Haushaltsrede 2025, Lilith Kuhn für die Grüne Fraktion Süßen

Lieber Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,

an erster Stelle möchte ich mich bedanken, dass ich hier als Neuzugang so freundlich und wertschätzend aufgenommen wurde. Dieser Dank gilt dem Gremium, besonders meiner Fraktion und ihrem Vorschuss an Vertrauen für den Fraktionsvorsitz, aber natürlich auch der Verwaltung, die mit einem neuen Gremium ja auch irgendwie immer eine Einarbeitungsphase mittragen muss. Ich habe mich jedenfalls sehr darüber gefreut, dass ich nun dieses Amt ausführen darf.

Meine Freude ist jedoch zugegeben getrübt und das ist ja nun auch schon mehrmals angeklungen: Wir stecken in schwierigen Zeiten, finanziell, aber vor allem auch politisch. Und trotzdem möchte ich heute anhand von einigen Themen auf lokaler Ebene ein paar optimistische Vorschläge wagen.

Ob nun russische Propaganda auf TikTok, rassistische Anfeindungen oder heftige Diskussionen auf Landkreisebene: Der Tonfall hat sich auch hier lokal geändert. In Süßen hatten wir über 20% AfD Wähler*innen bei der Europawahl, eine Partei, die von demokratischen Strukturen, wie wir sie hier heute pflegen, nicht besonders viel hält. Wir stecken in gesamtgesellschaftlichen Prozessen, auf die wir in Süßen nur einen begrenzten Einfluss haben. Und doch ist es unsere Aufgabe, Menschen vor Ort spüren zu lassen, dass sie Teil eines funktionierenden Netzwerks sind. Dass Demokratie eine Chance für die Anliegen aller Bewohner*innen ist.

Dies schaffen wir nicht, wenn wir als ersten Beschluss einer schwierigen Haushaltslage die Mieten erhöhen, sondern mit einer intakten Daseinsvorsorge, die die Menschen aktiv wahrnehmen. Wenn wir den Menschen begreiflich machen, dass die Stadt mit all ihren Baustellen die Infrastruktur für die Menschen vor Ort verbessern und niemanden ärgern will. Dass wir hier vor Ort mit dem Schulbau in Bildung und Jugend investieren. Dass es heute keine Selbstverständlichkeit mehr ist, als kleine Kommune ein öffentliches Hallenbad zu stemmen und wir es trotzdem wagen. Wenn deutlich wird, dass beispielsweise der neue Radschnellweg ein innovatives Nebenprodukt der nicht mehr ganz so neuen B10 ist, und finanziell nicht in Konkurrenz zu aktuellen anderen Ausgaben steht. Wenn wir Anreize für die Menschen vor Ort schaffen, sich beispielsweise wie in unserem Antrag mit eigenen Solarpanelen aktiv an der Energieversorgung und der Energiewende zu beteiligen und sich dabei noch selbst versorgen zu können.

Um diesen sozialen Zusammenhalt in Süßen zu unterstützen, braucht es – neben einer funktionierenden Daseinsvorsorge – öffentliche Orte der Begegnung und eine gute Aufenthaltsqualität. Hier setzen wir mit unseren weiteren Anträgen an drei Punkten an:

Erstens beantragen wir ein Wirtschaftsförderungskonzept für eine Revitalisierung der Innenstadt. Gerade im Zuge der Entwicklung der Heidenheimerstraße und der schwierigen Lage von Einzelhänder*innen brauchen wir hier eine gute Zusammenarbeit und neue Ideen. Ein schönes Beispiel war hier der Weihnachtsmarkt am Samstag. Denn niemandem ist mit einem tollen neuen Gehweg nach der Sanierung geholfen, wenn er nur an leeren Schaufenstern entlangführt. Zivilgesellschaftliches Engagement – zum Beispiel durch eine Neubelebung der Lokalen Agenda – könnte dabei auch die Verwaltung entlasten. Es gibt in Süßen viele Menschen mit guten Ideen. Teil dieser Revitalisierung sollte auch die Erhaltung bzw. Sanierung des Filsstegs sein. Denn vor Ort einkaufen machen Menschen vor allem dann, wenn sie in der Innenstadt gerne und sicher zu Fuß unterwegs sind. Man kennt sich und trifft sich – das macht eine Kleinstadt wie Süßen aus.

Öffentliche Räume als Orte der Begegnung, sei es der Wochenmarkt oder der Park, funktionieren also nur dann gut, wenn die öffentliche Infrastruktur vorhanden ist. Deshalb möchten wir zweitens ein öffentliches Toilettenkonzept für Süßen anregen. Wenn wir wollen, dass sich Menschen in Süßen gerne im öffentlichen Raum aufhalten und sich außerhalb ihrer digitalen Filterblasen begegnen, auch länger, dann brauchen wir Toiletten. Das gilt für junge Frauen oder Schwangere genauso wie für ältere Herren. Im Urlaub haben Sie bestimmt auch schon bemerkt, dass fast alle Länder das deutlich besser hinbekommen – nur in Deutschland scheint die Architektin beim Hausbau anstatt beim Pool an der Toilette sparen zu wollen – aus Angst, wer sie putzen soll. Ich verstehe das, aber es ist kein angebrachtes Argument. Ein gutes Design hilft gegen Vandalismus, das sehen wir bei dem Graffiti am Bahnhof. Und wer putzt, sollte entsprechend entlohnt werden. Wir haben in Süßen die nötige Infrastruktur, die Situation vor Ort mit – im Vergleich wenig finanziellen Mitteln – deutlich zu verbessern. Also sollten wir sie nutzen.

Drittens fordern wir, dass die Stadt Süßen bei allen Vorhaben die Vorsorge für Extremwetterereignisse mitdenkt und plant. Erst neulich bei den Kleinkunsttagen hier in der Zehntscheuer habe ich gelernt – und das habe ich wegen der Kunstfreiheit auch nochmal verifiziert, dass der Ausdruck „survival of the fittest“ von Englisch „to fit“ kommt und damit nicht das Überleben der Stärksten, sondern die Anpassungsfähigkeit von Lebewesen an neue Gegebenheiten meint. Ich möchte die politischen Anliegen der grünen Fraktion sicher nicht auf darwinistische Theorien begründen. Und doch hat das Hochwasser im Juni oder die Hitzephasen der letzten Jahre deutlich gemacht, dass wir uns anpassen müssen. Es sind nur Kleinigkeiten, die hier manchmal den entscheidenden Unterschied machen. Eine schattige Bank hier oder ein Springbrunnen, der es kleinen Kindern erlaubt, sich abzukühlen. Doch nicht nur für ältere Menschen und Kinder ist es überlebenswichtig, dass wir Vorsorge treffen, sondern auch, um ökonomisch wettbewerbsfähig zu bleiben.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einige Worte zum geplanten IKG Auen sagen. Die Region Stuttgart steckt in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Ob Allgaier in Uhingen oder Bosch in Gmünd, die nächsten Jahre wird es darum gehen, nicht in die Fläche zu bauen, sondern Räume innovativ zu gestalten. Innovationen entstehen nicht auf der grünen Wiese, sondern dort, wo unterschiedliche Menschen zusammenkommen. Es muss die nächsten Jahre darum gehen, Räume neu zu denken, Kooperationen zu schließen und Co-Working Spaces zu etablieren. Ja, es ist leichter, auf der grünen Wiese zu bauen und es braucht Kreativität, mit alten Strukturen zu arbeiten. Das weiß jeder, der mal ein Haus renoviert hat. Mit Blick auf die Bodenwerte und die Versickerungsfläche ist es aber unverantwortlich, die Flächen auf den Auen noch weiter zu versiegeln. Wir brauchen gute Böden, um uns zu ernähren, wir brauchen Versickerungsflächen, um unsere Gebäude zu schützen und wir sollten sehr genau überlegen, wie wir mit unserer Gemarkungsfläche umgehen, umresilient bleiben zu können.

Abschließend möchte ich einen Dank an alle Menschen in Süßen aussprechen, die sich für ihre Mitmenschen engagieren. Sei es im Ehrenamt, in der Kinderbetreuung, Jugendarbeit, Integrationsarbeit oder der Altenpflege. Aus diesem Grund unterstützen wir gerne die Anträge zur Wiederbefüllung des Kunstrasenplatzes. Denn die Arbeit mit Menschen ist ausschlaggebend dafür, in welche Richtung wir als Gesellschaft in Zukunft gehen werden. Über diese Arbeit können polarisierende Tendenzen abgebaut werden und die Demokratie gestärkt werden. Und das brauchen wir gerade mehr denn je. Vielen Dank.

Dr. Lilith Kuhn