Bad Boll hat Zukunft – Haushaltsrede 2024 der Gemeinderatsfraktion der Grünen Liste Bad Boll

Zum Jahreswechsel und auch sonst wünschen wir einander Gesundheit. Ein guter
Wunsch. Aber wie entsteht sie?
„Gesundheit beginnt nicht mit einer Tablette. Gesundheit beginnt mit der Luft, die wir
atmen, mit dem Wasser, das wir trinken, den Pflanzen zum Essen, erträglichen
Temperaturen und einem friedlichen Miteinander.”
Bad Boll steht für Gesundheit und Kultur – und dies gilt es zu erhalten, selbst wenn
die Haushaltslage alles andere als gut ist.
Normalerweise würden wir alle Lebensbereiche unserer Gemeinde in unserer
Haushaltsrede in guter Tradition berücksichtigen und entsprechende Anträge stellen.
Sehr bewusst tun wir dies nicht, und Sie finden keine Anträge zu den Themen
Tempo 30 im ganzen Ort, einem Förderprogramm für Tiny-Häuser und
Balkonkraftwerken. Auch lassen wir die Themen Tourismus, Kindergärten und den
so wichtigen Dorfladen unberührt. Bei den letztgenannten sind wir für das Jahr 2024
solide aufgestellt und wir geben anderen, sehr drängenden Themen Vorrang,
nämlich …
… unserer, und der Zukunft unserer Nachfahren:
Wie sieht die Zukunft aus? Wir handeln, als Bad Boller Bürgerinnen und Bürger, als
Kommune, als Bad Boll, als deutsche Staatsbürger:innen, als Europäer:innen und als
Weltgemeinschaft. Zukunft ist jetzt, wir haben keine Zeit mehr, uns auf der
Vergangenheit auszuruhen, wir müssen Entscheidungen treffen, die Weichen stellen
und eine resiliente sowie nachhaltige Zukunft ermöglichen − wir haben es in der
Hand, wenn wir mutig gemeinsam anfangen zu gestalten, indem wir ein Zukunftsbild
für Bad Boll entstehen lassen, in dem wir uns als lebenswerten Ort der Vielfalt, der
Offenheit und Naturverbundenheit zeigen.

Im vergangenen Jahr haben wir kleine Schritte gemacht, auch wenn die
Haushaltslage mehr als angespannt war und immer noch ist.
 Auf unseren Antrag ist Bad Boll der Initiative “Lebenswerte Städte und
Gemeinden“ beigetreten.
 Berichtet haben im Gemeinderat die Schule mit der Schülerbetreuung, die
Kindergärten, die Aktiven in der Flüchtlingshilfe.
 Auf unseren Antrag sind zwei unserer gemeindlichen Kindergärten als Faire
Kitas ausgezeichnet worden. Zwei weitere werden 2024 nachziehen.
 Auch in diesem Jahr wird die „Bad Boller Nachhaltigkeitsreihe“ mit drei
Veranstaltungen fortgeführt werden. Die Bücherei kooperiert unter anderem
mit der Evangelischen Akademie Bad Boll, um Boller Bürger*innen Workshops
und Vorträge zu Themen der Nachhaltigkeit anbieten zu können. Die
Bücherei ist ein Dreh- und Angelpunkt für soziales Miteinander und kulturelle
Veranstaltungen und steht, ebenso wie das Freibad und die Jugendbetreuung,
für die hohe Lebensqualität in Bad Boll, die es zu erhalten gilt.
Selbstverständlich wissen auch wir um das schwierige Haushaltsjahr 2024 und
beantragen daher keine kostenintensiven Vorhaben. Vielmehr schlagen wir vor, das
anstehende kommunale Jahr für den aktiven Austausch und für die Beratung zu
Zukunftsthemen zu nutzen. Denn wer einen Plan hat, kann nach diesem handeln. So
werden wir gemeinsam ein Zielbild zeichnen können, welches dann Schritt für Schritt
zum Wohle aller in die Tat umgesetzt werden kann.
Ideenwettbewerb zur Quartiersentwicklung
Wie sieht die Bürgerschaft unseren Ort in Zukunft? Wie ist das Bild eines zukünftigen
Bad Boll? Um das herauszufinden,

  1. beantragen wir die Durchführung eines Ideenwettbewerbs, einer
    Zukunftswerkstatt mit der Beteiligungsmöglichkeit aller Bürgerinnen und Bürger,
    der Kinder und Jugendlichen, der Vereine, der Gewerbetreibenden und
    Handwerksbetriebe, der Landwirte, der Hotellerie und Gastronomie − so können
    wir in Erfahrung bringen, wie ein Bad Boll mit Eckwälden in der Zukunft
    aussehen könnte und was unserer Sorgendengemeinschaft vor Ort wichtig ist.
    Aus den Ideen kann dann eine Quartiersagenda inklusive Investitionsplan für
    unseren Ort entwickelt werden mit dem Ziel, die Attraktivität und Lebensqualität
    zu erhalten oder gar zu steigern.
    Gemeinwohlökonomie …
    … ist ein Begriff, der immer häufiger auftaucht. Aber was ist das eigentlich? Die
    wenigsten können sich darunter etwas vorstellen. Wir
  2. beantragen hierzu, den GWÖ-Berater Herrn Tobias Daur1
    für die zweite
    Jahreshälfte einzuladen, um in einer öffentlichen Sitzung dem Thema näher zu
    kommen und Fragen zu erörtern, wie diese:
     Welche Chancen bietet die GWÖ-Bilanzierung für Gemeinden wie Bad Boll?
     Wie können wir zukünftigen Herausforderungen und Krisen begegnen?
     Und, um auf den Eingangssatz zurückzukommen:
    o Wie können wir als Gemeinde „gesund” und resilient bleiben und
    werden, kann da die GWÖ helfen?
    Ein Klimaaktionsplan für Bad Boll
    … oder noch besser: für den GVV Raum Bad Boll. Auf dem Weg zur Klimaneutralität
    bis 2040
  3. beantragen wir, für Bad Boll − oder im Sinne der Interkommunalen
    Zusammenarbeit für den GVV Raum Bad Boll − einen Klimaaktionsplan 2040 zu
    erarbeiten und bis zur nächsten Haushaltsaufstellung für das Jahr 2025 den
    betreffenden Gremien zum Beschluss vorzulegen. Wir sehen das als
    konsequente Fortführung des ersten Nachhaltigkeitsbericht der Gemeinde Bad
    Boll im Jahr 2015 und dem Beitritt zur N-Region GVV Raum Bad Boll 2018 und
    den hier ausformulierten und gefassten Grundsätzen und 12 priorisierten
    Handlungsfeldern an. Als besonders wichtigen Aspekt der Entwicklung eines Klimaaktionsplans sehen wir die aktive und kontinuierliche Beteiligung von allen Interessengruppen und
    besonders der Bürgerschaft in Bad Boll / Im Raum Bad Boll an. Nur wenn wir
    gemeinsam unsere Zukunft gestalten und gemeinsam Anstrengungen für einen
    aktiven Klimaschutz und eine bürgerschaftliche Beteiligung an der Wertschöpfung
    aller Maßnahmen erreichen, wird diese Entwicklung eine breite und tragfähige Basis
    haben.
    In naher Zukunft erwarten uns steigende Niederschläge und Starkregenereignisse
    sowie trockenere Sommer. Ein verantwortungsvoller und kontrollierter Umgang mit
    der Ressource Wasser ist von entscheidender Bedeutung. Die Verwaltung hat
    bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen, darunter die Anpassung des Bachlaufs im
    Freibad und die Ausstattung von Regenüberlaufbecken mit Messeinrichtungen. Ein
    weiterer wichtiger Schritt ist die Entfernung von Versiegelungen auf Flächen, um
    Wasser besser versickern zu lassen. Wir fordern daher verstärkte
    Entsiegelungsmaßnahmen, wo immer möglich. Zusätzlich setzen wir uns dafür ein,
    dass neue Flächen oder Bauvorhaben in Hochwassergebieten besser an die neuen
    klimatischen Bedingungen angepasst werden und Regenrückhaltebecken in die
    Planung integriert werden. Ein beliebtes Ausflugsziel in Bad Boll ist das Boller Tempele mit seiner mächtigen Eiche. Doch nicht nur dort, sondern auch als Teil des von Familien geschätzten
    Sinneswandels, sind alte Huteeichen im Gebiet des Badwasens zu finden. Diese
    Naturdenkmäler gilt es zu schützen und für kommende Generationen zu bewahren.
    Daher
  4. beantragen wir die Anpflanzung von 15 neuen Traubeneichen als Solitäre auf
    dem Badwasen oberhalb des Schützenhauses. Außerdem setzen wir uns dafür
    ein, dass die bereits vorhandenen Bäume durch das Entfernen von Unterholz
    wieder genügend Raum erhalten.
  5. Die Bollwerk-Energieversorgung Bad Boll GmbH: Wir beantragen eine Sitzung des Verwaltungsausschusses zum Thema der zukünftigen Ausrichtung der Energieversorgung Bad Boll GmbH mit dem Ziel, mehr am wirtschaftlichen Erfolg der GmbH teilhaben zu können und gleichzeitig weitere Tätigkeitsfelder für die Zukunft zu erarbeiten. Mit dem Nahwärmenetz
    und einem möglichen Windpark auf der Gemarkung Bad Boll steht hier auch die
    Frage im Raum, wie wir als Kommune und Bürgergemeinschaft von der
    Energiewende für den Gemeindehaushalt profitieren können. Auch die hier vom
    Gremium kürzlich beauftragte Begutachtung der kommunalen Wärmeplanung
    kann hier eine Grundlage bilden. Es ist Zeit, dass wir das volle Potenzial der
    Energieversorgung Bad Boll GmbH für unsere Kommune nutzen und uns nicht
    länger nur als „kleiner“ Partner des Albwerks begreifen. Vielmehr ist es eine
    Chance, gemeinsam mit unserem Partner Albwerk aktiv in die Ausgestaltung der
    Partnerschaft zu gehen.
    Biodiversität und Gesundheit hängen zusammen
    Der Klimawandel entscheidet darüber, wie wir in Zukunft leben. Der Verlust der
    Biodiversität entscheidet darüber, ob wir überleben.
    Inzwischen wird in der Wissenschaft der Rückgang der Biodiversität als extrem
    dringliches Problem angesprochen. Dringlicher als der Klimawandel! Pro Stunde
    verschwinden ein bis zwei Tier- oder Pflanzenarten von unserem Planeten. Wir
    bemerken zunächst nicht viel, aber die Auswirkungen auf uns, die Menschheit,
    können wir vermutlich kaum erahnen.
    Kürzlich hat Herr Bürgermeister Bührle im Blättle zur Unterschriftenliste des NABU
    Stellung genommen und auf die Bemühungen der Gemeinde verwiesen. Wir freuen
    uns, dass in Bad Boll schon einiges zur Erhaltung der Artenvielfalt geschieht. Für
    einen Überblick über die Vielzahl der Maßnahmen
  6. beantragen wir einen Bericht zu den Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität
    in Bad Boll.
    Entsprechende Maßnahmen in der Landwirtschaft erfordern einen Mehraufwand, und
    bringen manchmal einen Minderertrag. Die Stadt Eislingen/Fils unterstützt etliche
    Maßnahmen zur Artenvielfalt mit der „Richtlinie über die Förderung von Maßnahmen des Natur- und Umweltschutzes“. Dies ist nicht nur ein Anreiz für die Landwirtschaft,
    oder einzelne Betriebe, welche über ihre ökologische Ausrichtung schon viel tun,
    sondern für alle, die entsprechende Maßnahmen umsetzen wollen, wie etwa die
    Pflege der Kulturlandschaft und privaten Streuobstwiesen.
  7. Wir beantragen die Prüfung und Diskussion, in welchem Maß und wann
    frühestens das „Eislinger Modell“ in Bad Boll umgesetzt werden könnte, hierzu
    bitten wir um Einladung einer sachkundigen Person der Stadt Eislingen (Hinweis
    für die Verwaltung: zum Beispiel Herr Lissak).
    Wir tragen auch Verantwortung für unsere Landwirte. Wenn diese durch
    Artenschwund und Klimawandel Schwierigkeiten bekommen, haben wir unsere
    Verantwortung nicht gut wahrgenommen.
    Um zu diesem Punkt umfassend informiert zu sein,
  8. beantragen wir, die Bad Boller Landwirtinnen und Landwirte in eine öffentliche
    Gemeinderatssitzung einzuladen, um von ihnen direkt zu hören, wie es ihren
    Betrieben geht und wie wir sie unterstützen können in den Bemühungen um
    Biodiversität durch entsprechende Förderung oder andere Anreize.
    Bildung
    Nachdem Bad Boll im letzten Jahr als Faire Gemeinde rezertifiziert, zwei der
    gemeindlichen Kindergärten als Faire Kitas ausgezeichnet wurden sowie zwei
    weitere 2024 nachziehen werden,
  9. beantragen wir für dieses Jahr den Antrag auf Aufnahme der HeinrichSchickhardt-Schule in das BNE-Schulnetzwerk (Bildung für Nachhaltige
    Entwicklung) Baden-Württemberg und die Überprüfung beziehungsweise
    Schaffung der dazu nötigen Rahmenbedingungen. 2019 ins Leben gerufene
    BNE-Schulnetzwerk wurde anhand des Orientierungsrahmens für den
    Lernbereich „Globale Entwicklung“ unter der Federführung des Ministeriums für
    Kultus, Jugend und Sport ins Leben gerufen, unterstützt Schulen bei der
    Verankerung von BNE in ihrem Schulprofil und fördert den Austausch unter den
    Schulen des Netzwerks. Etwa 60 Schulen sind (Stand 2023) Teil des Netzwerks;
    u.a. das Göppinger Freihof Gymnasium und das Schlossgymnasium Kirchheim −
    weitere Schulen sind im Aufnahmeprozess. Hier wünschen wir uns, dass Bad
    Boll mit der Heinrich Schickhardt-Schule für unsere Region eine Vorreiterrolle
    einnimmt und, im Sinne eines Whole Institution Approachs, Nachhaltigkeit durch
    Bildung für nachhaltige Entwicklung auch mit Blick auf unsere Jugend vorlebt
    und lebt.
    Die Identität von Bad Boll bewahren
    Die Gemeinde Bad Boll hat als Klein-Zentrum ein breites Angebot an
    Dienstleistungen und freiwilligen Leistungen. Dieses übersteigt die Angebote ähnlich
    großer Gemeinden. Unser Freibad, das Jugendhaus mit guten Öffnungszeiten, die
    Bücherei, aber auch die erweiterten Bildungsangebote innerhalb der
    Gemeinschaftsschule, sowie die von der Gemeinde unterstützten inklusiven Settings
    in Kindergärten und Schule sind attraktive und gern genutzte Angebote, die unsere
    Gemeinde so lebendig und das Wohnen und Leben hier so beliebt machen.
    Für uns ist es oberste Priorität und dafür möchten wir werben, dass eventuell nötig
    werdende Einsparungen im Vorfeld gut durchdacht und gründlich geplant werden.
    Hier sollte stets genau analysiert werden, welche Vorteile voraussichtlich entstehen
    und mit welchem Schaden im Gegenzug zu rechnen ist und ob im jeweiligen Fall der
    rein wirtschaftliche Nutzen wirklich überwiegt.
    Auch in einem Jahr ohne größere Investitionen werden wir vor Herausforderungen
    stehen, die es mit Mut und Zuversicht zu meistern gilt. Wir sind sicher, dass wir
    gemeinsam ein interessantes, gelingendes und richtungsweisendes Jahr für unsere
    Gemeinde gestalten werden und danken an dieser Stelle allen Mitarbeitenden, den
    Vereinen und den Bürgerinnen und Bürgern für ihr Engagement und ihre
    Unterstützung.
    gez.
    Tim Bönisch, Florian Junge, Sven Koos, Linda Rebmann-Musacchio, Ruben
    Schumacher, Claudia Stursberg
    P.S. Das Zitat am Anfang stammt von Eckart von Hirschhausen