Kreistagsfraktion B90/Grüne zum Haushalt 2025

8. Oktober 2024—Rede-Schriftfassung

Hans Zeeb

Sehr geehrter Herr Landrat Wolff,

meine sehr geehrten Damen und Herren von der Kreisverwaltung, der Alb Fils Klinik,
sehr geehrte Damen und Herren von unseren Kreisschulen, und alle Mitarbeitenden des Landkreises,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem 17. Kreistag,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

der schreckliche Angriffskrieg auf die Ukraine herrscht nun im dritten Jahr mit unerträglicher Härte und Zerstörung, im Nahen Osten findet eine nie da gewesene Eskalation mit Krieg und Zerstörung statt, in einem ebenso unvorstellbaren Ausmaß.
Dies alles hat seine Auswirkungen auf die ganze Welt, auf Baden-Württemberg und bis hinein in unsere Kommunen.

Und weitere globale Krisen wie – z. B Hunger und Not durch Klimaveränderungen in großen Teilen dieser Welt, sind dazu gekommen. Die Folgen der Klimakrise und der Rückgang der Biodiversität steigern sich weiter in ungeahnter Schnelligkeit. Starkregen und Überschwemmungen erleben wir in einem nie da gewesenen Ausmaß nun auch vielerorts in Europa.

Unsere gemeinsamen Lebensgrundlagen werden durch Krieg und Klimakatastrophen zerstört! All das wirkt hinein in unseren Alltag, mit der Folge, dass Orientierung und Maßstab drohen verloren zu gehen.

Auch erleben wir als Folge weiter zunehmende Ungleichheit in unserer Gesellschaft. Der Wille zur gerechten Verteilung der nun immer begrenzteren Mittel scheint verloren zu gehen, auch zwischen den Generationen. „Die jetzigen Erwachsenen first“ möchte man da fast sagen.

Unsere soziale Infrastruktur erfährt, auch als Folge des Genannten zusätzliche Belastungen. –  Menschen, die sich nie vorstellen konnten, direkt von alledem betroffen zu werden, fühlen sich verunsichert. Stabile soziale und kommunale Strukturen sind deshalb umso wichtiger im Angesicht dieser Zuspitzungen.

Die Suche nach einfachen Antworten, die es nicht geben wird, – und nie gegeben hat -, scheint auf der ganzen Welt und auch bei uns sehr populär zu werden. Der Ausgang der Wahl in den USA und die Art und Weise, wie dieser Wahlkampf geführt wurde, schmerzt. Populisten mit „alternativen Fakten“ bieten keine Lösungen an, oder suchen gar den Kompromiss für die Zukunft von uns allen, sondern wollen kompromisslos von alledem auch noch profitieren. Gesellschaft zu spalten, und davon noch einen Vorteil zu erlangen, kann und darf niemals Ziel von Demokraten werden!!

Die Verunsicherung wird nach der Auflösung der Koalition in Berlin sicher nicht kleiner, und es ist zu hoffen, dass es bis zu den Neuwahlen noch möglich ist, mit guten Kompromissen Deutschland nicht in chaotische Zeiten zu manövrieren.

Lassen Sie uns in dieser Situation gemeinsam für unsere Demokratie eintreten und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung vor allem auch auf kommunaler Ebene verteidigen.

Sehr geehrter Herr Landrat,

Sie haben bei der Einbringung des weiter sehr wackligen Haushaltes die Problemlage beschrieben. In den letzten Wochen und Tagen ist es nicht klarer geworden, wie wir diesen Haushalt noch gestalten können.
Allein die Senkung des Kopfbetrags auf 899,€, reißt wieder ein Loch von 1,3 Mio.€.
Es muss darum gehen, diesen Haushalt noch einigermaßen erträglich für unsere Kommunen und Bürger zu machen, ohne Strukturen so zu belasten, dass diese für die Zukunft zerstört werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herrn,

dieser Haushaltsplan 2025, wieder mit Sorgfalt und Augenmaß  –  (sofern unter diesen Rahmenbedingen möglich)  –  erstellt, wird nicht mehr so gestaltend sein können wie in den vergangen Jahren.
Ja, wir können froh sein, wenn es uns gelingt, die vielen konkreten Herausforderungen auf absehbare Zeit im Griff zu halten. Dafür Herrn Stolz, Herrn Haas und allen Ämtern, die tatkräftig mitgewirkt haben, Herzlichen Dank!

Der Landkreishaushalt 2025 ist trotz alledem kein Nothaushalt. Dieser Haushalt, wie wohl auch die Haushalte der nächsten ein bis zwei Jahre, zeigt, dass durch kluges und besonnenes Betrachten des Ist-Zustandes, durchaus auch Anlass zur Hoffnung besteht. Das Land und der Bund tragen bis jetzt durchaus einen, wenn auch kleiner werdenden, Teil dazu bei, dass die Entwicklung nicht noch unkalkulierbarer wird,

  • durch Verzicht auf Losverfahren bei der Förderung der Investitionen in Ganztagsschulen, —  alle Anträge werden bewilligt!
  • Das Integrationsmanagement wird vom Land weiter gefördert, und es wird mehr Geld für die Kliniken geben.

Auch wenn auf Bundesebene der Vermittlungsausschuss angerufen ist, bestehen voraussichtlich nun doch Chancen. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, das Vertrauen der Menschen zu stärken, sodass der Staat, der Landkreis, seine Städte und Gemeinden gut funktionieren. Und vor allem, dass alle zusammenarbeiten und gemeinsam ringen, um die Probleme zu lösen. Lösungen liegen in der Demokratie im Kompromiss.

Und  – Kompromisse gehen im Landkreis  –  von der funktionierenden Biobeutelsammlung, die aus unserer Sicht sicher weiterentwickelt werden muss, über die Weiterentwicklung der ambulanten Medizinischen Versorgung bis hin zu einer Notfallpraxis in Geislingen.

Meine sehr geehrten Damen und Herrn,

Was uns weiter große Sorgen macht, ist die Personalentwicklung in den unterschiedlichen Bereichen und die damit verbundenen ca. 12% nicht besetzbarer Stellen im Landkreis. Das führt auch zu Frust.
Große Hoffnung ruht weiter auf der Digitalisierung oder auch KI, ob sie die erhoffte Abhilfe schaffen wird, wird sich leider nicht so schnell wie gewünscht erweisen.

Meine sehr geehrten Damen und Herrn,

angesichts des Gesagten wird sich unsere Fraktion mit Anträgen sehr zurückhalten. Wir stellen keine Kosten auslösenden Anträge, denn auch wir wollen zur Konsolidierung beitragen.
Die Personalsituation wird sich nicht so schnell verbessern. Auch in Zukunft wird es schwer sein, Stellen zeitnah zu besetzen, wenn überhaupt geeignetes Fachpersonal für die Verwaltung gefunden wird. Denn eines ist angesichts der demografischen Entwicklung klar: So gut wie heute wird die personelle Versorgung nie mehr sein!

Wir stellen den Antrag, dass eine höhere Summe in die Vorwegentnahme eingestellt wird, Begründung:

Eine Erhöhung des Vorwegabzugs (von 3 Mio.) scheint uns möglich, hier müssen wir noch etwas mutiger werden. Angesichts der erwarteten Verrentungen sowie Vakanzen an verschiedensten Stellen, kann der Planansatz weiter reduziert werden.

Antrag: zusätzlich 750.000 € – 1,0 Mio. vorweg im Personaletat zu reduzieren.

Bei derzeit 120 unbesetzten Stellen (zu je durchschnittlich 65.000 – 70.000 € incl. Arbeitgeberaufwand) müsste das ohne Risiko möglich sein.

Tourismus und Wirtschaftsförderung gehören durchaus zusammen und sollten auch gemeinsam gedacht werden. Wir könnten uns vorstellen, nachdem die Stellen nun neu besetzt sind, hier auch mögliche Synergien zu finden und beide Bereiche effektiver nach vorne zu bringen.

Wir bitten um einen Bericht, wie die Bereiche sich gegenseitig stärken und wie sie Kooperationen finden könnten. Klimaschutz und Klimaanpassung, Biodiversität.

Wir tragen den Kurs der moderaten Ausgabenverschiebung und zeitlichen Streckung der Mittel angesichts der Haushaltslage mit, aber es darf auf keinen Fall zu einer weiteren Reduzierung der Bemühungen im Landkreis kommen. Die Themen Klima, Klimaschutz, Klimafolgenvorbereitung und Biodiversität gehören zusammen und sind für unsere Lebensgrundlage im Landkreis unerlässlich und im eigentlichen Sinne Pflichtaufgaben.

Dies als Orchideenaufgabe zu bezeichnen, wie wir es im Brief der Bürgermeister lesen mussten, zeugt von zweifelhaftem Desinteresse. Klimaveränderungen belasten zunehmend die Gesundheit der Menschen. Mehr Hitzetote, steigende Infektionsrisiken, höhere Feinstaubbelastung, aber auch psychische Probleme, um nur ein paar Aspekte zu nennen.

Wir sehen den Landkreis mit dem Gesundheitsamt, der Gesundheitskonferenz, der Kreisärzteschaft, gut aufgestellt. Das Wissen wäre da, es muss unter die Leute, und zwar unter die Verantwortlichen in Kommunen und Gesellschaft.

Antrag: Wir hätten gerne eine Veranstaltung zu dem Themenkomplex, um unsere Bürgerinnen und Kommunen über Handlungsmöglichkeiten zu informieren.

Zur Klimaanpassung gehört der Ausbau erneuerbarer Energien. Wir bitten:

Antrag: um eine Prüfung und Machbarkeitsstudie zu einer PV-Überdachung an den Fahrrad-Abstellplätzen in Verbindung mit E-Ladesäulen für Autos und Zweiräder an der Öde. Überdachte Fahrradstellplätze sind im Bestand nicht zwingend, wir halten das aber in Verbindung mit einer PV-Bedachung für eine sinnvolle Überlegung.

Bei einem solchen Projekt wollen wir die Beteiligung einer Bürgerenergiegenossenschaft anregen, so dass es für den Landkreis kostenneutral zu gestalten wäre.

Auch eine Partnerschaft mit Göppinger Unternehmen und Ausbildungsbetrieben wäre denkbar. Kreative Lösungen, die in Kooperation mit anderen entstehen, können in solchen Zeiten zielführend sein. Dies gilt auch für solch eine mögliche Anlage in Geislingen am Berufsschulzentrum. Schulen Soziales und Jugend.

Der Sozialetat ist und bleibt der größte Bereich im Haushalt. Die Aufgaben und die Herausforderungen sind weitgehend klar definiert.

Wir alle wissen, wie notwendig gesicherte soziale Strukturen für das gesellschaftliche Fundament sind. Vieles, was wir jetzt als Ausgaben sehen, sind soziale Investitionen, die helfen, zukünftige Ausgaben zu vermeiden. Herr Stolz sprach in diesem Zusammenhang immer von den rentierlichen Schulden.

Im Jahr 2025 werden steigende Ausgaben durch Tariferhöhungen, Inflation etc. von den freien Trägern selbst aus Eigenmitteln getragen werden müssen. Mit unserem neuen Finanzdezernenten, Herrn Haas, werden wir trotz aller Widrigkeiten dafür Sorge tragen müssen, dass im Jahr 2026 die Steigerungen wieder in den Haushalt eingestellt werden können. Die Lösungen jetzt für 2025 müssen sein.

Sie dürfen aber nicht langfristig als Heilmittel für den Haushalt herhalten.
Mit der Eröffnung der Erweiterung des Berufsschulzentrums in Geislingen 2025 haben wir eine dieser Investitionen in die Zukunft. Für das SBBZ in Geislingen ist der Bauauftrag diese Woche an die Fa. Leonard-Weis gegangen und das ist mehr als ein Lichtblick.

Hiermit wird in Geislingen im großen Maßstab Geld in die Hand genommen, um für die Zukunft gute Bedingungen im Schulbereich, den der Landkreis zu verantworten hat, zu sichern. (Zusammen immerhin 37Mio.)

Mobilität:

Wir wissen, dass der ÖPNV weiter vor großen Aufgaben steht, wenn wir die Klimaneutralität erreichen wollen. Trotz allem haben wir schweren Herzens der Einstellung des Rad-Busses zum Reußenstein zugestimmt.

Es muss nun darum gehen, den ÖPNV alltagstauglich zu gestalten bzw. zu erhalten, was wir haben. Der VVS-Standard muss hier, auch angesichts der Realitäten und des Machbaren, unser Mindestmaßstab bleiben.

Gesundheitswesen im Landkreis

Mit der Eröffnung der neuen Klink 2025 wird eine lange und komplizierte Investition in die Zukunft der Gesundheitsversorgung im Landkreis einen großen Schritt voran machen.
Trotz aller Widrigkeiten sind die Kosten aus meiner Sicht nicht explodiert, wie immer wieder behauptet wird.  (4-6% in 8-9Jahren)

Ja, es stimmt, es kommt immer noch zu Kostensteigerungen. Die Gründe hierfür sind aber, nüchtern betrachtet, sehr vielfältig und oft mit echten neu geschaffenen Werten verbunden. Die wir sicher in Zukunft sehr zu schätzen wissen z.B. das Ärztehaus, das Bildungszentrum, neue Bereiche der medizinischen Versorgung usw.

Zum Diskurs „Abbruch oder Beibehalten des alten Klink-Gebäudes“ werden wir in zwei Wochen erneut in die Beratung einsteigen. Das Ansinnen, sich Gedanken zu machen über die Verwendung von Ressourcen wie Bestandsgebäuden, Grauer Energie etc., ist immer und zu jedem Zeitpunkt richtig.

Aber es ist an dieser Stelle verantwortungslos und fahrlässig, die faktischen Randbedingungen, zwei bestehende Fachgutachten, Diskussionen über 3 Jahre sowie das Gesamtkonzept unserer „Kliniktochter“ Alb Fils Klinik GmbH und nicht zuletzt die Verantwortung gegenüber den künftigen Patientinnen im Eichert, auszublenden.

Beim Helfensteiner Gesundheitszentrum und der Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung in und um Geislingen liegt immer noch ein großes Stück Arbeit vor uns. Neue Akteure zu gewinnen und neue verträgliche Nutzungen zu finden, setzt weiter Gesprächsbereitschaft auf allen Seiten voraus. Ohne machbare Kompromisse wird es hier bestimmt nicht gehen.

Ich wünsche mir, dass wir die Energie hierfür verwenden, anstatt über Abbruch und angeblich vertane Chancen zu lamentieren.

Darüber hinaus muss es zusammen mit der Kreisärzteschaft unser gemeinsames Interesse sein, die sektorenübergreifende Versorgung bestmöglich zu unterstützen und zu begleiten, und in deren Rahmen die notwendigen stationären Strukturen zu schaffen. Nur wo es nicht anders geht, sollte der Landkreis ambulant einsteigen. Die Städte und Gemeinden sollten auch z.B. durch subventionierte Räumlichkeiten, (so lange ambulante MVZs nicht kostenneutral sind), Verantwortung übernehmen.

Zum Schluss noch unsere aktuellen Vorstellungen zur Kreisumlage:

Hier wird es spannend bis zur 3. Lesung sein. Alles ist in Bewegung. Auch durch unseren Antrag zur Vorweg-Entnahme sehen wir Spielraum, unter der Steigerung von 3 Punkten plus x   zu bleiben, damit unsere Kommunen keine Nothaushalte bekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

zum Ende dieser Rede möchte ich wie immer vielen Menschen im Landkreis meinen Dank aussprechen. Allen, die im Ehrenamt den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, den Mitarbeitenden im und um das Landratsamt, in den kreiseigenen Schulen, in der Klinik und in den MVZs, die trotz aller Widrigkeiten ihre Arbeit sehr gut und gerne machen. Dank auch an die Bürgerinnen und Bürger, die uns kritisch begleiten und von uns einfordern, die Dinge gut und klar zu erklären.

Wir brauchen alle, damit wir trotz allen Belastungen und Widrigkeiten friedlich und einigermaßen glücklich zusammenleben können.

Meiner Fraktion danke ich für die gute Zusammenarbeit und das Vertrauen.

Ihnen allen danke ich fürs Zuhören und bleiben wir weiter zuversichtlich!