Worte der Grünen GR-Fraktion zum Ebersbacher Haushalt 2021

Bereits in den Haushaltsreden vor genau einem Jahr war Corona ein Thema. Wie sehr uns die Pandemie jedoch bis jetzt im Griff haben würde, konnte damals niemand ahnen. Auch nicht, mit welchen Auswirkungen wir aufgrund der getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu kämpfen haben würden.

Wir beobachten schmerzliche Einflüsse auf die kommunalen Haushalte, in der Wirtschaft, beim Einzelhandel und im Dienstleistungsbereich. Wir sehen mit großer Sorge die ernstzunehmenden psychosozialen Folgen aller Bevölkerungsgruppen durch die Verschlechterung von gerechten Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen, durch die soziale Isolation unserer Älteren und Pflegebedürftigen oder durch existenzielle Ängste bei Kulturschaffenden und vielen anderen stark durch die Pandemie betroffenen Branchen. Nach nur einem Jahr zeichnet sich bereits eine zunehmend als ungerecht empfundene Verschärfung sozialer Unterschiede ab.

Wichtige Zukunftsthemen wie die Gestaltung des Klimawandels, gesellschaftliche Aushandlungsprozesse zum Ressourcenverbrauch, zu sozialer wie auch generationsübergreifender Gerechtigkeit, sowie die Pflege unserer demokratischen Kultur drohen durch das derzeit alles dominierende Thema bewusstseinsmäßig in den Hintergrund zu geraten. Und wir dürfen diese Themen nicht als etwa abstrakte, ferne Ziele verstehen, sondern müssen sie als ganz konkrete Aufgaben und Anforderungen an uns betrachten, die es – eher früher als später – auf kommunaler Ebene zu lösen gilt.

Bei der Betrachtung des Ebersbacher Haushaltes sehen wir, wie konjunkturabhängig sich die Einnahmesituation der Kommune zeigt. Und wie sehr wir in Zeiten einbrechender Steuereinnahmen von Kompensationsleistungen und schneller Hilfe vom Bund und Land abhängig sind – und das wohl noch auf ungewisse Zeit.

Am Ende der diesjährigen Haushaltsberatungen werden wir zwar einen voraussichtlich genehmigungsfähigen Haushalt vorlegen, aber einmal mehr nur durch die in Ebersbach seit vielen Jahren gelebte Praxis des Schiebens wichtiger Unterhalts- und Infrastrukturmaßnahmen in die Zukunft. Denn so ganz neu ist die schwierige Haushaltslage in Ebersbach nicht. Schon seit Jahren mahnt uns die Genehmigungsbehörde, unsere Einnahmeseite zu verbessern. Durch Umschuldungen in die Eigenbetriebe wurden im Wesentlichen kosmetische Korrekturen vorgenommen. Eine angemessene und vertretbare Erhöhung der Grundsteuer wird in den kommenden Jahren unumgänglich sein. Der verdeckte Schuldenberg, der enorme Investitionsstau, den wir vor uns herschieben, wird immer größer. Im Jahr 2024 bildet sich jetzt schon ein Schuldenstand von bislang so noch nie dagewesener Höhe ab.

Verschärft wird die Situation – und das betrifft nicht allein den Ebersbacher Haushalt – dadurch, dass den Kommunen zu hohe Kosten bei der Erfüllung vieler gesellschaftlich wichtiger und richtiger Aufgaben, wie z.B. die erweiterte Kinderbetreuung, aufgebürdet werden. Selbst in unserem Land mit dem kommunalfreundlichsten Finanzausgleich aller Bundesländer lassen sich solche zusätzlichen Kosten nicht so einfach kompensieren, diese gehen eben auch zu Lasten kommunaler Handlungsspielräume und Innovationskraft.

Das hat u.a. zur Folge, dass in Ebersbach sehr genau darüber nachgedacht werden muss, wie freiwillige Leistungen auch künftig erbracht werden können. Daher werden wir – im Sinne einer ausgewogenen und gerechten Verteilung der immer geringer werdenden finanziellen Ressourcen – um die längst fällige Neuaufstellung der Bewertungskriterien für die Förderung der Ebersbacher Vereine, die in ihrer Integrations- und Sozialisationsfunktion und mit der Förderung des Gemeinwesens wichtige gesellschaftspolitische Aufgaben wahrnehmen, nicht umhin kommen.

Umso entscheidender ist es daher, den Auftrag an die kommunalen Landesverbände, die Finanzbeziehungen zwischen Kommune, Land und insbesondere des Bundes neu zu ordnen und zu verhandeln, deutlich zu schärfen.

Wir sehen aber auch die Chancen in dieser Situation: Wir Grünen anerkennen die Verpflichtung zum nachhaltigen Wirtschaften, die uns das neue Haushaltsrecht auferlegt – z.B. durch die Erwirtschaftung von Abschreibungen – als vernünftiges und mit Blick auf unsere Nachkommen verantwortungs- und ressourcenbewusstes Haushalten. Nutzen wir doch das Datenmaterial des Neuen Kommunalen Haushaltsrechts, um transparente, intelligente Steuerungsinstrumente zu entwickeln, auf deren Grundlage wir unsere künftigen Haushalte effektiv und nachhaltig planen und aktiv so gestalten können, dass nachfolgende Generationen entlastet werden und wir die Folgekosten unseres Lebensstils erkennen und neu ordnen können.

Wir begrüßen in diesem Zusammenhang den Konsens darüber, die Haushaltsstrukturkommision neu zu beleben und wieder einen längerfristigen Investitions- und Instandhaltungsplan zu erarbeiten, wie bereits von der Verwaltung im Haushaltsplanentwurf vorgeschlagen. Ein solcher Plan wird eine solide Basis für weniger reaktives, sondern aktives, planbares Gestalten und konzeptionell nachvollziehbare Entscheidungen sein.

Wollen wir Ebersbach als attraktive Stadt mit gesunden Lebensbedingungen voranbringen, muss die hohe Dringlichkeit von Klima -und Umweltschutz trotz klammer Kasse und Corona auch hier mit Nachdruck weiterverfolgt und wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gehoben werden.

Und es bewegt sich etwas: Zwar sehen wir auf der einen Seite einen geradezu bestürzenden, insbesondere energetischen Sanierungsstau in vielen unserer städtischen Liegenschaften. Und wie in den vorangegangenen Haushalten finden sich auch in diesem kaum Mittel für auch nur die notwendigsten haushalts- und klimaentlastenden Maßnahmen mit Energieeinsparpotential. Wie teuer uns Versäumnisse aus der Vergangenheit einholen, ist leicht an den Summen erkennbar, die wir jetzt in Hochwasserschutz und nicht mehr beherrschbare Starkregenereignisse zu investieren haben. Andererseits haben wir einen aktuellen Energiebericht vorliegen, der diese Problemfelder benennt, mit dem wir diese systematisch abarbeiten können und der permanent fortgeschrieben werden soll. Es wird kein Weg daran vorbeiführen, unseren zu hohen Gebäudebestand zu konsolidieren und uns konsequent an die Erarbeitung konzeptioneller Grundlagen, wie z.B. die anvisierte Schulentwicklungsplanung, zu machen.

Mit dem auf unseren Antrag beschlossenen Beitritt zum Klimaschutzpakt setzt Ebersbach ein erfreuliches Signal, seiner Vorbildrolle als Kommune gerecht zu werden und mit dem Klimaschutz Ernst zu machen. Aus diesem Beitritt folgt die Bereitschaft, ein Klimaschutzkonzept mit dem Ziel einer bis 2040 klimaneutralen Verwaltung zu erarbeiten. Damit haben wir in den nächsten Jahren die Möglichkeit und die Verpflichtung, ein Maßnahmenpaket mit Zeitzielen zu schnüren, lokale und passgenaue Lösungen für Ebersbach zu entwickeln und dadurch zusätzliche Fördertöpfe zu erschließen.

Wir begrüßen, dass die Verwaltung auf unseren Antrag hin Vorschläge vorlegen wird, inwieweit Verpflichtungen zu klimaschutzbezogenen Rahmenbedingungen und Maßnahmen – über die gesetzlichen Vorgaben hinaus – bei eigenen Bauprojekten, aber auch in Bebauungsplänen oder in die Vergabekriterien von neu erschlossenen Bauplätzen aufgenommen werden können, wo es darauf ankommt, dass Erwerber*innen auf vertraglicher Ebene an diese Zusagen gebunden werden können.

Aber auch im örtlichen Gewerbe- und Industriebau ist eine ökologische statt rein industrielle Bauweise anzustreben. Durch die Verwendung ökologischer Baustoffe aus der Region würden lokale Baufirmen und Produzierende unterstützt und damit die Wertschöpfung in der Region gebunden. Ansiedlungsinteressierte, aber auch bereits in Ebersbach existierende Unternehmen sollten dabei unterstützt werden, ihre Gebäude und Technik klimaneutral zu gestalten – eine engere Verzahnung der Informations- und Beratungsangebote von Standortförderung und Energieberatung könnte hier sehr förderlich sein.

Aufmerksam begleiten werden wir den Stand des Ökokontos, das uns im zweiten Quartal vorgestellt werden soll. Hier genügt es nicht, Mittel einzusetzen oder zu erhöhen, es muss endlich damit gearbeitet werden, konkrete Maßnahmen müssen umgesetzt, gepflegt und nachverfolgt werden.

Insgesamt haben wir den Eindruck, dass die Stadt im Bereich Klimaschutz ihre Anstrengungen konstruktiv verstärkt: So wird sich die Stadt der kommunalen Wärmeplanung über das gesetzlich geforderte Maß hinaus annehmen; des Weiteren wird über die Personalaufstockung und Fördergelder für eine*n Klimamanager*in nachgedacht. Positiv sehen wir die kommunale Unterstützung beim Ausbau der Elektro-Infrastruktur, auch die von uns vorgeschlagene Steuer auf Einwegverpackungen soll weiterverfolgt werden. Einen kleinen, innovativen Beitrag zu einer flächen- und ressourcenschonenden Wohnraumpolitik kann die Tiny-House– Bewegung beitragen. Die Verwaltung unterstützt diesen Antrag im Rahmen der Möglichkeiten der Baulückenbörse – bei ca. 300 erschlossenen Baugrundstücken ein großes Potential. Selbstverständlich bleibt jedoch die Nachverdichtung ein vorrangiges Ziel. Und vielleicht ließe sich ja doch noch das eine oder andere Eckchen für ein Tiny-House finden?

Die psychosozialen Folgen der Pandemiebekämpfung treten in der Kommune immer offener zutage: Junge Menschen fühlen sich von den gesellschaftlichen Gestaltungprozessen ausgeschlossen. Sie fühlen sich in ihren Sorgen, Interessen und Rechten immer weniger gesehen und leiden unter den massiven Einschränkungen all ihrer Sozialisationsbereiche durch die Schutzmaßnahmen. Und sie reagieren zunehmend mit Ängsten und Sorgen darauf. Deshalb ist es uns Grünen ein großes Anliegen, für Jugendliche Räume, Vernetzungen und Angebote zu schaffen, mit ihnen in den, auch digitalen Dialog zu treten, um die Schäden eingrenzen und auffangen können. Die offene Jugendarbeit in Ebersbach muss hier schnell konzeptionell und personell gut aufgestellt werden. Unser großer Dank geht hier an ein personell sehr schmal aufgestelltes Jugendhausteam, das manches fast unmöglich Erscheinendes umgesetzt hat. Passende Möglichkeiten für Jugendbeteiligung müssen schnellstmöglich kreativ geschaffen werden, damit Jugendliche sich wieder als ernstzunehmende aktive Mitgestalter*innen ihrer Lebenswelten fühlen können.
Ebenso danken wir allen, die unter den erschwerten Bedingungen ihre Aufgaben bewältigen. Den Mitarbeiter*innen im Rathaus, allen, die sich in medizinischen, pädagogischen, sozialen Bereichen einsetzen und vieles neu denken mussten und allen, die uns das noch Mögliche ermöglichen.

In den Schulen ist der Präsenzunterricht durch digitale Formate letztendlich nicht zu ersetzen, was insbesondere in Deutschland durch den Mangel an digitaler Ausstattung und deren qualitätsvollen Einsatz deutlich wird. – Wir sind gespannt auf die Präsentation im Gemeinderat, wie sich diese Sachlage konkret am Raichberg-Schulzentrum oder den anderen Schulstandorten darstellt.

Denn die Pandemie vergrößert die Kluft zwischen leistungsstärkeren und leistungsschwächeren Schüler*innen: Nach Berechnungen des Ifo-Instituts führten die Schulschließungen – berechnet nur bis Ende Februar- zu einem Verlust beim Lebenseinkommen der Schüler*innen von 4,5 %. Auf die Volkswirtschaft hochgerechnet ergibt sich ein Verlust von 3,3 Billionen Euro bis Ende des Jahrhunderts. Expert*innen rechnen mit einer Zunahme des funktionalen Analphabetismus von 20 auf 25 Prozent. Und vergessen wir nicht: Hinter all diesen Zahlen stehen Menschen – Kinder und Jugendliche, die mit erschwerten Lebensläufen und mit schlechteren Teilhabechancen denn je zu kämpfen haben werden. Die Kommune wird, mit Unterstützung von Land und Bund, über zusätzliche Sonderprogramme, gezielte Förderung und weitere Betreuungsangebote nachdenken müssen.

Die Grundlagen für gerechte Teilhabechancen werden in der frühen Bildung, in den KiTas gelegt. Ebersbach hat im vergangenen Jahr 100 KiTa-Plätze geschaffen und muss, selbstverständlich mindestens im gleichen Tempo, die noch zu großen, vorhandenen Lücken schließen. Die Corona-Schutzmaßnahmen haben gezeigt, dass traditionelle Rollenbilder sich wieder etablieren und auch, wie labil und benachteiligt die Situation von Frauen nach wie vor ist, die zu einem großen Teil die familiäre Jonglage mit Erziehung, Homeschooling, Berufstätigkeit und der Organisation des Familienhaushalts tragen, und das mit lebenslangen, nicht nur wirtschaftlichen Folgen für ihre Berufsbiografien. Eine ausreichende Zahl an Kita-Plätzen mit hoher Qualität ist daher ein Muss und nicht verhandelbar.

Und wie geht es mit unseren anderen öffentlichen Räumen, unserer Innenstadt, weiter? Wie mit unserer, gerade für die älteren, vielleicht nicht mehr so mobilen Bürger*innen so wichtigen Nahversorgung, dem örtlichen Einzelhandel und den Dienstleister*innen? Wie schaffen wir es, die Menschen weg vom Online-Einkauf wieder in die Stadt zum Einkaufen zu bewegen? Mit neuen Innenstadtkonzepten, mit städtischen lebendigen Erlebnisräumen, wo sie sich gerne aufhalten, in verkehrsberuhigten, und verkehrsfreien Zonen, in grünen Räumen oder Stadtoasen wie z.B. einem neu gestalteten, nicht zugeparkten Bourg-lès-Valence-Platz, wo Begegnungen, kulturelle und kulinarische Erlebnisse möglich sind. Mit Räumen für Kulturschaffende, Freiflächen für Bewegung. Wir freuen uns hier auf die Ideen unserer neuen Stadtplanerin und unseres Marketingexperten. Die vorhandenen Geschäfte gilt es zu erhalten und zu unterstützen, die Ansiedlung neuer mit innovativen Konzepten zu fördern. Das von der Verwaltung z.B. angedachte sogenannte „Stockholmer Modell“ mit jahreszeitlicher Ausweisung von Fußgängerzonen werden wir selbstverständlich unterstützen.

Die Aufgaben und Herausforderungen einer Kommune, aber auch die in sie gesetzten Hoffnungen sind angesichts der Folgen der Pandemiebekämpfung nicht weniger geworden. Wir Grünen werden daher auch weiterhin alles daran setzen, mit unseren Anträgen, Impulsen und Anregungen eine nachhaltige Entwicklung unserer Stadt im bewährten Gleichklang von Ökonomie, Ökologie und Sozialem voranzutreiben.

Wir stimmen als Fraktion diesem Haushalt zu.

Die Fraktionsvorsitzenden Gabriele Ebensperger und Beatrice Richter-Beck für die Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN