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„In Aichelberg rein und bei Hohenstadt raus“

Rat will große Tunnellösung bei ICE-Trasse

Autor: BERNWARD KEHLE | NWZ 17.11.2010

Der Bau der ICE-Trasse wird die Gemeinden im oberen Filstal schwer belasten. Der Wiesensteiger Rat will dagegen angehen – über die Politiker.

Wiesensteig. Lastwagen im Minutentakt – und das über Jahre hinweg. Die Bewohner im oberen Filstal befürchten, dass der Bau der geplanten Schnellbahntrasse erhebliche Einbußen in ihrer Lebensqualität mit sich bringen wird. Der Wiesensteiger Gemeinderat hat sich zum wiederholten Mal mit der Problematik befasst und einstimmig beschlossen, über die Politik nochmals dagegen anzugehen.

Den Stein ins Rollen gebracht hat Sven Gajo in der jüngsten Wiesensteiger Ratssitzung. Beim Schlichtungsverfahren zu Stuttgart 21 habe er mitbekommen, dass die geplante große Filstalbrücke zwischen Wiesensteig und Mühlhausen noch nicht planfestgestellt sei, sagte der Stadtrat. Dies sei ihm auch von Bürgermeister Gebhard Tritschler bestätigt worden.

Wie Gajo weiter ausführte, seien vor etlicher Zeit der damalige Mühlhauser Bürgermeister Tritschler, Wiesensteigs ehemaliger Bürgermeister Klaus-Dieter Apelt und er zusammengesessen und hätten beschlossen, zu gegebener Zeit einen entsprechenden Vorstoß zu machen, damit die Baustellenabwicklung erträglicher gestaltet wird. Die Planunterlagen der Bahn würden nicht von Baustelleneinrichtungen sprechen, sondern nur vom Erdaushub in riesigen Mengen. Quintessenz sei, dass die Abfuhr dieses Aushubes zu gewaltigen Einschränkungen der Bürger im oberen Filstal führe, kritisierte Sven Gajo.

Solange die Filstalbrücke noch keinem Planfeststellungsverfahren unterworfen wurde, bestehe die Möglichkeit einer Intervention, meinte Gajo. Angestrebt werden müsse auf jeden Fall die komplette Tunnellösung – „in Aichelberg in den Tunnel rein und bei Hohenstadt wieder raus.“ Diese Möglichkeit sei „nur“ 300 Millionen Euro teurer als die jetzige teiluntertunnelte Lösung mit Überquerung des oberen Filstals über eine Brücke und habe auch den Vorteil, dass sie weniger Steigung habe. „Bei der Lösung mit Filstalüberquerung sei die Steigung größer als die bei der Geislinger Steige“, sagte der Wiesensteiger Stadtrat.

Sven Gajo schlug seinen Ratskollegen und dem Schultes vor, mit dem Aktionsbündnis Stuttgart 21 und hier insbesondere mit dem Tübinger OB Boris Palmer und mit dem verkehrspolitischen Sprecher der Grünen im Landtag Werner Wölfle in Kontakt zu treten. Gajo betonte, dass sein Vorschlag keine „Insellösung“ für Wiesensteig wäre, sondern möglichst alle tangierten Gemeinden im oberen Filstal mitmachen sollten.

Stadtrat Wolfgang Heidner meinte, dass nicht nur auf eine Partei zugegangen werden dürfe, sondern auf alle involvierten politischen Institutionen. Einstimmig beschloss der Gemeinderat die Verwaltung zu beauftragen, diesen Weg über die Politik zu verfolgen.

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Bürgermeister sind lieber im Stillen für Stuttgart 21

Autor: EBERHARD WEIN | StZ 17.11.2010

Landkreis. Der Projektsprecher Udo Andriof muss ohne eine neue Resolution der Göppinger wieder abreisen.

Die Bürgermeister im Kreis Göppingen werden vorerst keine gemeinsame Resolution für das Projekt Stuttgart 21 veröffentlichen. Bei einer Versammlung des Göppinger Kreisverbandes des Gemeindetags ließen sich die Rathauschefs am Montag zwar vom Projektsprecher Udo Andriof (CDU) aus erster Hand informieren, man sei allerdings übereingekommen, keine offizielle Stellungnahme für das Projekt zu verabschieden, sagte der Donzdorfer Bürgermeister Martin Stölzle, der dem Göppinger Gemeindetag vorsitzt.

35 der 38 Bürger- und Oberbürgermeister hatten an der Zusammenkunft teilgenommen, die traditionell unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Unter ihnen habe kein Zweifel geherrscht, dass es auch für Projekte in den einzelnen Kommunen ein fatales Zeichen wäre, „wenn nach einem ordnungsgemäß beendeten Verfahren nicht auch gebaut" werden könnte, sagte Stölzle. Differenzierter würden aber die technischen Aspekte des Projekts beurteilt. „Es gab eine Vielzahl von Fragen, insbesondere zum Lärmschutz an der Neubaustrecke im oberen Filstal." Hier seien noch nicht alle Fakten geklärt.

Die Verabschiedung einer Resolution hatte Stölzle erst gar nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Nachdem sich aber die Bürgermeisterversammlungen im Nachbarlandkreis Esslingen und im Kreis Ludwigsburg einhellig hinter das Großprojekt gestellt hatten, war auch im Kreis Göppingen eine solche Erklärung erwartet worden. „Ich denke, dass wir hier ziemlich einstimmig sind", hatte der Rechberghäuser Bürgermeister Reiner Ruf im Vorfeld erwartet. Ruf ist Vorsitzender der Sprengelversammlung im Kreis, die im monatlichen Wechsel mit Stölzles Gemeindetag zusammentritt.

In seinem eigenen Gemeinderat hatte Ruf das Thema übrigens nicht aufrufen wollen. „Stuttgart 21 betrifft uns nicht direkt. Wir haben so viele andere Dinge auf dem Tisch", sagte Ruf. Tatsächlich tun sich viele Gemeinderäte mit dem Thema schwer. In Süßen wurde eine Resolution für Stuttgart 21 , die von der CDU eingebracht worden war, bei Stimmengleichheit abgelehnt.

Auch der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till musste in der vergangenen Woche eine herbe Niederlage hinnehmen, weil sich sein Gemeinderat einer Diskussion über das Thema verweigerte. Besonders schmerzhaft dürfte für den OB gewesen sein, dass der Linken-Stadtrat Christian Stähle die Absetzung des Punktes angeregt hatte. „Das war mein erster erfolgreicher Antrag", stellte Stähle hinterher fest.

Unterstützung erhielt er von den Grünen, der Vereinigung Unabhängiger Bürger, Teilen der SPD und dem FDP-Stadtrat Christopher Gülke. Auch der parteilose Stefan Horn erklärte, er habe keine Lust auf eine „Wahlkampfveranstaltung mit vorgefertigten Argumenten, die mir längst zum Hals heraushängen". Seine ehemaligen Fraktionskollegen von der CDU bedauerten die Absetzung. „Wir hätten gerne zu einer Versachlichung beigetragen", sagte der CDU-Stadtrat Jan Tielesch. Die 20-minütige Diskussion, die der Gemeinderat darüber führte, dass er den Punkt gar nicht diskutieren möchte, war allerdings nicht von allzu großer Sachlichkeit getrübt.

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