Kreistagsfraktion B90/Grüne zum Haushalt 2026

7. November 2025 – Rede-Schriftfassung

Sehr geehrter Herr Landrat Möller,
meine sehr geehrten Damen und Herren der Kreisverwaltung,
der Alb Fils Klinik,        
sehr geehrte Damen und Herren unserer Kreisschulen,
sehr geehrte Mitarbeitende des Landkreises –
liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Kreistag,
sehr geehrte, liebe  Bürgerinnen und Bürger,

die diesjährige Haushaltseinbringung hat wohl die längste Vorgeschichte in unserem Landkreis. In zeitlicher Hinsicht haben die Verwaltung und auch wir Kreisrätinnen und Kreisräte im Februar bereits damit begonnen, uns mit Konsolidierungsmaßnahmen zu beschäftigen, um wieder eine stabile Basis für unseren Haushalt zu finden.

Warum ist es diesmal besonders herausfordernd?

Unbestritten ist, dass die Aufgabenvielfalt der Kreisverwaltung und die Tiefe der Herausforderungen und Probleme im Sozialbereich und auf allen kommunalen Ebenen extrem zugenommen haben. Diese Krise betrifft nahezu die gesamte kommunale Ebene – Städte, Gemeindenund Landkreise, unabhängig von Größe oder politischen Mehrheiten. Es handelt sich um eine strukturelle Krise!

Die Kommunen tragen ein Viertel der staatlichen Aufgaben, erhalten aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen. Hier liegt ein großes Missverhältnis vor!

 Zudem sind die Kommunalfinanzen stark abhängig von externen gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Faktoren und Entwicklungen, auf die wir selbst kaum Einfluss nehmen können.

Diese Abhängigkeit wirkt sich aktuell besonders negativ aus und gefährdet unser Modell leistungsfähiger Kommunen als Fundament des demokratischen föderalen Staates.

Kommunen sind das Rückgrat unserer Demokratie! Hier erleben unsere Bürgerinnen und Bürger den Staat, seine Leistungen und im besten Fall – Leistungsfähigkeit, – unmittelbar – von der Kita über das Schwimmbad bis zur Kultur, vom Radwegenetz über den Straßenbau bis hin zum ÖPNV, vom Jugendtreff über das Gesundheitswesen bis zu unserem Krankenhaus.

Die Notlage der Finanzen auf kommunaler Ebene hat also ein ganzes Bündel an Akteuren zu verantworten, verstärkt durch externe Faktoren auf Bundesebene, aber auch weit darüber hinaus. Unsere weltpolitische Lage und die Auswirkungen auf Europa und die Bundesrepublik kennen Sie!

Und deshalb:
Herr Landrat Möller, Sie haben die Frage aufgeworfen: Was für ein Landkreis wollen wir sein? Wir hätten bei dieser Fragestellung mehrere Optionen von Ihrer Seite und eine Auswahl erwartet, Sie haben uns aber mit ihrem Haushalt nur eine Variante präsentiert: Ein radikales Kürzungsprogramm, das in Kauf nimmt, dass, gerade auch im sozialen Bereich, Strukturen zerstört werden, die über viele Jahrzehnte mit viel Arbeit, Einsatz und Herzblut aufgebaut und gepflegt wurden. Ein Landkreis, der sich in vielen Bereichen des Lebens zurückzieht, erzeugt Unsicherheit und Vakuum und riskiert, seine Bürgerinnen und Bürger in Not- und Ausnahmesituationen alleine zu lassen.

Bei Ihrer Einbringung der Haushaltskonsolidierung, erkennen wir keinen kooperativen Prozess, nein viele sehen das Prozedere eher als konfrontatives Verfahren, um rasch Kürzungen umsetzen zu können.

Unser Landkreis würde sozial ärmer, weniger bürgerinnen- und bürgernah, schwächer, ungerechter.

Dieses Zukunftsbild unseres Landkreises, eine Dystopie- lehnen wir entschieden ab!

Wir wollen mit Bestimmtheit kein Landkreis sein, der seine Bürgerinnen und Bürger und mitunter auch die Schwächsten unter Ihnen, seine Kinder und Jugendlichen – seine Zukunft kläglich im Stich lässt! Gerade dann, wenn sie es am Meisten brauchen, wie aktuelle Studien- und Jugendstudien belegen! (bspw. die aktuelle repräsentative bundesweite “COPSY Studie” des Universitätsklinikums HH-Eppendorf vom Herbst 2024).

Wenn es gelingt, ein Kind oder eine Jugendliche, einen Jugendlichen, durch gezielte Hilfen fit fürs Leben zu machen, spart dies ungeheure Kosten, ungleich mehr an Einsparung, als wenn dieser Mensch als Erwachsener dauerhaft auf Sozialleistungen angewiesen wäre.

Was brauchen die Menschen im Landkreis, um gesund und zufrieden zu sein? Damit ihr individuelles Leben gelingen kann? Dies müssen für uns zentrale Fragen unserer Überlegungen und unser Handlungs- Kompass sein! Kürzungen, die die Strukturen unwiederbringlich niederreißen, sind nicht der Weg in die Zukunft, wie wir ihn verantworten können!

In der Jugendhilfe steigen die Belastungsfaktoren, nicht nur durch Corona und die schon belastete Gesellschaft insgesamt. Überlegen Sie einmal, mit welchen gravierenden Krisen Kinder und Jugendliche, die heute aufwachsen, konfrontiert sind: Fluchtbewegungen, Corona, Krieg in Europa, Klima. Vergleichen Sie das einmal mit Ihrer Kinder- und Jugendzeit. Dass Hilfebedarf vorhanden ist, sollte niemanden überraschen. 

Der Landkreis hat eine herausfordernde Sozialstruktur und im Vergleich trotzdem unterdurchschnittliche Sozialausgaben, weil präventive Angebote wirken. Unbeeinflusst davon, wie oft Sie, aus anderen-Fraktionen oder Sie, Herr Landrat Möller das in Frage stellen sollten, wissenschaftlich, ist auch die positive Auswirkung von Prävention sehr gut belegt. Aktuelle Beispiele aus Stuttgart zeigen: Von drei Projekten erwirtschaftet eines auf Sicht von 20 Jahren den dreifachen Ertrag im Verhältnis zu seinen Kosten. Ein Anderes begann nach vier Jahren, sich zu rentieren und ein drittes sparte bereits im ersten Jahr deutlich mehr ein, als es kostete.

“Social Return of Investment”, (der gesellschaftliche Mehrwert, der durch soziale Investitionen entsteht,) muss das Ziel sein. (nachzulesen in der brandaktuellen Studie des – Instituts für europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft  (IEGUS) im Auftrag der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (eva)) zeigt: Investitionen in soziale Angebote entlasten öffentliche Haushalte, schaffen Perspektiven und stabilisieren ganze Lebensverläufe. Weitere repräsentative Studien, wie bspw. jene von 2024  von Prof. Dr. Zerth, der katholischen Universität Eichstätt- Ingolstadt konnte “mehrere monetäre Wirkungskanäle aufzeigen und dabei nachzeichnen, dass ein Euro an Sozialausgaben neben der Finanzierung des unmittelbaren Hilfe Ziels weitere gesellschaftliche relevante Wirkungen mit sich bringt.”

Wir halten die vorgeschlagenen Kürzungen im Sozialbereich für kontraproduktiv. Durch die Streichung jetzt, kommen kurz- bis mittelfristig höhere Kosten auf den Landkreis zu, dann definitiv in Form von Pflichtaufgaben! Dann heißt es plötzlich „jetzt muss man“.

Auch im sozialen Bereich verschließen wir uns der Notwendigkeit einer Haushaltskonsolidierung nicht, aber planvoll und ausgewogen, mit Augenmaß und Weitblick, – an Bedarfen und Notwendigkeiten orientiert!

Mit unseren Haushalts-Anträgen fordern wir daher die Wiederaufnahme der Mittel für Aufgaben und Strukturen, die wir für das Funktionieren des sozialen Bereichs für unabdingbar halten: die Schulsozialarbeit, die Familientreffs, die Suchtberatung, die Offene Kinder- und Jugendarbeit, die Ehe- und Familienberatungsstelle in Geislingen und in Göppingen, für die Schwangerschaftskonfliktberatung in Göppingen und für die Schulbibliothek des Berufsschulzentrums an der Öde.  Nicht umsonst handelt es sich um weisungsfreie Pflichtaufgaben, die in einem angemessenen Umfang erfüllt und angemessen finanziert werden müssen. Ausreichend bedeutet nicht, sehr wenig oder gar nichts.

Wir beantragen die Wiederaufnahme weiterer Mittel in den Haushaltsentwurf 2026; aus Gründen des Umfangs verweise ich auf unsere Haushaltsanträge. Hier können Sie alles dezidiert nachlesen.

Auch weitere bedeutsame mittel- und langfristige Ziele, die für den Gesunderhalt des Landkreises unbedingt notwendig sind, wie Ressourcen- und Klimaschutz, ökologische Transformation, müssen im Blick bleiben. Hier darf es maximal die ein oder andere Verschiebung auf der nahen Zeitachse bei diesen so wichtigen Querschnittsthemen geben.

Bei den Schulen ist jede Investition wichtig, insbesondere jene in die jungen Menschen selbst, weil sie befähigt werden, die Schule erfolgreich zu durchlaufen und danach dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. In Zeiten von Personal- und Fachkräftemangel und für das Gelingen der individuellen Biografien unabdingbar.

Wir freuen uns auch, dass die Landesregierung der Kommunalen Familie mit dem Mobilitätspass im Landes-Mobilitätsgesetz ein verlässliches, nachhaltiges und soziales Mittel an die Hand gibt, um das ÖPNV-Angebot vor Ort bedarfsgerecht zu verbessern, den Bürgerinnen und Bürgern damit auch finanziell den Umstieg auf Bus und Bahn zu erleichtern, Klima und Straßennetz zu entlasten, ohne in Zukunft den Kreishaushalt zu belasten. Wir beantragen daher die unverzügliche Vorbereitung der Einführung eines Mobilitätspasses im Landkreis Göppingen; das Land fördert sogar den Verwaltungsaufwand! Die Willenserklärung, sich damit zu beschäftigen, muss bereits bis zum 15.11.2025 gegenüber dem Verkehrsministerium abgegeben werden. Wir beantragen, diese Frist in jedem Fall einzuhalten!

Unser Klinikum versucht alles, um die Haushaltskonsolidierung zu unterstützen, aber auch hier sind die Rahmenbedingen schwer. Frau Warken, die Bundesgesundheitsministerin, hat gerade 1,4 Milliarden von zugesagten Mittel wieder zurückgenommen. Auch das wird sich in den einzelnen Kommunen wieder nachteilig auswirken.

Auskömmliche Krankenhausfinanzierung ist seit Jahren versprochen worden, wird aber leider nicht entsprechend umgesetzt. Nur noch wenige Krankenhäuser schreiben schwarze Zahlen. Es ist nicht Aufgabe der Kommunen und Kreise, das Gesundheitssystem und eine flächendeckende medizinische Versorgung dauerhaft mit Millionenbeträgen zu stützen. Dennoch müssen wir nun jährlich hohe zweistellige Millionenbeträge aufbringen, um die medizinische Versorgung sicherzustellen.

Die bestehenden Regelungen zwischen Bund, Land und Kommunen reichen nicht aus. Konnexität muss so gestaltet sein, dass Zahlungsverpflichtungen nicht umgangen werden können.

Herr Landrat, Sie stellen die Situation dar, als seien Ihre Kürzungsvorschläge absolut unausweichlich. Wir vermissen aber die Suche nach Lösungswegen, die sowohl einen genehmigungsfähigen Haushalt, als auch die Verhinderung des Sozialen Kahlschlages vereinen!

Beispielsweise haben wir in den finanziell guten Jahren 2018 – 2021 „Rücklagen“ im Basiskapital angespart. Auch Sie, Herr Kreiskämmerer Haas, haben uns damals zu verstehen gegeben, dass dies ein Weg sei, um für schwere Zeiten vorzusorgen. Wir haben daraufhin zugestimmt umzubuchen.  Die schweren Zeiten sind jetzt da, die Buchungen gegen unser Basiskapital sind ein Weg, der nun früher eingeschlagen werden muss! Andere Landkreise gehen diesen Weg. Das Basiskapital ist kein unerschöpfliches Füllhorn, aber es hilft uns ein wichtiges Stückchen weiter. Wir beantragen daher, dass untersucht wird, wie Mittels der Rückbuchung aus dem Basiskapital aus den o.g. Jahren, die Finanzen/Rücklagen in den Jahren 26/27 stabilisiert werden können.

Den Ansatz im Personalbudget der Verwaltung zu kürzen tragen wir mit, auch wenn dies sehr sehr schmerzhaft ist, auch hinsichtlich des künftigen Services für die Bürgerinnen und Bürger.

Bund und Land brauchen von uns aber auch ein klares Zeichen, dass es so nicht weitergeht, dass man die Landkreise nicht “verhungern lassen kann”.

Wir haben bei den Anträgen auch positive Einnahmen angesetzt und sind gespannt, was die anderen Fraktionen hier noch für Ideen haben.

Für die Kreisumlage gilt heute, dass wir noch nicht genau wissen wie wir damit umzugehen haben, nur so viel – bei einer jetzigen Planung durch die Verwaltung für die Jahre 2028/29,  von 38 Punkten, wäre es durchaus denkbar, eine sehr moderate Steigerung heute schon anzudenken und dann in kleinen Schritten, bis ins Jahr 2029 oder 2030 erst bei 38,5 Punkten zu stehen.

Wir haben schwierige Entscheidungen vor uns. Jede und jeder hier sollte sich bewusst sein, dass das, was wir hier beschließen, teilweise einschneidende Auswirkungen auf die Menschen im Landkreis hat. Jeder hier sollte sich Gedanken machen, ob sie oder er die Kürzungen im Sozialbereich mittragen will, oder ob wir als Kreistag gemeinsam bessere Lösungen finden sollten. Lösungen, die sowohl einen genehmigungsfähigen Haushalt, als auch die Verhinderung des Sozialen Kahlschlages vereinen.

Unsere Fraktion danken wir für die Unterstützung in diesem schwierigen Prozess der Haushaltsanträge für die gute und produktive Zusammenarbeit und das Vertrauen.

Schließen möchte ich gerne mit einem Zitat des spanischen Schriftstellers und Politikers Antonio Gala: “ Jeder Fortschritt, der nicht menschlich ist, ist kein Fortschritt!”

Ihnen allen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit!
gez. Sabine Daunderer und Hans Zeeb,
Fraktionsvorsitzende der Landkreis-Fraktion
Bündnis 90/ die Grünen, Göppingen