10 Geislinger Baumgräber

Baumgrab statt Ruhewald

Geislingen bietet bald Bestattungsform für Urnen um Bäume herum an

Autor: RODERICH SCHMAUZ | GZ 10.06.2010



Der Ruhewald ist tot, es lebe das Baumgrab: Auf Geislinger Markung fand sich kein Bestattungsort für eine Art „Friedwald“. Bald können dafür auf Friedhöfen Urnen rund um Bäume beigesetzt werden.

Geislingen. Gestorben ist für die Geislinger Stadtverwaltung der Plan, in einem Wald bei Weiler zusammen mit der Gräflich Degenfeld’schen Forstverwaltung einen „Ruhewald“ für Urnenbeisetzungen anzulegen. Denn das Landratsamt sowie das Regierungspräsidium sperrten sich gegen das Vorhaben, weil das vorgesehene Areal in Wasserschutzzone drei (der geringsten Schutzstufe) liegt. Das Landratsamt befürchtete eine Gefahr fürs Trinkwasser. Kopfschüttelnd reagierten Stadtverwaltung und Gemeinderat darauf, weil andernorts sogar herkömmliche Friedhöfe mit Erdbestattungen in Wasserschutzzone drei liegen. Die Stadt zog aber eine gerichtliche Klage doch wieder zurück, weil die Erfolgsaussichten nach Einschätzung von Juristen gering erschienen.

Was nun? Jetzt waren Alternativen gefragt. Ein Großteil der Geislinger Gemarkung und fast der komplette Stadtwald liegen im Wasserschutz- oder Naturschutzgebiet. Mit einer Ausnahme, dem Hangwald am Michelsberg zwischen dem Friedhof Heiligenäcker und dem „Dreimännersitz“.

„Eigentlich grundsätzlich ideal“, erläuterte der fürs Friedhofswesen bei der Stadtverwaltung zuständige Fachbereichsleiter Peter Lecjaks gestern den Stadträten im Verwaltungsausschuss. Man könnte die Infrastruktur des Friedhofs Heiligenäcker mit seinen Parkplätzen, dem Krematorium und der Aussegnungshalle für Trauerfeiern mit nutzen. 110 Jahre alte Buchen stehen am Michelsberg. Der Standort „drängt sich für einen Ruhewald geradezu auf“, bewertete Lecjaks die Vorteile dieses neun Hektar großen Areals. Wäre der Hang nur nicht derart steil. Fußwege wären für ältere Menschen kaum begehbar, an die Bäume als Orte der Bestattung könnte man gar nicht nah herantreten. Lecjaks Schlussfolgerung: „Deshalb muss diese Alternative leider ausscheiden.“ Weitere potenzielle Standorte gibt es nicht. „Wir müssen deshalb das Thema Ruhewald beerdigen“, riet Lecjaks.

Einen Bedarf nach Alternativen sieht er aber – nach einer neuen Umfrage ist schon über die Hälfte der deutschen Bevölkerung gegen traditionelle Bestattungsformen. In Geislingen gab es im vergangenen Jahr 286 Urnenbestattungen, 46 davon in anonymen Gräbern. In Berlin liegt diese Quote bereits bei annähernd 50 Prozent, weiß Lecjaks.

Deswegen schlägt er auf den bestehenden städtischen Friedhöfen „Baumgräber“ vor. Um alte oder um neu zu pflanzende Bäume auf Freiflächen sollen Gräberfelder angelegt werden. In mehreren Kreisen werden bis zu 32 Urnen um solche Gemeinschaftsbäume in der Rasenfläche beigesetzt. Vorgeschrieben werden Urnen, die sich mit der Zeit selbst zersetzen.

Es handelt sich um keine anonyme Bestattungen, vielmehr soll eine Stele mit einheitlichen Namenstafeln aus Bronzeguss an den Verstorbenen erinnern. Solche Urnengräber würden für 15 bis maximal 30 Jahre gekauft – bei einem Grabkauf zu Lebzeiten kann man sich einen konkreten Platz reservieren lassen. Ansonsten werden die Urnenplätze um einen Baum herum der Reihe nach vergeben.

Nicht erlaubt werden sollen Blumen- und anderer Schmuck. Alles inklusive kostet ein Baumgrab voraussichtlich 720 Euro. „Eine kostengünstige Bestattungsart“, bemerkte Lecjaks, verglichen mit den Kosten von Gemeinschaftsgrabanlagen und Kolumbarien, aber deutlich teurer als eine anonyme Bestattung.

Die neuen Baumgräber sollen zuerst auf dem parkähnlichen alten Altenstädter Friedhof angeboten werden. Bei Bedarf könnten ohne hohe finanzielle Vorleistung durch die Stadt auch auf dem Geislinger Friedhof und auf den Heiligenäckern solche Grabanlagen angelegt werden, sagte Lecjaks. Wenn in den Stadtbezirken Baumgräber nachgefragt werden, könnten sie auch auf den dortigen Friedhöfen recht problemlos realisiert werden.

Als eine „sinnvolle, tolle Alternative zum Ruhewald“ begrüßte CDU-Stadtrat und Bestattungsunternehmer Peter Maichle den Vorschlag Lecjaks. Gegenüber einem sogenannten Familienbaum auf Friedwäldern, der 6000 bis 7000 Euro koste, seien die Geislinger Preise human. „Wir kommen um solch neue Formen, wie eine Baumbestattung, nicht herum“, meinte Maichle. Der Altenstädter Friedhof sei dafür geradezu ideal. Auch er riet dringend davon ab, Blumenschmuck auf diesen Urnengräbern zuzulassen – „sonst entsteht schnell eine Miste“.

Oberbürgermeister Wolfgang Amann hob hervor, dass man mit den Baumgräbern einem „vielfältigen Bürgerinteresse“ Rechnung trage. Bewusst strebe man von der Optik her eine qualitativ hochwertige Begräbnisstätte an – „wir wollen keine Billiglösung“. Positiv äußerte sich auch Roland Funk (FW). Fragezeichen setzte hingegen Jürgen Peters (SPD) hinter den Bedarf. Nicht zufrieden mit dieser Alternative zum Ruhewald zeigte sich Ismael Mutlu (GAL): „Was jetzt kommen soll, ist etwas ganz anderes als ein Ruhewald, es ist nur ein Ruhebaum, gleich neben traditionellen Gräbern.“ Der Verwaltungsausschuss befürwortete die neue Bestattungsform der Baumgräber mit acht Ja- und einer Neinstimme bei einer Enthaltung.

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