Sehr geehrter Herr Landrat, werte Damen und Herren der Verwaltung,
liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
„Die Zukunft ist gerade nicht zu sehen“, so ist das jüngste Interview mit dem renommierten Soziologen Hartmut Rosa überschrieben, einem der Preisträger des diesjährigen Leibniz-Forschungspreises.
Und seine These lautet, dass sich unsere gegenwärtige Gesellschaft nur durch permanentes Wachstum und Beschleunigung stabilisiere. Dies führe zu Aggressionsverhältnissen gegen die Natur, über die man immer besser herrschen will, zu Aggressionen in sozialen Verhältnissen, weil die anderen Menschen als Konkurrenten wahrgenommen werden und auch häufig zu einem aggressiven Selbstverhältnis in der Selbstoptimierung.
Vor einem Monat sind auch wir in unserer Haushaltsrede auf diese Aggressions- und Zerstörungsverhältnisse eingegangen. In den letzten Wochen und Tagen ist der Angriffskrieg gegen die Ukraine noch mehr zu einem Zerstörungskrieg gegen ein ganzes Land und seine Zivilbevölkerung eskaliert.
Beim derzeitigen Weltnaturgipfel, der Biodiversitätskonferenz, bezeichnet der UN-Generalsekretär Guterres den Raubbau an der Umwelt als „Orgie der Zerstörung“ und ruft statt eines Krieges gegen die Natur zu einem Friedensschluss mit der Natur auf. Ich zitiere: „Keine Ausreden, keine Verzögerungen, es gibt keinen Planeten B.“
Auch die Weltklimakonferenz blieb weit hinter unseren Erwartungen und Hoffnungen zurück, weil die Verabredungen zu der überlebensnotwendigen Begrenzung des CO 2 Ausstoßes nicht erreicht werden konnten.
Inmitten dieser sorgenvollen Zeiten beschließen wir heute unseren Landkreishaushalt für 2023, wissend, dass auch wir angesichts der derzeitigen gesamtgesellschaftlichen Situation die Zukunft gerade nicht wirklich sehen, dass es neue Herausforderungen und Verschiebungen geben wird, auf die wir dann aktuell reagieren müssen.
Vor diesem Hintergrund haben wir in den Ausschüssen über notwendige und gangbare Wege diskutiert, wie wir in den unterschiedlichen Verantwortungsbereichen des Landkreises mit den 58 Anträgen umgehen wollen. Wir danken für gute und faire erste Auseinandersetzungen.
Kurz zu einigen uns wichtigen Punkten, zu denen wir Anträge gestellt haben – natürlich sind uns auch viele andere Vorhaben wichtig, die wir heute nicht ansprechen:
Wir werden in einem nächsten Tagesordnungspunkt über die Müllgebühren entscheiden. Wir stehen zu den veranschlagten Gebühren, vor allem aber hinter dem neuen Müllkonzept, das für konsequente Mülltrennung und bestmögliche Verwertung sorgt. Ob und wie wir in einzelnen Bereichen das neue Konzept noch nachschärfen müssen, werden wir im nächsten Jahr diskutieren.
Dass der Zeitdruck bei der Entscheidung über die Rekommunalisierung in breitem Konsens herausgenommen wurde und weitere Recherchen eingeleitet werden, begrüßen wir sehr.
Unser Anliegen dem Schutz der Biodiversität ein größeres Gewicht zu geben ist angekommen und wir werden es weiterverfolgen. Wenn jede achte Art stirbt, so ist dies deshalb alarmierend, weil wir wissen, dass dieses Sterben kaskadenartig weitergeht. Wenn es bestimmte Pflanzen und Tiere nicht mehr gibt, dann sterben auch die Arten, die sich davon ernähren. Wir sehen auf das Abholzen des Regenwaldes, aber auch die Streuobstwiesen hier sind betroffen, wenn es keine Bienen und Insekten mehr gibt.
Wir sind im UVA eingestiegen in die Zieldiskussion zur Klimaneutralität für den Landkreis. Dass wir dafür eine personelle Unterstützung bekommen, freut uns sehr. Die Dringlichkeit ist überdeutlich, je später wir beginnen, umso höher wird die sogenannte „Fallhöhe“, d.h. dass die Maßnahmen dann noch einschneidender sein werden und noch schwerer durchsetzbar. Wir hoffen, dass wir uns auf das ambitionierte Ziel 2035 einigen können. Wenn die hohen Kosten genannt werden, wir wissen auch, je später wir anfangen und je weniger wir tun, umso mehr müssen wir für die Klimaschäden bezahlen.
Im Bereich der Mobilität geht es um die Umsetzung der begonnenen Vorhaben und vor allem um zielführende Diskussionen beim neuen Nahverkehrsplan und eine größtmögliche Umsetzung der geplanten Ausweitung. Wir brauchen den nutzerfreundlichen ÖPNV, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen. Und es braucht uns alle als Nutzerinnen und Nutzer.
Weil wir wissen, wie notwendig die Flächenfreihaltung für Biodiversität und Klimaschutz ist, sind wir froh, dass bei der Gewerbeentwicklung der Blick nicht nur nach außen geht, sondern die Innenentwicklung im Schulterschluss von Landkreis, Kommunen, Verband Region Stuttgart und Wirtschaftsregion jetzt konsequent verfolgt werden soll. Dass dies nicht einfach wird, wissen wir, dass mehr geht im Blick auf Flächeneffizienz und Nachverdichtung wissen wir auch. Dabei sind wir in guter Gesellschaft, wenn die Stuttgarter Zeitung gestern im Blick auf die Landeshauptstadt titelt: „Industriebrachen bieten viele Chancen“. Wahrscheinlich haben auch Sie gelesen, dass Daimler seine neue Produktion der E-Mobilität in Untertürkheim unterbekommt.
Noch ein Blick auf die Jugendarbeit – wir werden auch dazu nachher noch entscheiden. Gerade für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist uns die Unterstützung der Arbeit des Kreisjugendrings und der Verbandsarbeit besonders wichtig. Wir gehen davon aus und hoffen, dass die gescheiterte Abstimmung im Jugendhilfeausschuss geheilt wird und wir heute gemäß der Absicht der damals im Jugendhilfeausschuss Anwesenden für die 100% Sachbearbeitungsstelle entscheiden.
Auch in dieser Rede möchten wir die Förderung des Zusammenhalts der Gesellschaft als unsere vordringliche Aufgabe sehen, um eine Spaltung zu verhindern. Jüngste Razzien offenbarten erschreckende Erkenntnisse über antidemokratische Netzwerke. Damit verbinden wir auch Erwartungen an unsere Zusammenarbeit hier im Kreistag. Wir ringen in unseren Sitzungen um bestmögliche Wege, um eine faire und respektvolle Konfliktaustragung. Wir haben deshalb keinerlei Verständnis, wenn von Mitgliedern des Kreistags die Verwaltungsspitze in Leserbriefen massiv angegriffen wird und so in schwierigem Umfeld Gräben vertieft werden.
Dass bei vielen Vorhaben des Landkreises die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern verbessert werden muss, haben uns die TeilnehmerInnen beim Bürgerdialog in Bad Überkingen deutlich ins Stammbuch geschrieben. Wenn wir Vorreiter bei Transformationsprozessen, sein wollen, sei es im Verkehr, in der Gesundheitsversorgung oder beim Klima, müssen wir die Notwendigkeiten und auch die Zielkonflikte aufzeigen, um die Menschen mehr mitzunehmen.
Zur Kreisumlage: Unsere Fraktion findet es richtig, dass bei allen Risiken und Unwägbarkeiten der Verwaltungsausschuss im Sinne der Kontinuität einmütig die Festsetzung der Kreisumlage auf 32,5 Punkte empfiehlt und stimmen gern so ab.
Am Schluss steht der Dank, der Dank an Sie, Herr Landrat und alle Vertreterinnen und Vertreter der Verwaltung, heute auch besonders an die Finanzabteilung für Ihre engagierte Arbeit im vergangenen Jahr. Genauso an alle Verantwortlichen und Mitarbeitenden in den Einrichtungen des Landkreises, die täglich mit neuen Herausforderungen konfrontiert sind. Besonderer Dank gilt den Beschäftigten, den Pflegerinnen und den Ärzten der Alb -Fils Klinken für ihren unermüdlichen Einsatz, Herrn Dr.Hüttner und Herrn Schmid für ihr tägliches Bemühen um die Organisation einer bestmöglichen Gesundheitsversorgung im ganzen Landkreis. Unserer Fraktion danke ich für die gute Zusammenarbeit.
Wir gehen nun zu auf Weihnachten, eine Zeit, die für viele Menschen auf der Welt verbunden ist mit einer großen Hoffnung auf einen Neubeginn.
Lassen wir uns anstecken von dieser Hoffnung!
Ihnen allen wünsche ich erholsame und frohe Weihnachtstage und einen guten Start in das neue Jahr.
Vielen Dank fürs Zuhören! Für die Fraktion: Dorothee Kraus-Prause