11 Göppingen: „Eislinger Erklärung“

CDU-Stadtrat will Rechtsruck nicht mitmachen

Autor: EBERHARD WEIN | StZ 11.05.2010


Göppingen Wegen der Vorlage ihrer umstrittenen „Eislinger Erklärung" verzeichnet die Junge Union die ersten Austritte.


Für Stefan Horn ist die Sache klar. Mit dieser Jungen Union möchte er nicht identifiziert werden. Deshalb hat der 32-jährige Göppinger CDU-Stadtrat jetzt seinen Austritt aus der Jugendorganisation erklärt. Von der Liste der JU-Mandatsträger, die der Kreisverband stolz im Internet präsentiert, hat er sich streichen lassen. Der Anlass ist die „Eislinger Erklärung", in der die Kreis-JU eine konservative Erneuerung der Partei fordert. Vieles, was in dem 34-seitigen Papier stehe, liege für ihn an der Grenze zum Rechtsextremismus, manches gehe sogar darüber hinaus.

Seit der Arbeitskreis „Konservatives Profil" Ende März sein Strategiepapier öffentlich gemacht hat, fehlt es nicht an solch harscher Kritik. Doch bisher ist sie aus den anderen Parteien gekommen, was die Autoren des Papiers keineswegs irritierte. Jungsozialisten, Jungen Liberalen und Grüner Jugend gehe es doch „nur um die verbale Zerschlagung und die Unterdrückung anderer Meinungen", hieß es. Horns Austritt macht deutlich, dass das Papier auch innerhalb der JU auf Unverständnis stößt – und wie: Es gebe etliche, die nur noch vom „AK Hitler" redeten, sagt Horn.

Dass ausgerechnet die rechtsnationale Zeitschrift „Junge Freiheit" das Eislinger Papier zu bundesweiter Berühmtheit brachte, freut auch den Kreisvorsitzenden Kai Steffen Maier nicht. Das sei Applaus von der falschen Seite. Von einer Austrittswelle will er aber nichts wissen. „Es gibt wie immer Ein- und Austritte." Doch bestätigt Maier, dass auch der ehemalige Vorsitzende des Göppinger Stadtverbands, Marc Oliver Schell, die JU verlassen habe. Auch hier wird kolportiert, die Eislinger Erklärung sei der Auslöser gewesen. Öffentlich wollte sich Schell nicht äußern.

Dafür hält sich Horn nicht zurück. Manches in der Eislinger Erklärung sei als Anregung noch in Ordnung, „der größte Teil geht aber gar nicht". In dem Papier sagt die JU Nein zur Gleichstellungspolitik, zur Anerkennung homosexueller Lebenspartnerschaften, zu islamischem Religionsunterricht, zur doppelten Staatsbürgerschaft und zur „Selbstgeißelung des Volkes mit den Verbrechen des Dritten Reiches". Stattdessen solle der Begriff der deutschen Leitkultur entstigmatisiert werden. Der ehemaligen CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen wird vorgeworfen, mit der „finanziellen und propagandistischen Förderung von Kinderkrippen" zur Zerstörung der Familie „als der Keimzelle bourgeoiser Gesellschaften" beizutragen – „ein klassisches Ziel marxistischer Politik". „Da hat es mir den Vogel rausgehauen", sagt Horn.

Derweil wollen seine beiden Kollegen im Gemeinderat, Jan Tielesch und Max Birk, in der JU bleiben. Glücklich sind die beiden über die „Eislinger Erklärung" allerdings nicht. „Ich befinde mich in einer völlig anderen Lebenswirklichkeit und vertrete ganz andere Positionen", sagt Tielesch. Bis vor kurzem war er hauptamtlicher Landesgeschäftsführer der JU. Dort sieht er auch seine politische Heimat. „Es gibt ja unterschiedliche Ebenen innerhalb der JU." Auch Birk distanziert sich. „Ich würde so ein Papier nicht unterschreiben. Wir leben im 21. Jahrhundert."

Damit ist der 19-Jährige mutiger als sein Onkel. In einer gemeinsamen Stellungnahme mit dem Bundestagsabgeordneten Klaus Riegert und seiner Landtagskollegin Nicole Razavi weist Dietrich Birk lediglich darauf hin, dass sich „jede Position in ihrer Übereinstimmung mit dem CDU-Grundsatzprogramm messen lassen" müsse. Unabhängig davon sei es „anerkennenswert, dass sich junge Menschen Gedanken über Politik, Gesellschaft und besonders über ihre eigene Zukunft" machten. Vielleicht machen sich die drei Politiker aber auch Gedanken über ihre Zukunft und halten sich deshalb zurück. „Die brauchen die JUler für ihre nächste Wahlkampagne", sagt ein Insider.

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