12 S21-Podiumsdiskussion in Geislingen

Geislinger Zuhörer klagen besseren Nahverkehr ein

Rund 70 Teilnehmer bei Podiumsdiskussion zum Volksentscheid um S 21 mit Gangolf Stocker und Stefan Faiß

Autor: RODERICH SCHMAUZ | GZ 12.11.2011

Diametral prallten ihre Meinungen aufeinander. Dessen ungeachtet verlief die Podiumsdiskussion um „Stuttgart 21“ mit Gangolf Stocker und Stefan Faiß im Geislinger Schlachthof sachlich und unaufgeregt.

Geislingen. Der Volksentscheid zu S 21, also zum Ausstieg des Landes aus dem umstrittenen Milliardenprojekt eines unterirdischen Stuttgarter Durchgangsbahnhofs, naht: An die 70 Zuhörer kamen am Donnerstagabend zu einer Diskussionsveranstaltung bei der Rätsche im Geislinger Schlachthof. Sie verfolgten nach anfänglich kurzen Störungen überaus aufmerksam zweieinhalb Stunden lang, welche Argumente der Grüne S 21-Befürworter, Professor Jürgen Faiß aus Esslingen und sein prominenter Gegenspieler, der Stuttgarter Stadtrat und frühere Sprecher der S 21-Gegner Gangolf Stocker in die Waagschale zu legen hatten. Die Zuhörer und die beiden Hauptkontrahenten machten Jürgen Kurzrock die Diskussionsleitung leicht.

„In einer Demokratie entscheiden Mehrheiten“, sagte Stocker. Wenn die S 21-Gegner beim Volksentscheid die Stimmenmehrheit erreichen, aber das mit 33 Prozent aller Wahlberechtigten sehr hohe Quorum verfehlen, wäre das für Stocker „ein politischer Auftrag zum Ausstieg“. Aber unabhängig davon, wie auch immer die Abstimmung ausgeht, blieben die Argumente der Gegner richtig und das Versammlungsrecht bestehen. „Die Proteste werden selbstverständlich weitergehen“, kündigt Stocker für den Fall an, dass der neue Bahnhof gebaut werden sollte, obwohl beide Seiten das Quorum verfehlt haben. „Ich hoffe, die Politik hat ein Einsehen“.

Stocker verwies auf bereits drei Erfolge der S 21-Gegner: Die Schlichtung, die Abwahl der CDU-geführten Landesregierung und die Ansetzung der Volksabstimmung.

Faiß befürchtet eine Radikalisierung von Gegner-Gruppen. Er hofft auf ein möglichst eindeutiges Votum beim Volksentscheid gegen den Ausstieg des Landes: „Wer Frieden will, stimmt mit Nein“. Nach seinem Dafürhalten kommt die Volksabstimmung leider 15 Jahre zu spät. Warum nun zu diesem späten Zeitpunkt das Zukunftsprojekt aufkündigen, fragt sich Faiß, und für den Ausstieg „1,5 Milliarden Euro für nichts bezahlen?“ „Infam“ nannte Stocker diese Zahl, er rechnet demgegenüber den Ausstieg herunter auf „unter 100 Millionen“. Das wiederum kommentierte Faiß als „hanebüchen“. Er weist auf die Konsequenzen von Vertragsbrüchen mit Schadenersatzforderungen hin. Stocker behauptete hingegen: „Verträge sind nicht heilig.“ Ein Streitpunkt ist dabei, wie man die bereits für teures Geld verkauften 80 Hektar Cityfläche bewertet, die bei S 21 frei würde; dieses Areal würde wieder städtebaulich wertloses Gleisvorfeld, sollte es beim oberirdischen Kopfbahnhof bleiben. „Bauerwartungsland wird zum Rübenacker“, formulierte es Faiß zugespitzt. Wenn dadurch Stuttgart eine bebaute „unwirtliche Stadtwüste“ analog zum neuen „Bücherknast“ erspart bleibe, wäre das Stocker bloß recht.

Während Faiß den Nachholbedarf Deutschlands bei Schnellbahnstrecken unter Hinweis auf Frankreich, Spanien und Italien ins Feld führte, klagte Stocker einen besseren, moderneren vertakteten Nahverkehr ein. In diese Kerbe hieb später auch das Publikum mit etlichen Diskussionsbeiträgen. Unter anderem wurde der barrierefreie Zugang zum Bahnsteig auf dem Geislinger Hauptbahnhof eingeklagt. Dafür sei kein Geld vorhanden, weil S 21 laut Stocker „wie ein Staubsauger wirkt.“

Er vermutet Kosten von bis zu neun Milliarden Euro für S 21. Denn alle bisherigen Neubaustrecken seien der Bahn aus dem Ruder gelaufen. Faiß geht dagegen davon aus, dass der maximale Kostenrahmen von 4,5 Milliarden Euro eingehalten wird, zumal die Bahn ihre Aufträge zu Festpreisen vergebe. Das gelte zum Beispiel für den Fildertunnel, der dadurch billiger komme als zunächst kalkuliert.

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