Sommerfest mit Agnieszka Brugger

Grüne feiern Sommerfest mit Agnieszka Brugger

Trotz ernster Themen war die Stimmung gut beim Grünen Sommerfest in Geislingen. Etwa 70 Gäste waren der Einladung des grünen Kreisverband Göppingen gefolgt und feierten bei Live-Musik und lauen Sommertemperaturen im Biergarten der Rätschenmühle. Hauptprogrammpunkt des Abends war das Interview mit Agnieszka Brugger, Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Ravensburg und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, geführt von Joachim Auch, Journalist und Stadtrat aus Ebersbach. Dieser startete gleich nach den Eröffnungsreden der stellvertretenden Geislinger Oberbürgermeisterin Petra Straile und den grünen Kreisvorsitzenden Fadime Ercik und David Catenazzo in das Thema russischer Angriffskrieg auf die Ukraine. Denn Agnieszka Brugger ist auch Mitglied im Verteidigungsausschuss.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine habe sich mit der Annexion der Krim und dem immer autoritärer werdenden Kurs Putins lange angebahnt. Der russische Einmarsch in die Ukraine sei dennoch ein brutaler Bruch des internationalen Völkerrechts und extremer Tabubruch gewesen. Bis zuletzt habe man mit Gesprächs- und Abrüstungsangeboten, aber auch mit Drohung von Sanktionen für den Fall des Angriffs gemeinsam mit den USA mit allen diplomatischen Mitteln versucht Gewalt zu verhindern. Bis zuletzt habe Putin behauptet, beim Truppenaufmarsch an der Grenze handle sich um eine Übung, was sogar auch viele russische Soldaten bis zuletzt selbst geglaubt hätten. Heute sei klar, im Kreml gab und gibt es keine Bereitschaft zu verhandeln, wie die immer weitere Eskalation zeigt. Das Ende des Getreideabkommens, habe dies noch einmal auf sehr brutale Weise verdeutlicht, obwohl darunter gerade auch Menschen im Globalen Süden leiden.

Nach möglichen Zukunftsszenarien gefragt, meint Agnieszka Brugger, auch Expertenkönnten die Machtverhältnisse im Kreml immer schlechter einschätzen. Der Putsch des Wagnerchefs zeige, dass auch ein vermeintlich stabiles autokratisches System, plötzlich aus der Position der Schwäche heraus zur Einigung gezwungen werden könne.

Angesprochen auf Waffenlieferungen, die auch von den Grünen im Bundestag unterstützt werden, erklärt die grüne Politikerin: Man müsse trotz berechtigten Einwänden an Waffenlieferungen sehen, dass ein Sieg Putins kein Ende der Gewalt bedeute. In den von russischen Truppen besetzten Gebieten finden weiterhin willkürliche Morde, Folter und Kindesentführung in erschreckendem Ausmaß statt. Zudem wäre ein Sieg Putins fatal für die internationale Weltordnung, in der Konflikte mit Vertrauen, Absprachen und Verhandlungen gelöst werden und nicht mit der Macht des Brutaleren. Wenn Putins Kurs Erfolg hat, strahle das auf andere Diktatoren aus und dann sei die UN-Charta sei nicht mehr wert als das Papier, auf dem sie steht. Die Waffen würden nicht nur aus der Überzeugung, an der Seite der Schwächsten zu stehen geliefert, zur Selbstverteidigung und als Beitrag zum Erhalt einer internationalen, regelbasierten Ordnung, sondern am Ende erhöhen sie auch die Wahrscheinlichkeit für Verhandlungen, wenn Russland einsieht, dass es seine Ziele nicht auf dem Schlachtfeld durchsetzen kann.

Rückblickend übt die Bundestagsabgeordnete auch Selbstkritik. Aus der aktuellen Lage müsse man Lehren ziehen, Versäumnisse eingestehen und aufarbeiten. Zu Recht werde man in vielen Ländern gefragt, warum man bei ähnlichen Konflikten oder Hungersnöten in der Vergangenheit keine Präsenz oder zu wenig Engagement gezeigt habe. Präventiv müsse man Krisenursachen und Fluchtgründe wie unfaire Handels- oder Landwirtschaftspolitik und Menschenrechtsverletzungen angehen. Rüstungsexporte in die arabische Halbinsel oder Nordafrika solle man ablehnen, anstatt blauäugig mit Autokraten Geschäfte zu machen.

Bittere Wahrheit sei, dass angesichts der anhaltenden Bedrohung in Zukunft aber mehr Geld für Sicherheit und Militär ausgegeben werden müsse, nicht als Aggression, sondern auch zum Schutz unserer Verbündeten. Die Ukraine brauche weiterhin unsere Unterstützung, denn eine stabile Ukraine sei die beste Rückversicherung, dass es nicht in paar Jahren zu einem weiteren Angriffskrieg Russlands komme.

Deutlich mehr hadere sie mit der Zustimmung der Bundesregierung zur Verschärfung des Asylrechts auf EU-Ebene. Sie finde es erschreckend zu sehen, dass sich in der EU nur wenige Staaten dafür einsetzen, dass Kinder keine Grenzverfahren in Lagern an der Außengrenze Europas durchlaufen müssen. Als Abgeordnete erlebe sie täglich die realen Herausforderungen der Flüchtlingsbetreuung in ihrem Wahlkreis, und wisse, die Kommunen brauchen dringend Unterstützung. Aber jetzt zu hoffen, dass über möglichst unmenschliche Verfahren und das Abschwächen von rechtsstaatlichen Prinzipien weniger Menschen nach Europa kommen, sei eine inhumane und nicht funktionierende Logik. Deshalb kritisiere sie das Abkommen, auch wenn an vielen Stellen Verbesserungen erreicht wurden und auch wisse, dass es mit der Fortsetzung des Status quo kein Ende für das Sterben im Mittelmeer gebe.

Wie man mit dem Erstarken der AfD umgehen solle, beantwortet die Grüne differenziert: Im persönlichen Gespräch versuche sie herauszufinden, ob sich ein Dialog lohne, ob eine Beleidigung eine berechtigte Kritik beinhalte oder vielleicht aus tiefer Verzweiflung an sie herangetragen werde. Eine klare Grenze zieht sie bei der AfD im Bundestag. „Hier vertrete ich die Strategie der maximalen Härte und Ausgrenzung, auch mit den Mitteln des Rechtsstaates. Das sind Menschen, die daran arbeiten, unsere Demokratie zu zerstören und Verbindungen zu Gruppen haben, die Todeslisten auch mit meinen Kolleginnen und Kollegen anlegen oder Anschläge auf den Bundestag planen und die kein Interesse an demokratischen Spielregeln haben. Da darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass die AfD keine Bedrohung für unsere Demokratie ist“.

Die Ampel dürfe es der AfD nicht zu einfach machen und den Eindruck erwecken, sie streite sich nur und regiere nicht gern. Die Ampel sei besser als ihr Ruf und müsse Geleistetes besser nach außen tragen. Die CDU müsse man ebenfalls in die Pflicht nehmen. Sie dürfe nicht die Narrative von rechts in netter Sprache bedienen, denn so gebe es keine gemeinsame Brandmauer gegen Antidemokraten und es profitiert nur das rechtsextreme Original.

Zugleich habe man bei der Einführung des Gebäudeenergiegesetz Lehren gezogen. Der im engen Kreis vorbereitete Gesetzesentwurf sei durchgestochen und von konservativen Medien und der Union sehr unsachlich diskutiert worden, darauf müsse man in Zukunft besser vorbereitet sein. Dennoch habe man ein gutes Gesetz auf den Weg gebracht und gerade den sozialen Aspekt mit Anpassung der Fristen und der Förderung von bis zu 70 Prozent gestärkt.

Besonders treibe sie um, wie die durch Fridays for Future angestoßene Umbruchsstimmung wiederhergestellt werden könne. Vor ein paar Jahren wäre vielen Menschen die CO2-Bepreisung nicht genug Klimaschutz gewesen. Jetzt fehle es an Gemeinsinn, die schwierige Situation zu meistern, in der Klimakleber mit polarisierenden Aktionen eher kontraproduktiv sind. Darüber hinaus entdeckten einige Politiker nur dann das Thema soziale Gerechtigkeit, wenn es darum gehe, Antworten auf die Klimakrise zu blockieren, lehnten aber andere soziale Hilfen ab, wie die Kindergrundsicherung oder das Bürgergeld. Als Außenpolitikerin ist es Agnieszka Brugger auch wichtig zu betonen, dass gerade in armen Ländern, die am wenigsten zu den Ursachen der Klimakrise beigetragen haben, die Menschen am stärksten unter den Folgen der Klimakrise, wie Naturkatastrophen oder lange Dürren, leiden. Aber auch national sind diejenigen stärker von den Folgen betroffen, die es ohnehin schon schwer im Leben haben.