Landrat Möller hat mit seinem Haushalt ein radikales Kürzungsprogramm vorgeschlagen. Dies nimmt in Kauf, dass im sozialen Bereich Strukturen zerschlagen werden, die über viele Jahrzehnte mit viel Arbeit, Einsatz und Herzblut aufgebaut wurden. Unser Landkreis würde sozial ärmer, weniger bürgerinnen- und bürgernah, schwächer, ungerechter. Finanziell halten wir die Kürzungen im Sozialbereich schlichtweg für kontraproduktiv.
„Sie sparen heute Geld ein, verursachen aber kurz- bis mittelfristig höhere Kosten für den Landkreis. Dann in Form einer Pflichtaufgabe, bei der es dann heißt „jetzt-muss-man““, erklärt dazu die Co-Fraktionsvorsitzende Sabine Daunderer. Gerade im Bereich der Jugendhilfe ist dieser Zusammenhang offensichtlich. Wenn es gelingt, ein Kind oder einen Jugendlichen durch gezielte Hilfen fit fürs Leben zu machen, spart dies ungeheure Kosten, ungleich mehr an Einsparung, als wenn dieser Mensch als Erwachsener dauerhaft auf Sozialleistungen angewiesen wäre. Ganz zu schweigen dabei vom Leid der Betroffenen, das eventuell verhindert werden kann.
Wir fordern daher den Stopp der geplanten Streichungen der Mittel für:
- die Schulsozialarbeit
- die Familientreffs
- die Suchtberatung
- die Offene Kinder- und Jugendarbeit
- den Kreisjugendring
- die Ehe- und Familienberatungsstelle in Geislingen und in Göppingen
- die Schwangerschaftskonfliktberatung in Göppingen.
All diese Angebote sehen wir als elementare Aufgaben unseres Landkreises, die in einem angemessenen Umfang erfüllt und finanziert werden müssen. Angemessen bedeutet nicht sehr wenig oder gar nichts. Gerade bei den Beratungsangeboten können wir auch eine Kürzung der Mittel nicht verantworten. Der Bedarf an Beratung ist da, die Zahlen zeigen dies. Ein reduziertes Angebot kann diesen Bedarf nicht decken. Menschen in Not brauchen Hilfe, keine Vertröstung, und sie brauchen diese in der Nähe und schnell.
Der Landkreis hat eine herausfordernde Sozialstruktur und im Vergleich trotzdem unterdurchschnittliche Sozialausgaben, weil präventive Angebote wirken. Unbeeinflusst davon, wie oft konservative Kräfte im Kreistag oder Landrat Möller dies in Frage stellen. Investitionen in soziale Angebote entlasten öffentliche Haushalte, schaffen Perspektiven und stabilisieren ganze Lebensverläufe. Wissenschaftlich ist die positive Auswirkung von Prävention sehr gut belegt. Aktuelle Beispiele aus Stuttgart zeigen: Von drei Projekten erwirtschaftet eines auf Sicht von 20 Jahren den dreifachen Ertrag im Verhältnis zu seinen Kosten. Ein anderes begann nach vier Jahren, sich zu rentieren und ein drittes sparte bereits im ersten Jahr deutlich mehr ein, als es kostete.
Die Finanzen des Landkreises sind schlecht. Ursache dafür ist nicht, dass im Landkreis schlecht gewirtschaftet worden wäre, sondern, dass wir von Bund und Land immer mehr Aufgaben erhalten, diese aber nicht ausreichend finanziert werden. Dies gilt für soziale Pflichtausgaben genauso wie für unser Kreiskrankenhaus. Das Defizit ist struktureller Natur und wir fordern Bund und Land auf, ihren fairen Anteil der Kosten zu übernehmen. Wer bestellt, bezahlt – so muss es sein; nicht wie aktuell, zwei bestellen und ein dritter, unser Landkreis, zahlt. Unser Landrat ist aufgefordert, sich in den entsprechenden Strukturen für Verbesserungen einzusetzen. Bund und Land brauchen von uns ein klares Zeichen, dass es so nicht weitergeht.
Wir verschließen uns der Notwendigkeit einer Haushaltskonsolidierung nicht, nein – aber planvoll und ausgewogen, mit Augenmaß und Weitblick. Kürzungen, die Strukturen unwiederbringlich zerstören und Menschen im Landkreis, gerade in Notsituationen, alleine lassen, sind nicht der Weg in die Zukunft, den wir verantworten können!
Die finanzielle Lage des Landkreises, und das wird in der aktuellen Diskussion gerne vergessen, hängt auch damit zusammen, dass wir für viel Geld eine neue Klinik gebaut haben. Das Abschmelzen der Eigenkapitalrücklage, das Ansteigen der Kreisumlage waren in diesem Zusammenhang lange geplant und überraschen nicht. Es war immer klar, dass diese wichtige Investition in die Zukunft auch ein finanzieller Kraftakt ist und uns einige schwere Jahre bereiten würde. Erst Mitte der 2030er Jahre sinkt die Belastung durch den Klinikneubau spürbar. Diese Zeit müssen wir nun überbrücken.
Landrat Möller stellt die Situation dar, als seien seine Kürzungsvorschläge finanziell unausweichlich. Wir vermissen aber die Suche nach Lösungswegen, die sowohl einen genehmigungsfähigen Haushalt, als auch die Verhinderung des Sozialen Kahlschlages vereinen! Bei den Streichungen im Sozialbereich reden wir von etwa 3,5 Millionen Euro. Gepaart mit einigen Einnahme-Potentialen, die unsere Fraktion identifiziert hat, geht es schlussendlich um 3 Millionen Euro. Dies entspricht etwa 0,66% Kreisumlage. Einige Kommunen könnten dies sehr gut wegstecken, für andere Kommunen wäre dies eine große Belastung. Wir bringen diesen Vorschlag nicht leichtfertig vor, er muss aber denkbar sein. Auch eine höhere Entnahme aus der Rücklage ist eine Möglichkeit der Refinanzierung.
Ein weiterer Weg ist, die Buchung gegen das Basiskapital. Unser Landkreis hat, in finanziell guten Jahren 2018 – 2021, 39 Millionen Euro „Rücklagen“ ins Basiskapital gebucht. Damals hat man uns zu verstehen gegeben, dies sei ein Weg, um für schwere Zeiten vorzusorgen. Wir haben daraufhin zugestimmt. Die schweren Zeiten sind jetzt da, die Buchungen gegen unser Basiskapital müssen, falls nötig, früher durchgeführt werden. Andere Landkreise gehen diesen Weg. Das Basiskapital ist kein unerschöpfliches Füllhorn, aber es kann uns ein entscheidendes Stückchen weiterhelfen. Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen im Kreistag, es gibt Wege, die Streichungen im Sozialbereich zu verhindern. Nutzen wir sie!
Zwei Aspekte wollen wir in diesem Göppinger Drama nicht außer Acht lassen. Die Haushaltskonsolidierung von Landrat Möller sehen wir nicht als kooperativen Prozess, sondern als konfrontatives Verfahren, um rasch Kürzungen umsetzen zu können. Bei den freien Trägern ist mit der Drohung der abrupten Streichungen um 100% eine Situation entstanden, in der dutzende Angestellte aktuell nicht wissen, wie es im nächsten Jahr bei ihnen weitergeht. Den Einsatz der freien Träger für einen Erhalt der sozialen Angebote im Landkreis begrüßen wir daher explizit.
Im Haushaltsentwurf wird versucht, die Kürzungen als politische Grundsatzentscheidung zu rechtfertigen. Ziel sei es, der „kommunalen Selbstverwaltung mehr Raum zu geben“. Sprich, die Gemeinden sollen selber entscheiden, ob sie etwas finanzieren wollen oder eben nicht. Theoretisch ein guter Gedanke, praktisch durchdacht funktioniert es nicht. Soll Schulsozialarbeit davon abhängen, ob die jeweilige Gemeinde es sich leisten kann? An den weiterführenden Schulen kommen Schüler aus vielen Gemeinden zusammen, aber nur die Kommune, in der die Schule ist, soll die Kosten tragen? Große Gemeinden/Städte verlieren so, Kleinere können sich zurücklehnen. Bei Schwangerschaftskonfliktberatung oder der Suchtberatung wird es doch geradezu absurd. Wir haben 38 Gemeinden, soll sich jede Einzelne, auch die Kleinen, jetzt dafür ein Konzept überlegen und umsetzen? Sehr viel Arbeit und Aufwand, den wir doch eigentlich reduzieren wollen. Wir haben den Kreis als größere Einheit, um übergreifende Dinge zu organisieren, nutzen wir ihn! Finanziell ist die Idee, bis zum Ende durchdacht, ein Nullsummenspiel. Der Landkreis streicht Finanzierung, die Kommunen übernehmen diese, die Finanzierung über die Kreisumlage ist hier ein fairerer und einfacherer Weg.
Auch bei den sozialen Angeboten müssen Reformen möglich sein, es ist geradezu die Pflicht eines Kreistages regelmäßig zu überprüfen, wie mit möglichst geringem Mitteleinsatz möglichst viel erreicht werden kann. Es wird hier das Geld der Allgemeinheit ausgegeben. Der Vorschlag von Landrat Möller ist aber keine Reform, sondern eine Streichliste, um ein bestimmtes Einsparziel zu erreichen. Wir sind der Meinung, dass dieses Vorgehen den Landkreis teuer zu stehen kommen wird – menschlich und finanziell. Wir werden diesen Kürzungen nicht zustimmen, wir fordern die anderen demokratischen Parteien auf, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Vorschläge zur Finanzierung haben wir gemacht, die Streichungen sind nicht alternativlos.
Kreistagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN