22 CDU: „Eislinger Erklärung“

„Wir stehen hinter der Erklärung“

Die Junge Union im Kreis bleibt bei provokanten Forderungen – Papier sollte CDU aufrütteln

Die Fragen stellten TOBIAS FLEGEL, HELGE THIELE und JOA SCHMID | NWZ 22.05.2010




Göppingens Junge Union hat mit der „Eislinger Erklärung“ für Wirbel gesorgt. CDU-Kreischefin Nicole Razavi und JU-Kreisvorsitzender Kai Steffen Meier erklären, wieso das Papier gerechtfertigt ist.

Warum hat die Junge Union die „Eislinger Erklärung“ verfasst?
KAI STEFFEN MEIER: Das Papier ist kein neues Grundsatzprogramm, sondern Grundlage für die innerparteiliche Diskussion. Die Erklärung sollte einen Impuls geben, damit sich die CDU wieder ein deutliches Profil gibt. Die Junge Union im Kreis Göppingen hält das für notwendig, weil wir der Ansicht sind, dass die politischen Linien von CDU und SPD während der großen Koalition verschwommen sind.

Wurde dieses Ziel erreicht?
MEIER: Seit meinem Eintritt in die Junge Union vor acht Jahren und in die CDU vor sechs Jahren habe ich nicht erlebt, dass die Mitglieder der beiden Parteien so von CDU und JU so intensiv miteinander diskutiert haben. Das bestätigt, dass die JU richtig gehandelt hat.

Wie geht die CDU mit der Jungen Union und der von ihr verfassten „Eislinger Erklärung“ um?
NICOLE RAZAVI: Die CDU im Kreis distanziert sich nicht von der Jungen Union. Die zentrale Botschaft des Papiers lautet: Wir erwarten von der CDU, dass sie unsere Zukunft im Auge behält – die Haushalts- und Finanzpolitik, die Bereiche Bildung, Umwelt und Familie. Eine demokratische Jugendorganisation hat die Pflicht, die Mutterpartei zu provozieren und Diskussionen auszulösen. Wir streiten uns gemeinsam um die richtige Meinung und um den richtigen Weg. Dabei darf ruhig mal die eine oder andere Formulierung überzogen sein. Die Junge Union hat etwas ausgelöst, was wichtig war und hat etwas formuliert, was die Mutterpartei in dieser Form nicht tut. Das hat meine höchste Anerkennung.

Frau Razavi, über welche Punkte des Paieres haben denn CDU und Junge Union diskutiert?
RAZAVI: Wir haben über die Gleichstellung von Mann und Frau sowie über Familienpolitik diskutiert. Bei diesen Themen haben wir uns geeinigt. Es sollte beispielsweise nicht zur Normalität werden, dass Kinder in Krippen aufwachsen. Eltern, denen es aber nicht möglich ist, ihren Nachwuchs allein aufzuziehen, muss der Staat helfen. Auch beim Thema Einwanderung sehen CDU und Junge Union die Dinge gleich: Wer in Deutschland leben und arbeiten will, muss sich integrieren.

Die Junge Union benutzt in der Erklärung mitunter ein Vokabular, das auch Jugendorganisationen von rechtsextremen Parteien verwenden. Stichwort Überfremdung, Homoehe oder die Ablehnung muslimischer Elemente in der Öffentlichkeit.
MEIER: Die Unterstellung, dass wir uns rechtsextremen Vokabeln bedienen, weise ich in aller Deutlichkeit zurück. Niemand in der Jungen Union hat Berührungen zum rechtsextremen Lager. In unserem Papier grenzen wir uns auch deutlich davon ab. Wir haben Maximalforderungen gestellt, um uns Gehör zu verschaffen. Wenn wir Positionen formuliert hätten, die heute schon gang und gäbe sind in der CDU, wäre die Erklärung abgeheftet und zur Seite gelegt worden. Unser Ziel war es aber, durch Diskussionen einen Konsens mit unserer Mutterpartei herzustellen.

RAZAVI: Eine Jugendorganisation darf Dinge anders sehen. Die Mitglieder der CDU sind älter und haben mehr Lebenserfahrung. Da liegt es auf der Hand, dass die Meinungen der beiden Gruppen in manchen Dingen auseinander gehen.

Kritik, dass sich die Junge Union im Ton vergriffen hat, kommt aber auch aus den eigenen Reihen.
RAZAVI: Die CDU ist eine Volkspartei. Das heißt, unter ihrem Dach hat ein breites Spektrum an Meinungen und Einstellungen Platz. Es gibt genügend Positionen, die ein CDU-Mitglied bejaht und ein anderes nicht. In diesem Punkt unterscheiden wir uns deutlich von einer kleinen Partei wie den Grünen oder der FDP und momentan auch von der SPD, die hoffentlich wieder eine Volkspartei wird. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass diejenigen von uns, die öffentlich die Eislinger Erklärung kritisieren, das zuerst intern getan hätten.

Ihrer Meinung nach hat die Junge Union also den inhaltlichen Spagat einer Volkspartei nicht übertrieben?
MEIER: Nein, wir haben keine Grenze überschritten. In der Eislinger Erklärung stehen Maximalforderungen, die anstoßen sollen. Es war nicht unsere Absicht, am rechtsextremen Rand zu fischen. Unser Ziel ist vielmehr, die CDU wieder auf klaren Kurs zu kriegen. Zurzeit befindet sich die Partei in der Mitte oder vielleicht etwas links der Mitte.Wir wollen sie in der Mitte oder etwas rechts davon sehen. Die CDU soll konservativ sein.

Glauben Sie, die Öffentlichkeit erkennt, dass Passagen der Eislinger Erklärung bewusst überspitzt formuliert wurden und nicht alles für bare Münze zu nehmen ist?
MEIER: Ich habe über 500 E-Mails aus ganz Deutschland bekommen, deren Absender das Papier befürworten. Davon gibt es wenige, die nicht alle 35 Seiten hundertprozentig unterschreiben können. Doch diese Menschen finden, die Grundrichtung ist richtig und wir brauchen eine Diskussion über das Profil der CDU.

Das Papier ist also nichts anderes als ein provokanter Schnellschuss?
MEIER: Eine Projektgruppe der Jungen Union hat rund 18 Monate an der Erklärung gearbeitet. Auf einer Klausurtagung beschloss die Junge Union, Vorschläge für ein neues CDU-Profil zu formulieren. Das heißt, die Eislinger Erklärung ist kein Stammtischpapier, sondern eine ernsthafte Vorschlagssammlung, deren einzelne Punkte in der Jungen Union ausführlich diskutiert und von ihrem Kreisausschuss mit großer Mehrheit verabschiedet worden sind.

Herr Meier, würden Sie die Eislinger Erklärung heute gleich formulieren oder einige Passagen ändern?
MEIER: Unterm Strich würde ich das wieder so machen, weil nur so die Diskussion mit der CDU angestoßen wurde. Damit hat die Junge Union ihr Ziel erreicht. Das war notwendig, denn die Parteien sind heute nicht mehr so diskutierfreudig wie früher. Zwei, drei Stellen der Erklärung würde ich vielleicht anders formulieren.

Die Junge Union im Kreis hat viel Kritik für die Eislinger Erklärung einstecken müssen. Fordert die Jugendorganisation immer noch das, was in dem Papier steht?
MEIER: Natürlich stehen wir hinter dem Papier. Der JU-Kreisvorstand hat den Inhalt schließlich gebilligt, unser Logo ziert die über 30 Seiten. Welche unserer Forderungen die CDU letztendlich teilt, wird erst nach allen Diskussionen klar sein.

Nicole Razavi steht an der Spitze der Göppinger CDU und sitzt für den Wahlkreis Geislingen im Landtag. Darüber hinaus ist die 45-Jährige verkehrspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion. Die Abgeordnete ist politischer Allrounder und kümmert sich um Themen aus Kommunal-, Landes- und Bundespolitik. Razavi ist nicht verheiratet und wohnt in Salach.

Der 24-jährige Kai Steffen Meier ist Vorsitzender der Jungen Union (JU) im Landkreis. Außerdem sitzt er im JU-Bezirksverband Nordwürttemberg und im Stadtverband Geislingen. Der BWL-Student aus Geislingen bearbeitet wie Nicole Razavi viele unterschiedliche Themen für die Junge Union.

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