Lieber Herr Bürgermeister Kersting, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,
es ist nun mein zweiter Haushalt, den ich mittragen darf, und wir sind auch nicht gerade glücklich über das Haushaltsdefizit. Doch wer die knapp 500 Seiten Lektüre gelesen hat, weiß auch, dass wir in Süßen im Moment nicht in einer tiefen Krise stecken. Es kann sein, dass sich das aufgrund des Strukturwandels in der Region Stuttgart in den kommenden Jahren ändert und die Zahlen einbrechen – doch wir betrachten ja nun erstmal das, was vor uns liegt. Und da sehen wir bislang keine einbrechenden Einnahmen, sondern – was wir sehen, ist, dass die Rechnung vieler Kommunen im Moment nicht aufgeht und dass wenn sich strukturell nichts ändert, wir in ein paar Jahren ernsthafte Liquiditäts-Probleme bekommen. Deshalb begrüßen wir es, dass alle Fraktionen zurückhaltend mit Anträgen waren, aber auch, dass das Vertrauen zwischen Verwaltung und Politik in dieser Situation weiterhin da ist.
Die kommenden Jahre werden weitere Kosten bringen, das ist klar. Die Klimadaten übertreffen die Prognosen seit Jahren. Was neu ist: Deutschland gehört aktuell zu den Orten auf der Welt, die sich mit am schnellsten erwärmen und jetzt schon stärker betroffen sind als vor Jahren noch angenommen – das liegt im Moment vor allem an mehreren tausend Hitzetoten jährlich. Sozial gerechter Klimaschutz und Klimaanpassung sind deshalb die drängendsten kommunalen Aufgaben unserer Zeit – nicht nur für die Grünen. Katastrophenschutz kommt mit Blick auf autoritäre Regime, die Demokratien gefährden wollen, leider noch hinzu. Wir begrüßen aus diesem Grund die Planung einer Photovoltaik-Freiflächenanlage. Im Außenbereich ist das ein Kompromiss. Aber sie garantiert uns als Kommune nicht nur günstigen Strom in geopolitisch unsicheren Zeiten und verhindert globalen Raubbau und Treibhausgase mit eben vergleichsweise geringen Eingriffen vor Ort, sondern damit schaffen wir auch Möglichkeiten einer Notstromversorgung für einen Katastrophenfall.
Und es gibt noch weitere Punkte, die mich optimistisch stimmen:
Wenn ich das letzte Jahr reflektiere, schaue, was wir erreicht haben und was in Süßen vorangeht, dann fühlt es sich nicht so an, als wären wir in einer Krise. Nicht alles an unseren Baustellen läuft rund, aber es wird gebaut und ich freue mich, dass wir 2026 ein neues Schulgebäude einweihen werden und unsere Ortsdurchfahrt Form annimmt. Sogar als kleinste Fraktion konnten wir Impulse setzen – sei es mit der Balkonkraftförderung oder der Anregung zur Innenstadtkonzeption. Und als Gemeinderat haben wir gemeinsam viele Dinge konstruktiv auf den Weg gebracht ohne uns in Grabenkämpfen zu verstricken.
Im Vergleich zu anderen Kommunen haben wir in der Vergangenheit vieles richtig gemacht, die SUENERGIE hat beispielsweise bei ihren Anlagen auf Wind statt auf teures Gas gesetzt, wir haben in Hochwasserschutz investiert und soziale Angebote und Vereinsarbeit gestärkt und davon in den letzten Jahren profitiert – finanziell und gesellschaftlich. Auch wenn ich mit Sorge immer wieder ausländerfeindliche Äußerungen höre, habe ich Hoffnung, dass wir der rechten Stimmungsmache gegen Minderheiten und Ärmere gemeinsam begegnen können und als vielfältige Stadtgesellschaft zusammenhalten.
Ich bin froh, dass die Verwaltung mit dieser Haushaltsvorlage nicht in die Falle eines radikalen Sparkurses fällt. Wir sind sehr besorgt, wie sich die sozialen Sparmaßnahmen auf Landkreisebene auf Süßen auswirken werden. Die Spar-Versuchung bei bestimmten Themen ist groß, denn wenn wir dieses Jahr in Bildung, Soziales, Kultur und Klimaschutz investieren, dann kommt nicht nächstes Jahr ein Sprung in den Steuereinnahmen nach oben raus. Betriebswirtschaftliche Gewinn- und Verlustrechnungen sind tückisch, denn langfristige volkswirtschaftliche Werte lassen sich daraus nicht ableiten. Umweltschutz, Kinder und Jugendliche, Senior*innen oder Geflüchtete werden in dieser Rechnung niemals gewinnen. Doch genau diese Themen und Gruppen sind es, die uns langfristig voranbringen – auch ökonomisch. Wer in Süßen von guter Bildung profitiert und Möglichkeiten findet, sich vor Ort einzubringen, sieht hier einen Ermöglichungsraum für die eigenen Ideen. Menschen engagieren sich, gründen Vereine, Unternehmen, Familien oder entscheiden sich für eine Ausbildung hier bei uns in Süßen. Und das trifft auf alle Menschen zu – nicht nur auf diejenigen, die hier geboren sind oder Müller mit Nachnamen heißen. Diese Ermöglichungsräume brauchen wir, um zukünftig voranzukommen und uns in instabilen Zeiten resilient zu machen.
Wir sind uns sicher: Es braucht nicht viel Geld, um Menschen zu aktivieren und Dinge ins Rollen zu bringen. Viele Menschen in Süßen haben großes Interesse daran, die Stadt mitzugestalten und übernehmen auch gerne Verantwortung für das Gemeinwohl. Ob bei den Abschlussfeiern der Schulen, beim Stadtfest oder den Vereinsevents: Ich habe das letzte Jahr unglaublich viel Power vor Ort gesehen und ich würde mir wünschen, dass wir wegkommen von diesem „früher war alles besser“ und stattdessen auch bei denen mal aktiv nachhaken, die nicht kommen – weil sie vielleicht niemanden kennen oder gar nicht wissen, was es alles in Süßen gibt, weil sie kein Amtsblatt haben. Wer nicht hier aufgewachsen ist, für den sind die Hürden einfach viel höher. Wir freuen uns, dass die Verwaltung in Sachen Ehrenamt und Engagement bereits aktiv ist und sich um neue Ideen bemüht, Menschen zu erreichen und zu beteiligen. Doch es geht natürlich nicht nur um Menschen, die sich neu engagieren – als Stadt sind wir auf das langjährige Engagement vieler Menschen angewiesen, die Aufgaben übernehmen, die nicht selbstverständlich sind. Wir sind der Meinung, dass die Tablet-Beschaffung für den Gemeinderat noch etwas warten kann und wir stattdessen für das ehrenamtliche Engagement der Kernzeitbetreuung an der Hornwiesenschule Gelder für ein begehbares „Spielemobil“ bereitstellen sollten.
Weiterhin mit Bauchweh betrachten wir die Gelder, die in den nächsten Jahren in die Planung und Erschließung des IKG Auen fließen werden. Im Sinne einer Schwammstadt und Schwammlandschaften zur Abfederung von Extremwetterereignissen wäre es wirtschaftlich sinnvoller, Geld in Entsiegelung zu investieren, anstatt in Versiegelung. Wer vergangene Woche die Starkregenkarten für Süßen genau angeschaut hat, der weiß: Wenn neben dir Fläche versiegelt ist, dann stehst du unter Wasser. Doch nicht nur ökologisch und ökonomisch, auch aus stadtplanerischer Perspektive ist es für mich verwirrend, wenn Umgehungsstraßen gebaut werden und dann die Städte wieder an die Umgehungsstraßen heranwachsen, während wir innerstädtisch mit zunehmendem Leerstand kämpfen. Das gilt für die Wohnbebauung genauso wie für unsere Gewerbeflächen. Um neue Ermöglichungsräume zur Gestaltung zu schaffen, schlagen wir deshalb vor, ein langfristiges Leerstandsmanagement zu etablieren – für kreative Ideen, Möglichkeiten zur Zwischennutzung für städtische Einrichtungen und Vereine, Erbpachtansätzen im Einzelhandel und Gewerbe, und auch mit Konzepten wie Jung kauft alt im Bereich der Wohnbebauung.
Die Welt verändert sich und wir sollten dies als Chance sehen, uns mit ihr zu verändern und nicht hinterherzurennen. Die schlechte Haushaltslage ist im Moment kein Weltuntergang und sollte uns nicht erstarren lassen, sondern sie ist eingebettet in größere Strukturen, die veränderlich sind. Kommunen haben in den letzten Jahrzehnten immer mehr Aufgaben bekommen – das ermöglicht Gestaltung, ist jedoch – wie wir nun merken – nicht immer mit dem nötigen Kleingeld unterfüttert gewesen. Doch dieser Zustand ist kein Naturgesetz, sondern ein politischer Aushandlungsprozess auf allen politischen Ebenen, der im Moment stattfindet und Veränderungen sowie mindestens Gelder für die Bizethalle – hoffen wir‘s – bringen wird.
Abschließend möchten wir einen Dank an alle Menschen in Süßen aussprechen, die sich trotz all der negativen Schlagzeilen, nicht davon abbringen lassen, sich hier und heute für die Belange von Schwächeren, der Umwelt und allen anderen, die keine laute Stimme haben, einzusetzen. Danken möchten wir außerdem der gesamten Verwaltung, insbesondere Frau Schömbucher und Herrn Kersting, für die gute Vorbereitung und Mühen zu unserer Haushaltsplanung.
Vielen Dank.