31 Eislinger Erklärung

„Die Junge Union hat dazugelernt“

Der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende spricht über die "Eislinger Erklärung"

Autor: HELGE THIELE | NWZ 31.07.2010


Der Landtagsabgeordnete und stellvertretende CDU-Landeschef Dietrich Birk führt die umstrittenen Passagen in der "Eislinger Erklärung" auf die "jugendliche Unerfahrenheit" der Jungen Union zurück.

Herr Birk, warum haben Sie als Göppinger Landtagsabgeordneter und stellvertretender CDU-Landesvorsitzender so lange zu der „Eislinger Erklärung“ geschwiegen?
DIETRICH BIRK: Ich habe nicht geschwiegen, sondern bin mehrfach zu dem Papier befragt worden. Ich war auch innerparteilich in die Diskussion eingebunden. Es gab ein gutes, intensives Gespräch zwischen dem CDU-Kreisvorstand und dem Vorstand der Jungen Union. Da wurde konstruktiv diskutiert.

Wie stehen Sie selbst zu dem umstrittenen Papier der Jungen Union, das inzwischen zurückgezogen wurde?
BIRK: Ich finde es zunächst positiv, dass sich junge Menschen mit Politik beschäftigen, sich über die Zukunft Gedanken machen und gesellschaftliche Herausforderungen, vor denen wir stehen, herausarbeiten. Es gibt Teile des Papiers, denen ich zu 100 Prozent zustimmen kann, etwa die Bewahrung der Schöpfung, der Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie und die Nachhaltigkeit vor allem in der Finanzpolitik. Es enthält aber auch Passagen, die missverständlich und falsch sind. Das ist kein Vorwurf an die Junge Union. Ich führe manche ungeschickte Formulierung auf jugendlichen Sturm und Drang sowie Unerfahrenheit zurück. Und manches war überspitzt formuliert, um die Diskussion anzustoßen.

Das ist aber offenbar etwas schief gegangen. Selbst aus den eigenen Reihen gab es den Vorwurf, dass die „Eislinger Erklärung“ an manchen Stellen knapp am Rechtsextremismus vorbeischrammt . . .
BIRK: Die Fehler des Papiers habe ich ja bereits angedeutet. Aber ich kenne die Akteure der Jungen Union im Kreis. Da gibt es Konservative und Liberale, aber keine Extremisten. Auch das Papier ist in der Gesamtschau nicht extremistisch. Die Junge Union bewegt sich klar im demokratischen Spektrum und hat mit der "Eislinger Erklärung" ein Ventil geschaffen für jene, die mit dem Profil der Union derzeit unzufrieden sind. Man sollte die eine oder andere Aussage nicht dramatisieren, die Junge Union hat mit der "Eislinger Erklärung" ja auch dazugelernt. Im übrigen hat die CDU mit ihrer klaren Abgrenzung gegenüber radikalen Parteien sicher keinen Belehrungsbedarf. Schon gar nicht von SPD und Grünen, die ihr Verhältnis zur Linkspartei bis heute nicht eindeutig geklärt haben.

Hat die CDU-Kreisvorsitzende Nicole Razavi den Fehler gemacht, die "Eislinger Erklärung" und deren Autoren zu lange zu verteidigen – bis in der Landesregierung die Alarmglocken schrillten und das Papier vom Markt genommen wurde?
BIRK: Es war die Entscheidung der Jungen Union im Kreis, so zu verfahren. Dazu bedurfte es nicht der Landesregierung. Die CDU im Land und im Kreis zeichnen sich durch eine hohe Geschlossenheit aus. Wir lassen uns auch in dieser Frage nicht auseinanderdividieren. Die CDU steht voll hinter der Kreisvorsitzenden Nicole Razavi und dem Kreisvorsitzenden der Jungen Union, Kai Steffen Maier. Wir haben zur "Eislinger Erklärung" insgesamt deutlich mehr positive als negative Zuschriften erhalten. Nicht nur aus der Partei, auch von vielen Bürgern.

Trotzdem wurde der Druck auf die Landes-CDU und Ministerpräsident Stefan Mappus doch zu groß . . .
BIRK: Über die "Eislinger Erklärung" ist weder im Präsidium der Partei noch im Landesvorstand diskutiert worden. Es gab sicherlich einzelne Mitglieder, mit denen man darüber gesprochen hat, aber es war in erster Linie ein Thema auf Kreisebene. In der CDU gibt es keine Befehlsstruktur, man kann nur durch Argumente überzeugen. Es war ein Diskussionsprozess vor Ort, der zur Rücknahme geführt hat. Weder der Landesvorsitzende und Ministerpräsident, noch der Generalsekretär der Landes-CDU haben Druck auf den Kreisverband ausgeübt. Das wäre viel zu hoch gehängt gewesen – und ich hätte es auch selbst mitbekommen.

Der zurückgetretene Uhinger CDU-Vorsitzende Jan Viohl, der auch die Partei verlassen hat, schildert die Vorgänge anders und zitiert Nicole Razavi mit der Aussage, die Rücknahme des Papiers sei nötig gewesen, um zu verhindern, dass Stefan Mappus mit dem Papier in der Landespressekonferenz konfrontiert wird. Wer hat denn nun Recht?
BIRK: Ich bedauere den Austritt von Herrn Viohl und hätte es besser gefunden, die Aussprache innerhalb der CDU fortzusetzen. Es ist richtig, dass Stefan Mappus auf einer Pressekonferenz auf die "Eislinger Erklärung" angesprochen worden ist. Aber muss sich der Landesvorsitzende zu jedem Papier äußern?

Sie waren früher selbst Vorsitzender der Jungen Union im Kreis. Hätte es ein Papier wie die "Eislinger Erklärung" unter Ihrer Ägide gegeben?
BIRK: Jede Zeit hat ihre eigenen Themen und Probleme. Wir haben früher auch Papiere geschrieben, mit denen wir die Öffentlichkeit provoziert haben. Es ist aber entscheidend, dass man sich zum gemeinsamen Wertefundament in der CDU bekennt, die konservativen, sozialen und liberalen Wurzeln respektiert und ihnen gerecht wird.

Zur Person

Dr. Dietrich Birk ist 43 Jahre alt, verheiratet und Vater zweier Söhne. Er vertritt seit 1996 den Wahlkreis Göppingen im Landtag und ist seit 2006 Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Von 1977 bis 1986 besuchte Birk das Mögy, in Tübingen studierte er BWL.

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