Rede und Anträge zum Haushaltsplan 2025

Warum entwickeln sich manche Dinge auf eine Art und Weise, obwohl es doch eigentlich niemand will?

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Stölzle,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

Am 24. Dezember, dem Heiligen Abend 1968, machte William Anders an Bord von Apollo 8 eines der bedeutendsten Fotos der Geschichte: „Earthrise“ (Erdaufgang).
Es zeigt im Vordergrund die Mondoberfläche und dahinter die aufgehende Erde.
Dieses Bild vermittelte uns Menschen einen ganz neuen Eindruck für die Schönheit, aber auch für die Fragilität unseres Planeten.
Heute, fast genau 56 Jahre später fragt man sich, was seit damals schiefgelaufen ist?
Es scheint so, als hätte man sich irgendwann entschlossen, diesen Planeten einem Belastungstest zu unterziehen. Vielleicht nicht wirklich geplant oder beabsichtigt, aber irgendwann doch ziemlich genau wissend, welche Gefahren und Risken drohen.
Nach dem Motto: Mal schauen, was noch geht und wieviel das System tatsächlich aushält.
Immer mit den Gedanken an Wohlstand, technologischen Fortschritt, an Wachstum und Steigerung der Lebensqualität. Sicher war viel Gutes und Gewinnbringendes dabei, in Summe haben aber die negativen Auswirkungen für das Gesamtgefüge überwogen.

Inzwischen haben wir einen Punkt erreicht, wo wir in vielen Bereichen die Kontrolle zu verlieren scheinen. Unser Wirken hat Dinge aus dem Gleichgewicht geraten lassen und wir sind nicht mehr in der Lage, die Komplexität des Zusammenspiels zwischen Mensch und Natur im kontrollierbaren Bereich zu halten. Gleichzeitig gerät auch der Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaften, an vielen Orten die Grundfesten der Demokratie und sogar das Miteinander der Nationen ins Wanken. Vieles wurde für uns im Laufe der Zeit zur Selbstverständlichkeit. Dadurch haben wir verlernt es zu schätzen und zu lieben. Aber nur mit dem was man schätzt und liebt, geht man auch verantwortungsvoll um.

Das Unverständliche an all dem sind nicht unbedingt die Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit, es ist unser Umgang mit den Realitäten und dem inzwischen erlangten umfassenden Wissen über viele Zusammenhänge.
Tatsache ist, dass wir den Problemen nicht hilflos ausgeliefert sind, wir können sie angehen und versuchen zu lösen. Nach meiner Wahrnehmung ist die Einsicht in die Notwendigkeit eines ziemlich dramatischen Wandels auch in Deutschland vorhanden. Wahrscheinlich auch die Einsicht in die Begleiterscheinungen und Folgen, die auch einmal unangenehm sein können.
Natürlich können wir weiterhin darauf hoffen, dass wir nur jemanden anderen wählen müssen und dann wird alles gut. Wir möchten sogar den Versprechungen derjenigen glauben, die anscheinend ganz kurzfristig alles lösen können und die dabei in den vergangenen Jahrzehnten durch eine nicht wirklich zukunftsgerichtete Politik für viele der heutigen Probleme selbst maßgeblich verantwortlich sind. Und wenn es dann nichts wird, dann wählen wir halt wieder andere, die wieder anderes versprechen. Nur leider lassen sich die Krisen, das Artensterben und der Klimawandel nicht einfach abwählen.
Gleichzeitig dürfen wir die Kosten zur Bekämpfung der Gefahren und die Folgekosten der Veränderungen und unserer Versäumnisse nicht externalisieren, das heißt zukünftigen Generationen aufbürden.
Wir haben in den letzten Jahren erkannt, dass es Ausstiegsmöglichkeiten aus der Spirale von technischem Fortschritt, Wachstum und den damit verbundenen neuen Belastungen gibt.
Nichts steht dafür treffender, als der Begriff Nachhaltigkeit. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die nachhaltige Energiegewinnung durch Windkraft und Photovoltaik und die anschließende Verwendung für Elektroautos und Wärmepumpen. Völlig unerklärlich mit welcher Vehemenz sich manche noch immer dagegen positionieren.

Nun was hat das alles mit dem Donzdorfer Haushalt zu tun? Eigentlich gar nichts und gleichzeitig aber auch alles.
Auch hier sind wir in einer sehr schwierigen Situation. Das Geld fehlt an alle Ecken und Enden und es scheint auch in den nächsten Jahren nicht unbedingt besser werden.
Dafür gibt es sicher auch einige unbeeinflussbare Faktoren von außerhalb. Aber die Schuld dafür nur bei anderen zu suchen, ist in meinen Augen nicht immer zutreffend und auch zu einfach.
Wir Donzdorfer und auch der Gemeinderat haben in der Vergangenheit sicher nicht alles richtig gemacht. Dafür ein Beispiel: Vor fünf Jahren gab es großartige Pläne für ein neues Feuerwehrmagazin in Kombination mit dem Bauhof und den Stadtwerken. Obwohl es damals schon kritische Stimmen zu den enormen Kosten gab, wurde ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben, der viel Geld gekostet hat. Leider erst danach wurde dann allen klar, dass das Projekt überdimensioniert war und es Donzdorf niemals in dieser Form stemmen kann.
Inzwischen stehen wir nun kurz davor, eine deutlich günstigere und völlig ausreichende Lösung zu realisieren.
Es zeigt sich, dass in guten Zeiten oft Begehrlichkeiten entstehen. Es lauert aber immer mehr die Gefahr, dass sich die Zeiten sehr schnell ändern können.

Vielleicht kann daraus aber eine ganz neue Erkenntnis erwachsen:
Warum nutzen wir die momentane Situation nicht dafür, dass wir nicht nur darüber hadern, was alles nicht geht, wir uns nicht nur überlegen, wen wir dafür verantwortlich machen können und wo wir die letzten paar Euro einsparen können.
Denken wir doch stattdessen auch mehr über andere Facetten nach: Es dürfen nicht nur die reinen Zahlen des Haushaltes unsere gesamten Überlegungen vereinnahmen.
Dahinter stehen immer die Menschen, die Donzdorferinnen und Donzdorfer. Ihre Sorgen und Chancen, ihre Lebensqualität, ihre Sicherheit und ihre Perspektiven.
Sehen wir den Verzicht auf Großprojekte wie der Feuerwehr/Bauhof Neubau sogar als etwas Positives. Es werden nicht viel Kapital und viele Kapazitäten für ein Projekt gebunden, welches nüchtern gesehen nicht viel an messbaren Nutzen für die Mehrheit der Donzdorfer Bevölkerung gebracht hätte. Natürlich muss die feuerwehrtechnische Versorgung in Donzdorf zu 100 Prozent gewährleistet werden. Wie werden aber auch genau das durch die nun gefundene Lösung, eine kostengünstigere und mehrjährig zu realisierenden Planung, erreichen.
Vielleicht denken wir gerade in schwierigen Zeiten auch wieder über Grundsätzliches nach und fragen uns noch mehr, was für die Zufriedenheit der Donzdorferinnen und Donzdorfer tatsächlich wichtig ist:
Sicherheit, sowohl die gefühlte Sicherheit zum Beispiel im Verkehr, als auch Versorgungssicherheit im Bereich von Medizin, Lebensmitteln und Wasserversorgung, ein ausgeglichenes Angebot bei Wohnen und Arbeiten, gleichberechtigte verkehrstechnische Verbindungsmöglichkeiten, ohne eine starke Autofokussierung. Es braucht weiterhin sehr gute Schul- und Bildungsangebote, die Unterstützung der offenen Jugendarbeit und ein attraktives Vereins-, Sport- und Kulturangebot.
Sehen wir nicht was alles nicht geht, sondern überlegen wir, wo auch mit kleinen Mitteln viel Positives bewegt werden kann.

Wir möchten nicht noch einmal die ganzen diesjährigen Entscheidungen aufzählen, aber exemplarisch ein Beispiel für das Erreichen eines durchwegs positiven Zieles mit dem Einsatz von vergleichsweise geringen finanziellen Mitteln benennen: Es ist der Naturkindergarten am Berghof. Hier wurde ein erziehungswissenschaftlich hochgelobtes Pädagogikkonzept ermöglicht, welches so gut angenommen wurde, dass jetzt schon eine zweite Gruppe eingerichtet wird. Es entlastet zudem noch den Haushalt, da es wieder zu deutlich günstigeren Konditionen geschieht, als es bei eine Regelkindergartengruppe der Fall gewesen wäre.

Natürlich können auch einmal Fehler gemacht werden. Die Dinge sind oft so komplex und unvorhersehbar, dass jeder, der verspricht, für alles eine Antwort und Lösung zu kennen, nicht glaubhaft sein dürfte.
Nur sollten wir uns alle auch zu eigenen Fehlern bekennen und daraus lernen. Die Schuld auf andere Ebenen zu verlagern und immer nur auf die Politiker zu schimpfen, schadet der Demokratie und spaltet die Gesellschaft noch weiter.
Hier zeigt sich, dass wir Menschen gerne den Weg des geringsten Widerstandes gehen. Es ist viel leichter, die Verantwortung für den wirtschaftlichen Stillstand auf eine Partei abzuschieben, als über sich selbst zu reflektieren, was der Eigenanteil an einer frustrierenden Lebenssituation ist. Letztendlich sind es in ganz vielen Bereichen wir alle selber, die mit unserem persönlichen Verhalten die Dinge verursachen und bewegen.
Hätten die Eltern ihre Kinder nicht auch in dem Naturkindergarten angemeldet und hätten wir nicht begeisterte Erzieherinnen und Erzieher, gäbe es dort eben keine zweite Gruppe.

Das Thema Selbstverantwortung steht vor allem in Krisenzeiten selten an oberster Stelle von Maßnahmen, die Menschen ergreifen. Der deutsche Staat hat in seiner Fürsorge „vergessen“, das Thema Eigenverantwortung einzufordern. Dazu gibt es auch wenige Vorbilder auf politischer oder Unternehmensebene.

Es muss tatsächlich gehandelt werden. Das bringt Veränderungen und ja vielleicht auch Einschnitte und die Aufgabe von so manchen Bequemlichkeiten mit sich.
Aber es ist eine Chance und wir sollten sie nutzen. Das geht allerdings nicht, indem wir versuchen das Rad zurückzudrehen und mit alten Methoden die neuen Herausforderungen zu meistern. Es bedarf neuer und mutiger Ansätze.
Dabei sollten wir uns auch mal fragen, was für uns Wohlstand und Lebensqualität wirklich bedeuten: Heißt das wegen zwei Brezeln die 300 Meter zum Bäcker mit dem SUV zu fahren, im Januar frische Erdbeeren aus Ägypten kaufen zu können, sind das die unglaublich billigen T-Shirts aus Bangladesch, die man nach einmaligem Gebrauch wegwirft, oder sind das die Waren von Temu bzw, Shein, die per Einzelversand direkt aus China kommen und die wir vielleicht gar nicht wirklich brauchen, die aber so unschlagbar günstig sind?
Oder sollte es nicht eher unser Ziel sein, die Grundlagen für eine sicheres und für alle auskömmliches Leben in einer intakten Natur im Jetzt und für die Zukunft zu erhalten bzw. neu zu schaffen. Ist nicht das Wohl der Menschen der wahre Wohlstand.

Wir sind hier dem Schicksal nicht tatenlos ausgeliefert. Im Prinzip haben wir vieles in der eigenen Hand. Dazu ist jede und jeder einzelne natürlich auch gefordert. Durch das Verhalten im Alltag und vielleicht sogar durch aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben im Verein, Ehrenamt oder sogar auf politischer Bühne. Wie schwer sich speziell im letzten Bereich viele damit tun, haben wir alle bei der Suche nach Kandidatinnen und Kandidaten bei der diesjährigen Kommunalwahl erlebt. Dabei ist es auch auf dieser Ebene entscheidend, dass informierte, interessiert und engagierte Menschen ihre Fähigkeiten einbringen. Nur so kommt man auch zu guten und zukunftsfähigen Lösungen.

Für die Zufriedenheit und das Lebensgefühl der Menschen, sind viele auch nicht immer direkt messbaren Faktoren ausschlaggebend sind. Besonders auch für die Leisen und Schwächeren sind wir in der Pflicht.
Grundlage all unserer Entscheidungen sollten Gerechtigkeit, Sicherheit, Nachhaltigkeit und eine soziale Ausgewogenheit sein.
Dazu konkrete Beispiele, die sich auch in unseren diesjährigen Anträgen wiederfinden:
Das Ziel für mehr „Gerechtigkeit“ und Sicherheit ist unter anderem Grund unseres Antrages für Tempo 30 auf der Donzdorfer Ortsdurchfahrt. Die Priorisierung des Autoverkehrs ist in der Innenstadt nicht mehr zeitgemäß und in Relation zu den anderen Verkehrsteilnehmern nicht „gerecht“. Der Sicherheitsgewinn, die Lärmreduzierung, die verbesserte Aufenthaltsqualität, die zum Verweilen einlädt und dem Einzelhandel zugutekommt, sowie die weiteren Gründe sind in dem Antrag beschrieben.
Der Punkt Nachhaltigkeit muss das Motto für fast alles darstellen. Er geht Hand in Hand mit Klima-, Natur- und Artenschutz. Wobei diese beiden Themen nicht dem Selbstzweck dienen, sondern für unsere weitere Existenz unabdingbar sind.
Ein klein wenig wollen wir mit unserem zweiten Antrag dazu beitragen: Das Aufstellen von Hinweistafeln im wertvollen Naturschutzgebiet am Heldenberg. Es soll sensibilisieren und gleichzeitig auch deutlich machen, welche negativen Auswirkungen das Befahren mit Fahrädern an einer solchen Stelle hat.
Mit unserem Antrag auf eine finanzielle Unterstützung des Jugendbeirats bzw. der offenen Kinder- und Jugendarbeit möchten wir zu einem guten Start für das neue Jugendzentrum an der Messelbergschule beitragen. Die offene Jugendarbeit und die möglichst frühe und wertschätzende Einbindung von Kindern und Jugendlichen sind ein wichtiger Beitrag zum Erhalt einer funktionierenden Gesellschaft. Ein kleiner Puzzlestein zur sozialen Generationen-Gerechtigkeit.

Unser vierter Antrag auf Verkleinerung des Gemeinderates von 22 auf 20 Mitglieder wird im Antragstext ausführlich begründet. Wir stellen ihn bewusst ohne Verknüpfung mit dem Aspekt der unechten Teilortswahl. Zu den aufgeführten Argumenten kommt ein weiterer positiver Nebeneffekt: Eine kleine finanzielle Entlastung des zukünftigen Haushaltes.

Zum Schluss noch einige kleine Beispiele, die zeigen, was die Donzorferinnen und Donzdorfer für ein liebenswertes Zusammenleben und eine funktionierende Gemeinschaft leisten: In Donzdorf sind es zum Beispiel die ehrenamtlichen FahrerInnen und Fahrer, die mit dem MEXX vielen Menschen eine große Hilfe sind. In den Teilorten Reichenbach und Winzingen gibt es schon über ein Jahr das Rufauto TOM, auch getragen von vielen ehrenamtlichen Fahrerinnen und Fahrern. Reichenbach hat inzwischen einen aktiven Dorfverein mit viel Eigeninitiative und Winzingen hat ganz aktuell auch dieses Jahr wieder mit viel Liebe und Engagement ein Adventsdorf organisiert, das viele Besucher auch von außerhalb angelockt und erfreut hat. Alles mutmachende Beispiele für ein gutes gemeinschaftliches Anpacken.
Beispiele, die auch uns teilweise neuen Gemeinderäten, den Ortschaftsräten in Reichenbach und Winzingen und dem neuen sehr engagierten Ortsvorsteher von Winzingen zusätzlicher Ansporn für die gemeinsame zukünftige Arbeit sein sollten.

Zum Abschluss möchten wir der Stadtverwaltung und den Einrichtungen und Diensten der Stadt für die geleistete Arbeit und für die gute und vertrauensvolle Unterstützung danken.

16.12.2024 Sarah Czasny, Simone Flohr, Hans Geiger, Peter Kuhn