15 Göppingen: Stadtbibliothek und Museen sparen

Pauschal gekürzt, direkt erwischt

Autor: ANDREAS PFLÜGER | StZ 15.06.2010



Göppingen An den Beispielen Stadtbibliothek und Museen wird den Gemeinderäten deutlich gemacht, welche praktischen Auswirkungen die Haushaltskürzungen haben.

Den markigen Worten, mit denen die schlimmsten Folgen der Sparbeschlüsse beschrieben worden waren, sind bedröppelte Mienen gefolgt. Auf der einen Seite saßen Angela Asare, die Leiterin der Göppinger Stadtbibliothek, und Karl-Heinz Rueß, der in Göppingen den Bereich Archiv und Museen verantwortet, auf der anderen die Gemeinderäte des Kultur- und Sportausschusses. Für einen kurzen Moment herrschte Schweigen im Sitzungssaal des Rathauses, als Asare und Rueß ihre Schilderungen beendet hatten.
 
Denn vom viel und hochgelobten Programmangebot der im Leistungsvergleich des Deutschen Bibliothekenverbandes mehrfach topplatzierten Göppinger Bücherei bleibt in Zukunft nicht mehr viel übrig. Und auch die Historiker und Museumsmacher werden ihre oft gerühmten Publikationen fortan gewaltig eindampfen müssen. Schon in diesem Jahr wird es in der Bibliothek, keine Frederikwochen sowie keine Kinder- und Jugendtheatertage mehr geben. Ob man am bundesweiten Aktionstag der Bibliotheken teilnehmen kann, steht ebenfalls noch in den Sternen. Zur Herbstausstellung „Stauferbauten in Süditalien" mit Fotos von Lala Aufsberg im Storchen, wird es – Stauferjahr hin oder her – kein Begleitbuch und keine nachfolgende Kooperation mit dem Museum der Partnerstadt Foggia geben. Auch andere bereits konzipierte Projekte habe man erst einmal in der Warteschleife geparkt, sagte Rueß.
 
Exemplarisch konnte das Duo damit aufzeigen, „was die Konsequenzen pauschaler Sparbeschlüsse für einzelne Ausgabentöpfe, speziell im Kulturbereich, sind", wie der zuständige Bürgermeister Jürgen Lämmle zu Beginn der Ausschusssitzung erklärt hatte. Genau daran entzündete sich auch die Kritik des Kulturamtsleiters Wolfram Hosch: „Wenn ich die Etatposten kürze, von denen manche Einrichtungen in voller Breite und andere gar nicht betroffen sind, ist das in jedem Fall ungerecht." Es sei noch nicht abzusehen, wie sich diese strukturellen Eingriffe langfristig auswirkten, ergänzte er.
 
Als die Räte ihre Betroffenheit überwunden hatten, folgten wohlmeinende Appelle, sanfte Rechtfertigungen und die obligatorischen Schuldzuweisungen. Rolf Daferner (FDP) betonte, dass man das gemeinsam durchstehen müsse. Wolfram Feifel (VUB) prophezeite: „Es kommt noch schlimmer, wir werden noch härter einschneiden müssen." Klaus Fischer (CDU) sagte: „Uns schmerzt das schon, weil wir keine Einrichtung kaputt machen möchten." Klaus Wiesenborn (SPD) und Eva Epple (Grüne) wiesen den anderen Fraktionen die Schuld zu, weil die pauschalen Kürzungen unausgegoren gewesen seien. Kurz darauf war die Debatte zu Ende, obwohl dem Anschein nach noch erheblicher Informationsbedarf bestanden hätte. Beschlossen wurde nichts. Das Thema kommt sicher wieder aufs Tapet.

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„Gute Leistung kostet Geld“: Nachgefragt

Strukturelle Defizite könne eine Bibliothek im bundesweiten Leistungsvergleich nicht wettmachen, sagt Ulla Wimmer.

Frau Wimmer, die Stadt Göppingen muss sparen – auch bei der Stadtbibliothek. Im deutschlandweiten Vergleich BIX war die Göppinger Bücherei zuletzt spitze. Wird sich das nun ändern?
Wenn es sich um dauerhafte Einschnitte handelt, auf jeden Fall. Was sich sofort niederschlägt, ist ein Rückgang bei der Zahl neu beschaffter Medien. Die Kunden merken schnell, wenn das Angebot nachlässt, leihen weniger aus und bleiben irgendwann ganz weg. Über eine Zeit von drei bis vier Jahren führt ein Einschnitt beim Medienetat zu einem Absinken im BIX.

Worauf legt der Deutsche Bibliothekenverband im BIX-Ranking besonderen Wert?
Einerseits auf die Angebote, die eine Bibliothek zur Verfügung stellen kann, geachtet wird aber auch auf die Wirtschaftlichkeit und die Zukunftsfähigkeit. Am wichtigsten ist dabei, wie viele Medien erneuert werden, damit das Angebot aktuell ist. Den größten Schwerpunkt legt der BIX aber auf die Kundenorientierung: Wie gut werden die Angebote genutzt, wie viele Besucher kommen, wie viele Medien werden pro Kopf und wie oft ausgeliehen.

Können diese Anforderungen auch mit weniger Geld erfüllt werden?
Eine gute Bibliotheksleistung kostet Geld, das zeigt der BIX immer wieder. Natürlich hilft es, wenn das Personal engagiert und freundlich ist. Aber damit kann man nicht kompensieren, dass die Literatur für ein Schulreferat fehlt, oder dass die Wartezeit für einen Bestseller fünf Monate beträgt. Auch eine aktive Rolle im Bereich Leseförderung oder kulturelle Bildung kann die Bibliothek nur spielen, wenn ihr nicht nur kreatives Personal, sondern auch ein Minimum an Sachmitteln zur Verfügung steht.

Haben Sie einen Tipp für das Göppinger Bibliotheksteam oder für die Verantwortlichen bei der Stadt, was zu tun ist?
Das Ranking ist kein Selbstzweck. Es geht vielmehr darum, dass eine Bibliothek weiterhin ihre Aufgabe als Bildungseinrichtung erfüllen kann. Dafür hilft nur eine Schwerpunktsetzung seitens der Kommune, auch wenn das im Moment zweifelsohne schwer ist. Es gibt viele Tricks, fehlende Mittel auszugleichen, und ich bin mir sicher, dass das Bibliotheksteam in Göppingen diese auch kennt. Ein strukturelles Defizit hat damit aber noch keine Bibliothek je auffangen können.

Die Fragen stellte Andreas Pflüger.

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