical 1994 den mitteldeutschen Olefinverbund übernommen und mit Milliardenaufwand modernisiert. Die Kosten für Energie sind ähnlich hoch wie für Löhne, berichtet Energie-Manager Stephan Engel. Allein die Dow-Fabriken in Deutschland brauchen 1,2 Prozent des deutschen Stroms und 0,7 Prozent des Erdgases.

Zu den Kostenproblemen kommt die schwankende Netzstabilität beim Strom. „Wir spüren das fast täglich“, berichtet Engel. In diesem Winter kamen schon drei Warnungen, dass Eingriffe nötig sein könnten, sprich die Stilllegung von Anlagen. Dazu kam es zwar nicht, aber es sorgt für Verunsicherung. Die Konzernzentrale in den USA betrachte die Entwicklung mit Sorge, erzählt Reiner Roghmann, der Chef der Dow-Aktivitäten in Mitteldeutschland. Zwar birgt die Energiewende auch Chancen, So sind für jeden Flügel eines Riesen-Windrads auf dem Meer 6 Tonnen Kunststoff erforderlich. Aber dem stehen die langfristige Entwicklung der Kosten, die Regulierungswut und die fehlende Planungssicherheit gegenüber, zumal die Nachfrage in anderen Teilen der Welt stärker wächst.

Einfach dichtmachen wird Dow in Schkopau sicher nicht. Für einen weltweit agierenden Konzern ist aber die Frage, wo er investiert und damit die Basis für die langfristige Entwicklung legt – in Deutschland oder etwa in Saudi-Arabien, das mit Rohstoffen und Energie winkt. Normalerweise müsste Dow in der Region 100 Mio. € im Jahr investieren. Derzeit ist es nur gut halb so viel.

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