Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Kersting, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger von Süßen,
schön, dass Sie heute hierhergekommen sind und die Entwicklungen in Süßen interessiert verfolgen. Vom bürgerschaftlichen Interesse hängt es am Ende ab, ob wir im Rathaus gute Entscheidungen treffen können, die von einer breiten Stadtgesellschaft getragen werden und nicht nur von Einzelpersonen.
Vor einem Jahr wurde ich als Gemeinderätin gewählt und ich habe mich sehr über den Vorschuss an Vertrauen gefreut. Und deshalb möchte ich vorab ein paar persönliche Worte sagen: Ich gebe zu, im Wahlkampf und dann als frisch gebackene Gemeinderätin hatte ich zunächst Sorge davor, dass ich es als Grüne vielleicht nicht so leicht haben würde. So wie ich das von Parteikolleg*innen an anderen Orten im Kreis Göppingen höre. Aber diese Sorge hat sich nicht bestätigt – vermutlich auch deshalb, weil wir in Süßen keine Fraktion im Gemeinderat vertreten haben, deren Politik auf Hass basiert. Wir pflegen einen sehr guten Umgangston und spätestens auf der gemeinsamen Klausurtagung habe ich bemerkt, dass uns alle eine Sache verbindet: Wir wollen in Süßen etwas gestalten und zwar durch Zusammenarbeit und nicht durch gegenseitiges Schlechtreden.
Und so kann ich nach diesem knappen Jahr sagen: Es macht mir unheimlich viel Freude, dass ich in diesem Amt so viel über Süßen lerne, so viele Menschen kennenlernen darf, die teilweise auch ganz anders sind als ich und ich mich mit so vielen unterschiedlichen Themen auseinandersetzen darf – und muss – die ich bisher vielleicht noch nicht mal kannte. Denn – das gehört auch zur Wahrheit – als Fraktionsvorsitzende einer nur dreiköpfigen Fraktion sitzt man in fast allen Ausschüssen und bei sehr vielen der ganz unterschiedlichen Veranstaltungen, die es in Süßen erfreulicherweise gibt, und muss dafür andere Bereiche im Leben zurückfahren.
Aber nun noch einige Worte zu den Planungsthemen:
Wenn ich mich in anderen Gemeinden umhöre oder auch die bundespolitischen Debatten verfolge, dann läuft es gut in Süßen: Ja, auch wir müssen unsere Ausgaben verringern. Doch, wenn wir uns die aktuellen Projekte anschauen, dann sehen wir: Wir schließen keine Bäder, sondern eröffnen unser Hallenbad wieder, unsere Ortsdurchfahrung ist nicht marode, sondern wird gerade in einem – anstrengend – Baustellenmarathon erneuert. Und wir investieren in Jugend und Bildung, nicht nur mit einem neuen Gebäude, sondern sowohl mit technischen Mitteln als auch mit psychologischer Verstärkung in der Schulsozialarbeit.
Wir begleiten diese Projekte aufmerksam und kritisch. Vor allem die Verkehrsführung rund um den Filssteg wird uns die nächsten Jahre noch beschäftigen und als grüne Fraktion setzen wir uns weiter für eine sichere Rad-, aber vor allem auch Fußinfrastruktur ein. Vor allem junge und ältere Menschen haben oft gar keine andere Verkehrsmittelwahl als das Fahrrad, den Roller oder Rollator. Es ist deshalb kein Luxus, ihnen sichere Wege zu gewährleisten, sondern es zeigt, wie viel Raum wir der jungen und älteren Generation zugestehen möchten. Außerdem zeigt Praxis und Wissenschaft: Von Temporeduktionen, Verkehrsberuhigungen, Parkplatzumwandlungen und sicheren Fuß- und Radwegen profitieren alle: Eine belebte Stadt ist nicht die Stadt, durch die nur Autos von A nach B fahren, sondern die, in der man sich zufällig trifft, einkauft, schwätzt und man deswegen – wie meine Oma früher – auch mal 2h für den Weg von den Stiegelwiesen zum Markt braucht. Das entspricht ungefähr meiner täglichen Bildschirmzeit auf dem Smartphone, auf die ich besser verzichten sollte.
Dafür braucht es nicht nur sichere Wege, es braucht auch eine gute Daseinsvorsorge und attraktive Angebote. Wir freuen uns, dass unser Vorstoß für ein Innenstadt-Konzept in Süßen nun von der Verwaltung angegangen wird und auch der Handels- und Gewerbeverein so aktiv ist. Das Konsumverhalten hat sich verändert und wir brauchen kreative Ansätze, damit umzugehen.
Es ist wichtig, dass das Thema Energiewende und Klimaschutz bei den vorgestellten Projekten beispielsweise über Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern angegangen wird. Wir freuen uns, dass wir beim Thema Energiewende mit unserem Haushaltsantrag für eine kleine Balkonkraftwerksförderung aktuell auch die Bevölkerung beim Thema Energiewende unterstützen können. Denn sie macht uns alle unabhängiger und lohnt sich auch finanziell.
Auch Klimaanpassung und Naturschutz sind Teil der Ortsentwicklung – auch wenn wir hier noch viel Potenzial sehen. Ich danke Eberhard Hermann an dieser Stelle, dass er nie müde wird, um jeden einzelnen Baum zu kämpfen. Fakt ist: Die Klimaerwärmung macht keine Pause, nur weil sich die politischen Verhältnisse verändert haben. Wir brauchen Schatten und Grünflächen gegen Hitze, wir brauchen Artenvielfalt, um invasiven Arten zu begegnen und wir brauchen Schutz vor Hochwasser und Trockenheit. Auch das ist kein Luxus, sondern bittere volkswirtschaftliche Realität: Die Kosten, die durch Extremwetterereignisse entstanden, lagen in Baden-Württemberg 2024 bei 145€ pro Person (1,6 Mrd) – das ist übrigens fast dreimal so viel wie die jährlichen Ausgaben für Asylbewerberleistungen in Baden-Württemberg (610 Mio). Bei uns hier war das Hochwasser nicht besonders teuer. Wir haben frühzeitig in Hochwasserschutzmaßnahmen investiert und das war ökonomisch richtig. In Rudersberg kostete allein die Müllbeseitigung nach dem Hochwasser über 1,2 Millionen Euro.
Ich bin stolz darauf zu merken, dass in Süßen aktiv gestaltet wird und Probleme nicht nur verwaltet werden. Ich freue mich, dass ich daran teilhaben darf. Doch dafür braucht es nicht nur Politik und Verwaltung, sondern vor allem die Bürgerinnen und Bürger. Ob die Blühwiese im eigenen Vorgarten, die Beteiligung am Stadtfest, das wöchentliche Fußballtraining, der Einkauf vor Ort, das Bewerbungstraining beim türkischen Verein oder die Pflege von Angehörigen: Jeder Einzelne trägt dazu bei, dass wir als Stadtgesellschaft funktionieren.
Politisch sind wir uns natürlich nicht immer einig und als kleine Fraktion ist das auch nicht immer leicht. Für mich war es sehr frustrierend als es um das Gewerbegebiet ging. Es war frustrierend als die städtischen Mieten erhöht wurden und wir nichts dagegen tun konnten. Und trotzdem haben wir uns als Gemeinderat nach jeder Diskussion und Entscheidung die Hände geschüttelt. Und das ist es, was ich mir für Süßen in den nächsten Jahren wünsche: Kontroverse Diskussionen in der Sache, Kritik und Forderungen an Politik und Verwaltung und gleichzeitig ein wertschätzender Umgang mit dem Wissen: Uns allen liegt die Entwicklung Süßens und seine Bewohnerinnen und Bewohner am Herzen – und zwar ganz gleich ob sich die Menschen abends auf schwäbisch, türkisch, arabisch Gute Nacht sagen oder in einer der weiteren – wie ich im Verwaltungs- und Kulturausschuss lernte – 15 Sprachen, die in den Kindergärten in Süßen gesprochen werden. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam voll Tatendrang nach vorne blicken und dabei Vielfalt als Gewinn begreifen.
Vielen Dank.