3.Lesung der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Haushalt 2024


Am 19.Dez. 2023

Dorothee Kraus-Prause und Hans Zeeb

Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrte Damen und Herren aus Verwaltung, Alb Fils Klinik und Schulen,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

Haushaltsverhandlungen können zäh und mühsam sein, das haben wir in den letzten Wochen im Bund hautnah erlebt. Insofern können wir uns im Landkreis freuen, dass wir in den Ausschüssen in guter und fairer Weise erste Weichen gestellt haben, wie wir im kommenden Jahr mit unserem Haushalt umgehen wollen. Bei allen dunklen Wolken, die sich am Horizont auftun, müssen wir unsere Handlungsfähigkeit auf dem Weg in eine postfossile und zugleich soziale Zukunft erhalten und brauchen mutige Schritte in den unterschiedlichen Verantwortungsbereichen des Landkreises.

In den letzten Jahren kam uns zugute, dass sich die Zahlen aufgrund von steigenden Mehreinnahmen oder Zuweisungen von der Einbringung bis zur Verabschiedung verbessert haben. Dies ist in diesem Jahr kaum der Fall und wird wohl auch in den kommenden Jahren nicht mehr so sein.
Wir verabschieden heute diesen Haushalt, wissend, dass manche Prognosen in unsicheren Zeiten auch unsicher bleiben und wir auf neue Herausforderungen aktuell und adäquat reagieren müssen.
Bei allen Wünschen nach Priorisierung wird uns deshalb die Einzelfallprüfung unserer Ausgaben und Investitionen nicht erspart werden.

Die Welt um uns ist seit der Einbringung nicht freundlicher geworden.
Wir blicken mit Sorge auf den Krieg in der Ukraine. Nach dem brutalen Massaker der Hamas, erschrecken wir jetzt vor den Bildern der Zerstörungen in Gaza und der Not Tausender Familien, die nicht mehr wissen, wohin sie noch fliehen könnten. Geopolitisch formieren sich neue Blöcke und Europa ringt um seine Einheit.

Beim Weltklimagipfel – in einem arabischen Ölland vielleicht besonders schwierig -prallten die Interessen aufeinander. Wir sind froh, dass es noch zur Abschlusserklärung kam, auch wenn wir uns entschiedenere Aussagen zum Ausstieg aus Öl und Gas gewünscht hätten, denn es muss gelingen Wachstum zu entkoppeln von CO2-Emissionen und Ressourcenverbrauch.

Umso wichtiger ist es, dass wir unerschrocken auf kommunaler Ebene die notwendigen Schritte in die Zukunft tun. Im Schulterschluss von Kommunen und Landkreis haben wir bereits und werden wir wichtige Entscheidungen fällen.

Ein Blick auf uns besonders wichtige Bereiche:

Wir haben in diesem Jahr gemeinsam 2040 als Ziel für Klimaneutralität festgelegt. Wir sind da gemeinsam mit dem Land und vielen Institutionen in Wirtschaft und Gesellschaft unterwegs. Dem Klimanotstand wirksam zu begegnen, ist Interesse aller. Wir werden nur dann unsere Lebensgrundlagen erhalten können, wenn wir zu weitgehenden Veränderungen bereit sind.
Eine Vielzahl von Maßnahmen ist beschlossen, jetzt dürfen wir eine zügige Umsetzung in den kommenden Jahren nicht aus dem Auge verlieren. Ein sichtbarer Schritt in Richtung Erneuerbare war die Einweihung der großen Photovoltaikanlage auf dem Berufsschulzentrum, andere Dächer werden hoffentlich bald folgen, genauso wie die Sanierung kreiseigener Gebäude als Voraussetzung. Beim Ausbau der Windkraft kommt uns viel Gegenwind entgegen. Auch wenn sich die Gegner als Vernunftkraft bezeichnen, vermisse ich die Vernunft. Rückwärtsgewandte Argumente, die auf Kohle und Atomkraft setzen, werden leider auch im Landkreis laut, wie wir in Wäschenbeuren oder im Gemeinderat in Deggingen gesehen haben. Auch in den Reihen des Kreistags gibt es Vertreter, die den Klimanotstand leugnen. Da gilt es gegenzuhalten. Wir wissen beim Wind schließlich, dass jede projektierte Windanlage auch im Landratsamt einer sorgfältigen Prüfung standhalten muss.
Nicht nur der Klimanotstand und die Klimaanpassung fordern heraus, auch die Krise der Biodiversität. Wir hätten das Stichwort gern noch in den Schlüsselthemen verankert, wie Sie wissen. Der Einsatz für den Artenschutz ist zwingend, denn mit jeder Art, die wir verlieren – sei es bei Fauna oder Flora -, geht ein Baustein aus unserem Ökosystem verloren. Wir freuen uns deshalb auf die Berichte aus dem Landwirtschaftsamt und der Naturschutzbehörde, um unser Bewusstsein in diesen Bereichen zu schärfen.
Auch die Entsorgung ist ein wichtiges Element auf dem Weg zur Klimaneutralität. Umso besser, dass das neue Abfall- und Gebührenkonzept die gewünschten Erfolge im Blick auf die Reduzierung der Restmüllmengen zeitigt. An weiteren Anpassungen- auch im Sinne des Gebührenzahlers – arbeiten wir kontinuierlich.
Im Zusammenhang mit dem Thema Müllentsorgung und -verwertung hat die langfristige Sicherung und Ausweitung des Fernwärmenetzes einen wichtigen Stellenwert bekommen, zumal gerade die „Wärmewende“ ein wichtiger Bestandteil zum Erreichen der Klimaneutralität ist. Wir werden zeitnah und kontinuierlich mit den Partnern von EVF, Stadtwerken und EEW weiterverhandeln. Unser Antrag zum Haushalt, dass in diesem Zusammenhang auch Ergänzungen wie Biogasanlagen, Vergärung und Geothermie und damit Alternativen zur Müllverbrennung geprüft werden müssen steht im 1. Quartal auf der Tagesordnung. Natürlich kommen dabei auch kommunale Betreiber infrage. Warum wir keine Grundlage für den nächsten Kündigungstermin an die Betreiber des Müllheizkraftwerks sehen, haben wir bereits besprochen.

Im Bereich der Mobilität gehen wir mit der Einführung der On-demand- Verkehre einen wichtigen Zukunftsschritt im öffentlichen Verkehr im Oberen Filstal. Drei bis in die Nacht buchbare VVS -Rider verbinden die Orte von Wiesensteig bis Böhmenkirch. Wir hoffen natürlich, dass die Anlaufprobleme mit dem Bediensystem ganz schnell behoben werden und wünschen vor allem dem Shuttle zur Klinik eine breite Akzeptanz.
Öffentliche Mobilität ist teuer, aber zwingend notwendig. Deshalb sind wir Mitglied im VVS geworden, profitieren von guten Tarifen und wollen den VVS-Standard auch bei den Vorabbekanntmachungen für die neuen Linienbündel hinbekommen. Wenn wir die Fahrgastzahlen verdoppeln wollen, müssen auch wir hier den ÖPNV nutzen und für ihn werben. Ich finde es immer gut, wenn Sie, Herr Hieber, uns im UVA von ihren guten Erfahrungen mit dem X 93 berichten.

In der Gesundheitsversorgung stehen wir 2024 im Landkreis vor großen Veränderungen. Die stationäre Versorgung in der Helfensteinklinik wird dieser Tage beendet. Deutlich benannt wurde bei einem Treffen mit den kirchlichen Vertretern vor Ort die große Wertschätzung gegenüber der dort geleisteten Arbeit. Der vom Bund klar priorisierten ambulanten Versorgung folgt der Landkreis mit dem Ausbau des „Gesundheitszentrums Helfenstein“ in Geislingen. Auch für die Nachnutzung der Klinik arbeiten wir an zukunftsfähigen Modellen. Wir haben die Hoffnung, dass Beratung von außen uns dabei gute Möglichkeiten aufzeigt.

Für die ambulante Versorgung in Göppingen wird das neu eröffnete Ärztehaus einen wesentlichen Beitrag leisten und mit der Klinik eng kooperieren.
Wir freuen uns, dass zum Ende des nächsten Jahres der Umzug in die neue Alb-Fils-Klinik mit ihren hochmodernen Möglichkeiten der Therapie ansteht. Damit haben wir dann im Landkreis eine hervorragende Gesundheitsversorgung, um die wir beneidet werden.

Allen Sparmaßnahmen zum Trotz wissen wir, das Defizit der Klinik ist hoch und belastet den Haushalt. Wir wissen aber auch, dass es nicht selbst verschuldet ist und die anderen Kliniken im Land in vergleichbarer Situation sind. Deshalb ist es dringend notwendig, dass Bund und Land endlich die Stolpersteine aus dem Weg räumen und ihrer Verantwortung für eine auskömmliche Finanzierung der Kliniken gerecht werden.

Kein haushalterisch dicker Brocken betrifft die Theatertage. Wir sind froh und erleichtert, dass es gelungen ist die Stadt als Veranstalter zu gewinnen und unseren finanziellen Beitrag weiter zu leisten. Die Theatertage stehen mit ihrer internationalen Vernetzung für Offenheit und kulturelle Vielfalt. So wie Kulturarbeit generell einen elementaren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leistet.

Dass wir den Zusammenhalt der Gesellschaft als vordringliche Aufgabe – auch im Landkreis – sehen, haben wir in unserer Rede zur zweiten Lesung thematisiert. Kräfte, die spalten wollen, sind vermehrt unterwegs. Da finden wir es wenig hilfreich, wenn im Blick auf den Haushalt vom Vorsitzenden des Gemeindetags im Landkreis
unterstellt wird, dass es den Kreisrätinnen und Kreisräten und der Landkreisverwaltung an Willen und Kreativität zum Sparen fehle und sie möglicherweise falsche Ziele verfolgen. Gerade in Zeiten vor Kommunal- und Europawahlen mag die faire Auseinandersetzung besonders schwierig sein, aber eigentlich wissen wir doch alle, dass die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, konstruktives Handeln und Solidarität der kommunalen Familie fordern.

Zur Kreisumlage:
Angesichts der genannten Herausforderungen müssten wir eigentlich die Kreisumlage erhöhen, aber unsere Fraktion findet es im Sinne der Planbarkeit auch dieses Jahr richtig, dass wir dem Vorschlag der Verwaltung die Kreisumlage auf 32,5 Punkte festzusetzen, folgen.
Die mittelfristige Finanzplanung ist klar und transparent, perspektivisch wird die Kreisumlage steigen müssen.

Am Jahresschluss steht der Dank, der Dank an Sie, Herr Landrat und alle Mitarbeitenden in der Verwaltung, den Einrichtungen und Betrieben – da denke ich auch an den AWB – für Ihre engagierte Arbeit im vergangenen Jahr. Besonderer Dank gilt den Beschäftigten, den PflegerInnen und den Ärzten der Alb -Fils Klinken für ihren unermüdlichen Einsatz, Herrn Dr.Hüttner und Herrn Schmid für ihr tägliches Bemühen um eine bestmögliche Gesundheitsversorgung im ganzen Landkreis. Und nicht zuletzt allen Ehrenamtlichen, die sich im Landkreis engagieren.

Die Arbeit in der Fraktion macht Freude und ich danke allen für die gute Zusammenarbeit und Hans Zeeb für unsere Kollegialität in der Doppelspitze -ein Modell, dass ich anderen Fraktionen nur empfehlen kann.

Das Motto des Neujahrsempfangs der Kliniken ist „Aufbruch“. Auch wenn wir in wahrhaft bedrückenden Zeiten leben, einen Aufbruch mit Zuversicht und Mut wünsche ich uns allen fürs kommende Jahr. Und Weihnachten? Weihnachten ist Hoffnungszeit – lassen wir uns anstecken! In diesem Sinne Ihnen Allen gute Tage über Weihnachten und zum Jahreswechsel.

Vielen Dank!