Haushaltsrede 2022 November 17, 2022März 12, 2023 Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Maier, sehr geehrte Frau Cobet, sehr geehrte Frau Noller, sehr geehrter Herr Schwaak und Herr Hollnaicher, werte KollegInnen, liebe Bürgerschaft, letztes Jahr haben wir uns gefragt, welche Konzepte wir haben für 2022 und die Corona-Krise. Dass uns dieses Jahr ein solches Ausmaß an weiteren Krisen bevorstehen würde, hätte wohl niemand von uns erwartet. Sie zu gewichten fällt nicht leicht, und deshalb beginnen wir mit dem wohl vertrautesten, weil schon lange bekannten, aber gefährlich verdrängten Thema – dem Klimawandel. 1963 wurde das letzte Mal in Göppingen mit Lastwagen der Schnee aus der Stadt abtransportiert. Damals lagen die mittleren Tageshöchstwerte bei 10-12 Grad Celsius. Heutzutage messen wir 14-15 Grad. Die Folgen durch die globale Erderwärmung mussten die Menschen im Ahrtal bitter durchleiden und aktuell können wir sie in den Hurrikans vor Amerika beobachten . Wir haben es noch gut in Göppingen. Aber die Hitze in den Städten und die Dürre auf den Feldern müssen uns Mahnung und Ansporn sein, unseren menschengemachten Anteil am Klimawandel zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Diese Erkenntnis kommt inzwischen auch in der Mitte der Gesellschaft an. Gestern hat die Initiative „Göppingen klimaneutral 2035“ einen Bürgerantrag eingereicht mit dem Auftrag und Ziel, dass Göppingen alles daran setzen wird bis 2035 klimaneutral zu sein. Wir unterstützen dieses Anliegen ausdrücklich und danken allen Beteiligten für ihr großes Engagement ! „Göppingen alleine kann das Klima auch nicht retten“ wird es wieder aus verschiedenen Ecken tönen. Nein – aber viel kleine Leute an vielen kleinen Orten können das Gesicht der Welt verändern. Da sind wir uns sicher, und das sehen wir als grundlegende Aufgabe einer Gesellschaft – nicht nur in diesem Bereich. Es ist also höchste Zeit, in einen Klimaschutzbeauftragten zu investieren. 2019 war dies bereits ein HH – Antrag von Ihnen Herr Oberbürgermeister, und wir haben die Hoffnung, dass der Klimaschutz in dieser Stadt endlich zur Chefsache wird! Es gibt in Göppingen leider noch Luft nach oben, was im Umkehrschluss aber auch bedeutet, dass wir noch reichlich Potential erschließen können. Diese Chancen wollen wir nutzen. Zum Beispiel beim Thema Solarenergie. Von unseren ca. 200 städtischen Gebäuden sind aktuell 16 mit Photovoltaik ausgerüstet. Das erscheint uns ausbaufähig. Und wo es die Statik eines Daches nicht erlaubt, da lassen Sie uns an die Fassaden gehen.Clever angebracht wertet dies die Optik auf, selbst an alten Gebäuden z.B. in Form von Fensterläden.Hier sind pragmatische Lösungen gefragt. Weitere Möglichkeiten sehen wir in Energie- und Ressourceneinsparungen durch „Urban Mining“-Ansätze. Zu deutsch „städtischer Bergbau“ – durch Wiederverwertung und Rückgewinnung bereits verbauter Wertstoffe.Das ist keine grüne Utopie sondern vor allem im Hochbau eine realistische, gut umsetzbare Alternative zum Einsatz neuer Materialien. Ein leuchtendes Beispiel haben wir in Göppingen bereits: das Schloss, das aus den Steinen der ehemaligen Burg Hohenstaufen errichtet wurde. Die Idee ist also nicht neu, sie muss aber weiterentwickelt werden in Richtung einer effizienten und zukunftsfähigen Kreislaufwirtschaft. Daran wollen wir mitwirken. Praktizierter Klimaschutz zeigt sich für uns auch im Ausbau des ÖPNV, verbunden mit der Hoffnung auf nicht nur weniger CO2-Auststoß sondern auch mehr Aufenthaltsqualität in der Stadt. Ebenso setzen wir auf Begrünungs – und Beschattungskonzepte auf unseren Plätzen, Straßen und Fassaden. Diesbezüglich stehen unsere Anträge der vergangenen Jahre leider noch im Realisierungsstau! Praktizierter Klimaschutz in Göppingen darf uns aber nicht ausschließlich wegen unserer städtisch- ökologischen Situation interessieren. Als Teil des globalen Systems müssen wir leider erkennen, dass der Klimawandel das Ergebnis der weltweiten Industrialisierung ist. Und dass die Länder, die am meisten darunter leiden am wenigsten zum Problem beigetragen haben. Der vergangene Sommer hat uns in Europa eine Ahnung vermittelt, was dauerhafte Dürre bedeutet. Verzweifelte Menschen fliehen schon lange vor Krieg, Dürre und Hunger unter anderem auch zu uns. Das ist eine riesige Herausforderung für unsere Gesellschaft. Deshalb darf „Global denken – lokal Handeln“ für uns keine Floskel sein. Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist ein fragiles Konstrukt und keine Selbstverständlichkeit. Seit der Nachkriegszeit hat die Göppinger Bürgerschaft immer wieder gezeigt, dass sie zusammensteht und integrieren kann.Sie ist resilient, vielfältig und leistungsfähig! Das soll auch in Zukunft so bleiben. Das Engagement-Festival hat einmal mehr aufgezeigt welches Potential und ehrenamtliches Herzblut in dieser Stadt stecken. Die interkulturellen Wochen machen uns immer wieder bewusst, wie konstruktiv und bereichernd das Zusammenleben sein kann in gegenseitigem Respekt und kultureller Anerkennung. Ehrenamtliche Schultern können vieles tragen, aber nicht alleine. Deshalb braucht das Ehrenamt das Hauptamt ! Wir brauchen sie dringend: die NetzwerkerInnen und IdeengeberInnen, die Ansprechpartnerinnen, die MutmacherInnen und FördergeldsammlerInnen. Nicht nur projektbezogen – wir haben tolle Projekte, aber im Wesen eines Projektes ist leider immer auch sein Ende begründet. Die Quartiersentwicklung z.B.darf nicht in Ursenwang enden, sondern muss der Einstieg sein in ein erweitertes Quartiersmanagement in allen Bezirken. Nicht nur in befristeten Anstellungen – wer kann denn da die eigenen Möglichkeiten voll ausschöpfen ? Und darum stehen wir nicht zum ersten Mal hier und werben eindringlich für eine Stelle in der Sozialplanung. Vor allem jetzt, wo uns der jüngste Krieg in Europa mit allen noch nicht absehbaren Konsequenzen schwer zusetzt, wo Menschen sich teilweise in ihrer Existenz bedroht fühlen, Angst haben abgehängt zu werden und wo Gerechtigkeit zum Thema wird. Weil wir gemeinsam die passenden Angebote machen müssen, damit nicht vermeintlich einfache Antworten von rechtsaußen mal wieder ihre Anhänger finden! Ja, wir müssen sparen. Jedoch – soziale Arbeit ist nicht nur „nice to have“. Soziale Arbeit hat monetären Nutzen ! Es gibt sie – die soziale Rendite. Thorsten Jahnke von „Social Impact – Agentur für soziale Innovationen“ hat festgestellt, dass 1 Euro Einsatz einen Sozialgewinn von 3,90 Euro ergibt. Das zeigt sich z.B. ganz konkret in der Vermeidung von Risiken, die soziale Kosten nach sich ziehen. Auch Effizienzanalysen frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsangebote belegen eine hohe gesellschaftliche Rendite. Sozialplanung sorgt dafür, dass das Geld, das die Kommune in soziale Maßnahmen investiert effizient eingesetzt wird. Sie funktioniert letztendlich wie ein Frühwarnsystem, das Unterstützungsbedarfe rasch erkennt und zielgerichtetes Handeln ermöglicht. Und darum lohnt sich hier jeder Cent ! Und natürlich soll jeder Cent sich im Haushalt 2023 lohnen und sinnvoll eingesetzt werden, denn sprudelnde Einnahmen hat uns Herr Hollnaicher ja leider nicht versprochen. Darum stehen wir voll zur der Sanierung des Hohenstaufen-Gymnasiums und der Weiterentwicklung des Böhringer-Areals. Dort sehen wir nicht nur eine Zukunft für Gewerbe, sondern können uns auch das Technik-Forum und die Schafferei als inhaltliche Ergänzung gut vorstellen. Darum sind wir gespannt auf die neue Kulturkonzeption. Was wäre die Stadt ohne die Kulturschaffenden, die es immer wieder schaffen uns aus Alltag und Sorgen in eine freundlichere Welt zu entführen. Darum sind wir froh, dass Strom, Wasser und Gas in kommunaler Hand geblieben sind ( was wir uns natürlich auch fürs Müllkraftwerk wünschen) und die EVF uns in dieser Zeit der Energiekrise eine verlässliche Konstante sein will. Wir sind eine Industriestadt im Wandel und brauchen moderne Konzepte und visionäre Denker für die vielfältigen Aufgabenstellungen und ganz aktuell zur Krisenbewältigung. Lassen Sie uns also gemeinsam an Konzepten und Lösungen arbeiten, als Gesellschaft zusammenstehen und uns dem Klimawandel entgegenstellen. Damit wir in Zukunft , auch wenn es keine weißen Weihnachten mehr geben wird, auf diese Krisenzeit zurückschauen und sagen können : „Das ist Schnee von gestern“