Interkommunaler Gewerbepark Lautertal

Info-Veranstaltung zum Gewerbepark Lautertal
Rede von Gemeinderat Ulrich Karl Weber, Donzdorf (Fraktionschef B90/Die Grünen)

Montag, 25.5.2020, Stadthalle Donzdorf

Sehr geehrter Herr Vorsitzender Martin Stölzle,
sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst möchte ich mich bedanken, dass einige Anregungen der Gemeinderäte in den Kriterienkatalog eingeflossen sind! Die Bereitschaft für einen Konsens ist spürbar und erkennbar!

Die kolorierten Skizzen lassen eine reale Aufplanung noch nicht erkennen,
vielleicht müssen wir hier auch zunächst gemeinsam den Kriterienkatalog verfeinern!

Im Kriterienkatalog sind einige Eckpunkte wie:
Arbeitsplatzdichte,   Flächenverbrauch,   Gewerbesteuereinnahmen, Umweltverträglichkeit,   energetische Bausubstanz und Wirtschaften und auch soziale Aspekte für Arbeitnehmer genannt. Das ist gut und richtig.
Geht man jedoch konstruktiv-kritisch in die Analyse, kommt man zu einem differenzierteren Bild.

Ich habe anhand von verschiedenen Gewerbezweigen den Kriterienkatalog analysiert.

Das Speditionsgewerbe, das den Gesamtverkehr auf unseren Straßen erheblich erhöhen würde, erreicht problemlos 50 Punkte, um eine Zuschlagsberechtigung für ein Grundstück zu bekommen. Spielhallen oder andere unerwünschte Gewerbe sind NICHT explizit ausgeschlossen.

Was ich damit sagen will: Wir müssen die gut gemeinten Ansätze auch real im Industriegebiet umsetzen! Ich spreche bewusst von einem Industriegebiet, da wir von einem innovativen Industriepark -Areal noch weit entfernt sind und das muss doch eigentlich unser Anspruch sein!

Wir müssen auch den Mut haben, NEIN zu sagen: dieses oder jenes Gewerbe wollen wir nicht. Auch wenn es im Versandhandel enorme Zuwächse gibt, verursacht dieser ein innerstädtisches Ladensterben und macht uns in Summe ärmer!

Ich kann es nicht oft genug sagen: Das ist die letzte große zusammenhängende Scholle Erde, die wir für die Gemeinden Gingen, Süßen, Lauterstein und Donzdorf fürein Industriegebiet opfern. Wir dürfen nicht nur von Verantwortung reden, wir müssen diese real umsetzen.

Wenn es in Summe 153 Punkte zu vergeben gibt, inklusive der 53 Bonuspunkte, dann kann es nicht sein, dass Firmen bei Erreichen von weniger als 30% der Punkte einen Zuschlag bekommen. Das wäre ja so, wie wenn man die Abiturprüfung mit 5+ bestanden hätte!

Die Frage ist nicht: Was wollen wir umsetzen?
Die Frage lautet: Was müssen wir im Hinblick auf die Herausforderungen der Zukunft, der Verantwortung für die nachfolgenden Generationen umsetzen? Eine Fortschreibung der bisherigen Rezepte bei veränderten Rahmenbedingungen ist zum Scheitern verurteilt!

Die Industrie und auch das produzierende Gewerbe stellen sich schon heute den veränderten Rahmenbedingungen – machen wir es bitte auch!

Zukunft ist nicht fern – sie fängt schon morgen an! Deswegen müssen wir die viel zitierte Transformation der Wirtschaft auch hier schon denken und implementieren. In der ARD-Sendung „Klimawandel – auf der Spurensuche im Südwesten“ wird an Beispielen von Städten wie Speyer oder Braunsbach exemplarisch aufgezeigt, was die Klimaerwärmung heute schon für Folgen hat. Man geht davon aus, dass allein an den steigenden sommerlichen Temperaturen in den nächsten 5-10 Jahren pro Jahr ca. 50.000 Menschen in Deutschland wegen der Hitze sterben werden – also mehr als Corona!

Und wer hätte vor einiger Zeit noch gedacht, dass, wie im April diesen Jahres geschehen, das Göppinger Landratsamt vor einer Waldbrandgefahr warnen würde – im April wohlgemerkt. Der Klimawandel ist schön längst bei uns angekommen!

Daher dürfen Umweltgesichtspunkte im Kriterienkatalog nicht nur „Bonuspunkte“ einbringen, sondern müssen stärker gewichtet werden, da wir ja eine Gesamtfläche von rund 28 ha (!)versiegeln und dies auf das lokale Klima und in der erweiterten Umgebung Einfluss nehmen wird!

Kleine Randbemerkung zu den PV-Anlagen und dem KFW-Standard bei Gewerbebauten: Hier hat uns mittlerweile der Gesetzgeber überholt: Diese werden nun Pflicht und können somit aus dem Bepunktungsprogramm herausgenommen werden.

Das ist die letzte große zusammenhängende Scholle Erde!

Verantwortung heißt auch sich Zeit zu nehmen.

Wenn wir die wirklich richtig guten Betriebe ansiedeln wollen, müssen wir uns Zeit lassen und den Gewerbepark behutsam entwickeln. Da ist das Finanzierungsmodell, alle Grundstückemittels Fremdfinanzierung zu erwerben, ein „Spiel mit dem Feuer“. Wenn man sich Zeit lässt, ist man eben auch lange hoch verschuldet! Daher ist es umso wichtiger, den Kriterienkatalog auch gegen einen Verkaufszwang auszurichten, der eines Tages auf der Tagesordnung stehen wird!

Die Kriterien müssen auch so gefasst werden, dass die heutigen Grundstücksbesitzerbereit sind, ihre Scholle Erde für Gewerbe und Industrie zu veräußern. Grundstücke, die von Generation zu Generation weitergereicht und vererbt wurden, geben den heutigen Besitzern eine generationenübergreifende Verantwortung, das Land nicht einfach so her zu geben!

Bitte lassen Sie uns hier nochmals eine über die Feinjustierung hinausgehende Debatte führen und im Sinne der nachfolgenden Generationen verantwortlich handeln. Wir dürfen und müssen in unseren Vergabekriterien ruhig  anspruchsvoller sein. Gerne sind die Ratskolleginnen und -Kollegen und ich bereit, in einem erweiterten Arbeitskreis Lösungen zu entwickeln. Denken wir gemeinsam um oder besser gesagt: weiter!

Besten Dank!