Einleitung des Verfahrens zur Aufhebung des Grünzugs für einen Vorhaltestandort für Industrie und Gewerbe bei Kirchheim/Teck Dezember 10, 2020Dezember 10, 2020 Sehr geehrte Frau Dr. Schelling,Sehr geehrter Herr Bopp,werte Kolleginnen und Kollegen,sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Es geht uns darum:Ein Grünzug, laut Regionalplan ein Vorranggebiet zur Sicherung des Freiraumes und des Naturhaushaltes, soll weichen für einen großen Vorhaltestandort für Industrie und Gewerbe. Zwangsläufig wird dort versiegelt, es werden Straßen gebaut und an die Autobahn angeschlossen. Der Zielkonflikt liegt auf der Hand. Mit jeder dieser Flächenausweisungen entfernen wir uns weiter von der für 2030 postulierten Netto-Null- Versiegelung und dem Grundgedanken der Flächenneutralität. Wir erinnern gern daran: bereits Günter Oettinger sprach von der Netto-Null. Dieser Zielkonflikt stellt uns vor die grundsätzlichere Frage, wie wir uns als Region eine nachhaltige Zukunft vorstellen. Wir sind in einer krisengebeutelten Situation. Davon war heute schon mehrfach die Rede. Die Auswirkungen der Klimakrise werden immer deutlicher, in manchen Ländern dramatisch, auch hinter uns liegt der wärmste November. Das Auftreten von Corona und anderen möglichen Pandemien hat viel mit unserer rücksichtslosen Aneignung von Natur zu tun. Immer deutlicher wird: Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft müssen die Grenzen der Naturnutzung und Naturbelastung anerkennen und zum zentralen Maßstab ihres Handelns machen. Das heißt: Herunter bei Treibhausgasen und fossilen Energien, aber genauso bei Rohstoffverbrauch und Flächenneuversiegelungen. Obendrein stecken wir mitten in einem Strukturwandel und brauchen kluge neue Antworten. Im Autoland Baden -Württemberg erleben wir hautnah die Auswirkungen und Herausforderungen für die Automobilindustrie und ihre Zulieferer, auch für den Maschinenbau. Alle arbeiten an neuen Technologien, Produkten und Dienstleistungen. Wir wollen neuen Branchen im Bereich von Digitalisierung oder Umwelttechnik Standorte anbieten. Aber: Müssen das große unversiegelte Flächen sein? Ich erinnere: Im Blick auf die Automobilproduktion wurde immer gesagt, wir brauchen die doppelte Flächenvorhaltung – für den Verbrenner und die E-Mobilität. Diese Situation hat sich verändert. „Das Endspiel um den Verbrenner“, so der Titel der Stuttgarter Zeitung, kommt schneller als erwartet, auch weil die Europäische Union die Grenzwerte im Interesse des Klimaschutzes drastisch reduziert hat. Wer die Diskussion um Untertürkheim verfolgt, weiß, der Verbrenner soll nach Osteuropa ausziehen, wo ein Facharbeiter ein Drittel des hiesigen Gehaltes verdient. Das Zentrum der E-Mobilität ist dann auf dem Campus. Ein Daimlersprecher sagte der Presse, sie bräuchten keine Flächen in der Region. Bei BMW in München vollzieht sich der gleiche Prozess, da geht der Verbrenner nach Österreich und England und die E-mobilität bleibt am Standort. Betriebsstilllegungen gibt es leider auch bei den Zulieferern. Wir sehen mit großer Sorge, dass Menschen deshalb ihren Arbeitsplatz verlieren. Umso wichtiger sind alle Maßnahmen zur Fortbildung und Umschulung. Da leistet die Wirtschaftsregion mit ihren Partnern einen elementaren Beitrag. Allerdings: Flächen auf der „Grünen Wiese“ schaffen nicht automatisch neue Arbeitsplätze. Viele Zukunftstechnologien, die wir in den Köpfen haben, brauchen in erster Linie Spezialisten, die schon heute dünn gesät sind. Es kann und – wir sind der festen Überzeugung -es wird nicht länger um die großen, raumdominierenden Investitionen gehen. Wenn wir von Transformation sprechen, dann muss es doch gerade Ziel und Zeichen dieser Transformation sein, dass innovative Unternehmen und Dienstleistungen auch danach schauen, was „vor Ort“ vorhanden ist und umgesetzt werden kann. Da kommen dann bestehende Gewerbegebiete in Frage oder auch Brachen. Schuler wird in Göppingen an die 8 ha freimachen mit einem schönen Jugendstilgebäude. Eine Forschungseinrichtung könnte auch mitten in die Stadt, 5 Minuten fußläufig vom Bahnhof. Bei Teamviewer arbeiten 750 Menschen auf 0,7 ha an Zukunftsprojekten. Wir sind überzeugt, dass wir die Kreativität und das Veränderungspotential der Menschen, die in diesen Bereichen unterwegs sind, unterschätzen, wenn unsere primäre Antwort heißt, große Flächen anzubieten. Damit bezweifeln wir nicht, dass Sie bei der WRS solche Anfragen erhalten. Freie Flächen sind leichter zu bebauen. Wir sehen auch den Zeitdruck.Aber: In dieser Krisensituation muss es doch gerade die Aufgabe sein zusammen mit Forschung, Wissenschaft und Wirtschaft möglichst passgenaue Umsetzungen und Lösungen für neue Entwicklungen zu suchen, statt großer Vorhaltestandorte. Solche neuen Nutzbarmachungen könnte die Wirtschaftsregion durchaus auch finanziell unterstützen. Nachhaltigkeit wird in den Mittelpunkt der Wirtschaftsregion gerückt, damit auch Fragen von Energieeffizienz und Ressourceneffizienz. Eine der wertvollsten Ressourcen sind die Fläche und der Boden. Gerade deshalb verdienen sie unsere besondere Achtsamkeit. Und wenn Herr Dr.Rogg im Wirtschaftsausschuss sagte, es seien schließlich nur 42 ha im Verhältnis zu mehr als 1200 ha Gewerbeflächen in der Region, dann sehen wir das anders. Fläche liegt nicht einfach da. Wir entziehen 42 ha unwiederbringlich ihrer bisherigen Funktion, ihrer Funktion für die Landwirtschaft und die regionale Vermarktung, ihrer Funktion für Humusbildung, Biodiversität, Artenschutz und Klimaausgleich und nicht zuletzt ihrer Funktion als landschaftsgestaltendes Element unterhalb einer der markantesten Landmarken der Region, der Teck. Gerade deshalb müssen wir hier dem konsequenten und engagierten Klima- und Naturschutz Rechnung tragen. Auch ist zu erwähnen, dass die Stadt Kirchheim in unmittelbarer Nähe gerade selbst eine Gewerbefläche von mehr als 20ha entwickelt. Auch wenn wir heute nein sagen zur Einleitung des Verfahrens, wollen wir mit Ihnen gemeinsam diesen Strukturwandel mutig gestalten- darauf hat Andre Reichel in seiner Rede klar hingewiesen. Die AG Wirtschaft im Wandel ist ein solcher Schritt, weitere sollen folgen. Im Blick auf eine nachhaltige Zukunft sind wir als Grüne Fraktion überzeugt, dass wir neue Vorstellungen und Bilder, sog. Narrative, vom Leben und vom Produzieren brauchen. In vielen Betrieben und start ups wird genau daran gearbeitet. Lassen Sie es uns auch in der Regionalversammlung tun, darauf freuen wir uns. Vielen Dank! Für die Grüne Regionalfraktion: Dorothee Kraus-Prause