Rede von Armin Kuhn / Grüne Fraktion bei der Bürgerversammlung in Süßen zum IKG Auen

„Meine Damen und Herren,

zum Thema IKG-Auen haben wir als grüne Fraktion die klare Position, dass wir dort kein Gewerbegebiet entwickeln wollen. Wir haben viele Wortmeldungen gehört. Von Gutachtern, von Wirtschaftsvertretern, von Gingen, vom Gemeinderat. Aber wissen sie, wer sich hier nicht zu Wort melden kann? Das sind z.B. alle, die nach uns kommen, unsere Kinder und Enkel, auch die Gemeinderäte oder auch Unternehmer, die vielleicht in 20 oder 40 Jahren auch noch etwas gestalten möchten! Vielleicht sucht man in 40 Jahren eine Fläche für ein neues Krankenhaus in der Mitte des Landkreises?! Und natürlich nicht zu Wort kommt die Natur, das Klima und unsere Landschaft.

Was uns hier hilft, sind die wissenschaftlichen Fakten:

Wir müssen beim Bodenschutz, Klimaschutz, Artenschutz und beim Strukturwandel auch über Süßen hinausschauen. Herr Dr. Schmid von der UNI Freiburg hat beim runden Tisch klar gesagt, dass aus wissenschaftlicher Sicht eine solche Naturfläche heute nicht mehr ohne echte Not in ein Gewerbegebiet umgewandelt werden darf. Es gibt bessere Konzepte.

Zur Vereinbarung mit Gingen: Hier die klare Aussage vom Juristen, Herrn Prof. Büchner: Aus der Vereinbarung ergibt sich keine Verpflichtung für uns, ein Gewerbegebiet zu entwickeln. Er sieht auch keine moralische Verpflichtung, da die Gemeinde Gingen in der Vereinbarung mit Grundstücken und Geld sehr vorteilhaft wegkam. 

Im Gewerbegutachten wurde festgestellt, dass man die nächsten Jahre keine weiteren Flächen im Außenbereich benötigt: Wir haben genug freie Grundstücke und Brachflächen.

Die Befürworter argumentieren mit einem langfristigen Bedarf an Gewerbeflächen. Dafür gibt es keine sachliche Grundlage. Das Gutachten sagt klar, dass sich langfristig keine zuverlässigen Aussagen machen lassen. Der Grund ist, dass man trotz der vielen Zahlen und Parameter immer mit linearen Prognosen rechnet. Man nimmt die Vergangenheit und rechnet‘s hoch für die Zukunft. Ich mach ihnen ein Beispiel mit der Größe der Mülleimer: 1970 -> 60 Liter, 1980 -> 120 Liter, 1990 -> 240 Liter. Hätte man die Gutachter 1990 gefragt, wie groß die Mülleimer im Jahr 2022 sind, dann hätten sie gerechnet und zielsicher vorausgesagt, dass wir: 2020 -> 1920 Liter, also 2 cbm große Mülleimer haben werden! Sie wissen es selbst, es ist anders gekommen, weil langfristige Entwicklungen dynamisch und nicht linear verlaufen! Fakt: Langfristige Prognosen in den Gutachten sind nicht seriös.

Also haben wir klare Fakten:

1. Wir dürfen es aus wissenschaftlichen Gründen nicht machen.

2. Wir brauchen die nächsten Jahre keine zusätzlichen Gewerbeflächen.

3. Wir haben keine juristische und keine moralische Verpflichtung gegenüber Gingen.

Aber diese konkreten Fakten werden nicht ernst genommen. Dann wird in der Argumentation auf Gefühl, auf ferne Zukunft verwiesen: „vielleicht braucht man es ja doch“, „Ich glaub das nicht so recht“, … Ich weiß nicht, wie es ihnen geht, aber ich bin Naturwissenschaftler und Unternehmer und es ist für mich schwierig, wenn man die Fakten ignoriert.

Jetzt sagen manche: Lasst uns halt mal einen Bebauungsplan aufstellen, dann können wir besser entscheiden. Meine Damen und Herren, wenn wir einen Bebauungsplan für die Auen aufstellen, dann wird da auch gebaut. Was anderes habe ich noch nie erlebt. Und ich bin 23 Jahre im Gemeinderat.

Oder es wird gesagt, wir machen dann ein ökologisches Mustergewerbegebiet mit tollen innovativen Firmen. Wir haben das in Donzdorf versucht – das funktioniert nicht! Wir müssen auch realistisch bleiben, wir sind nicht Freiburg oder Stuttgart, wo innovative Firmen Schlange stehen.

Also: Wir brauchen Böden, wir brauchen Landwirtschaft, wir brauchen Flächen für unsere Nachfolger, wir brauchen mehr Klimaschutz, mehr Naturschutz, wir brauchen unsere intakte Landschaft und wir brauchen natürlich innovative Gewerbekonzepte! Aber dazu brauchen wir kein neues Gewerbegebiet auf den Auen.

Wie sollten wir dann jetzt weitermachen?

Derzeit sieht es im Gemeinderat nach einem haarscharfen Patt aus, sodass ein erneuter Antrag für das Gewerbegebiet nicht durchkommen würde. Eine solche Kampfabstimmung halte ich aber für den schlechtesten Weg. Es könnte dann passieren, dass jemand fehlt und wir dann wegen Zufällen ein Gewerbegebiet bekommen oder es abgelehnt wird.

Was wir uns als grüne Fraktion vorstellen könnten, wäre, dass wir die Bürger entscheiden lassen. So wie man es andernorts – z.B. bei Stuttgart 21 – auch gemacht hat. Das wäre für mich ein sinnvoller und demokratischer Weg.

Oder wir suchen nach einem Kompromiss. Das wäre für mich auf Teilen des Gebietes eine aufgeständerte Photovoltaikanlage. Auch dies ist wäre eine gewerbliche Nutzung. Eine solche „Agri-PV-Anlage“ bringt auch Gewerbesteuer und erfüllt alle Kriterien, die für unsere Zukunft wichtig sind, gerade auch in der aktuellen Situation wo einheimische erneuerbare Energie immer wichtiger wird. Der Boden und die Artenvielfalt bleiben erhalten bzw. können sich sogar verbessern. Danke für’s Zuhören