17 Eislinger Erklärung (NWZ)

Weiter Wirbel in der CDU

Rücknahme der „Eislinger Erklärung“ sorgt bisher nicht für erhoffte Ruhe

Autor: HELGE THIELE | NWZ 17.06.2010



Auch nach der Rücknahme der „Eislinger Erklärung“ der Jungen Union sorgt das in Teilen rechtslastige Papier für Ärger und Wirbel – und belastet weiterhin das Klima in der CDU. Nicht nur im Kreis Göppingen.

Kreis Göppingen. Am Ende war der landespolitische Druck – nicht zuletzt jener aus den eigenen Reihen – derart groß, dass der Jungen Union (JU) im Kreis Göppingen nichts anderes übrig blieb, als die umstrittene und in einigen Passagen stark rechtslastige „Eislinger Erklärung“ zurückzunehmen.

In Parteikreisen wird betont, dass es keine Intervention von Ministerpräsident Stefan Mappus gegeben habe, auch wenn dem Regierungschef ein knappes Jahr vor der Landtagswahl die Debatte über die mehr als nur missverständlichen Formulierungen des CDU-Nachwuchses aus dem Filstal höchst ungelegen kam. Das Wettern gegen die Homo-Ehe, die vernichtende Kritik an der CDU-Familienpolitikerin Ursula von der Leyen, das schrille Nein zu muslimischen Elementen in der Öffentlichkeit und die Angstmacherei vor der „Überfremdung“ in Deutschland sorgte auch innerhalb der CDU für heftiges Unbehagen – und rief erst recht den politischen Gegner auf den Plan.

Der Streit um die „Eislinger Erklärung“ zog immer weitere Kreise und landete schließlich im Landtag. Als dort der SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Braun der Landesregierung am Beispiel der „Eislinger Erklärung“ eine zu laxe Haltung zum Extremismus vorwarf, beschlich offenbar auch die JU-Führung im Kreis Göppingen ein mulmiges Gefühl.

Die Rücknahme des Strategiepapiers sorgt allerdings bisher nicht für die gewünschte Ruhe – weder beim politischen Gegner, noch in der eigenen Partei. Innerhalb der Jungen Union im Kreis wird nun sogar öffentlich gestritten. Der vierköpfige Vorstand des JU-Ortsverbands Unteres Filstal reagierte gestern „schockiert über den Alleingang eines Teils des Kreisvorstands zum Rückzug der Eislinger Erklärung“. Das „Analyse- und Strategiepapier zur konservativen Erneuerung der CDU/CSU“ sei vom Kreisausschuss der Jugendorganisation einstimmig beschlossen worden. Da könne es nicht sein, dass es nun, „ohne Zu- bzw. Abstimmung mit Teilen des Kreisvorstands und den Vorsitzenden der Ortsverbände sowie der meisten Ausschussmitglieder zurückgenommen wird“. Der Parteinachwuchs im unteren Filstal bedauert, „dass die CDU/JU nicht zur Diskussion über das Papier bereit ist“. Schließlich habe sich „eine Gruppe junger engagierter Mitglieder zentrale Fragen über die Zukunft unserer Gesellschaft gestellt und der Mutterpartei in einem 34-seitigen Papier zur Debatte vorgelegt“. Zweifelsohne seien „manche Begriffe deplatziert und ungeeignet, die Debatte in unserem Sinne zu führen, was wir sehr bedauern“, heißt es in der Pressemitteilung aus Ebersbach. Hier müsse die JU „zur selbstkritischen Reflexion“ bereit sein. Doch dürfe dieser Umstand nicht zum Ende der „längst überfälligen parteiinternen Diskussion über das Profil und das Papier führen“, betont Stephanie Hägele, die Vorsitzende des JU-Ortsverbands Unteres Filstal. So denken offenbar auch manche CDU-Mitglieder im Kreis. Offenbar gibt es nun erste Beschwerden von der Parteibasis darüber, dass das Papier wegen des politischen Drucks zurückgezogen wurde.

Stephanie Hägele ärgert sich außerdem darüber, dass sie als Ortsverbandschefin über die Rücknahme des Papiers erst informiert worden sei, als der Rückzug schon ausgemachte Sache gewesen sei.

Kai Steffen Maier, der Kreisvorsitzende der JU, hat zu den Vorgängen am vergangenen Wochenende gestern eine dürre Pressemitteilung verschickt. Darin heißt es: „Entgegen der Darstellung der JU Unteres Filstal ist der Rückzug des Strategiepapiers eine vom geschäftsführenden Kreisvorstand und den Ortsvorsitzenden der JU mehrheitlich getragene Entscheidung.“ Zwischen der JU und dem CDU-Kreisverband bestehe aber volle Einigkeit, „dass wir die Diskussion über die von der JU angestoßenen Themen weiter intensiv führen werden“.

Die CDU-Kreisvorsitzende Nicole Razavi, der Kritiker – auch in der eigenen Partei – vorwerfen, sich immer noch nicht klar von der „Eislinger Erklärung“ distanziert zu haben, stellte sich erneut hinter den Parteinachwuchs, räumte aber ein, dass die JU in manchen Dingen „falsch lag“ oder „falsch formuliert“ habe. Daraus müsse die Junge Union lernen. Die Kritik aus dem unteren Filstal kann Razavi nachvollziehen. „Es ist klar, dass nach all der Arbeit an dem Papier, das auf hohem Niveau ausgearbeitet wurde, jetzt manche enttäuscht sind.“ Mit der Rücknahme der Schrift, über die zuletzt nicht mehr sachlich hätte diskutiert werden können, habe die JU Größe gezeigt.

Razavi hofft, dass nun Ruhe einkehrt. Die gestern vom Filderstädter CDU-Stadtrat Ralf Berti erneuerte Aufforderung an Ministerpräsident Mappus, „endlich ein klärendes Wort zu diesem unerträglichen Thesenpapier zu sagen“, lässt Razavis Hoffnung trügerisch erscheinen.

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