17 Geislingen: Drohende Massenschlägerei

Ermittler schlagen Alarm

Am Sonntagabend erneut Großeinsatz gegen rivalisierende Gruppen

Autor: MANFRED BOMM | GZ 17.08.2010




Die Landespolizeidirektion hat am Sonntag Alarm geschlagen: Nach Meinung ihrer Ermittler drohte erneut ein Angriff auswärtiger Gruppen auf die Geislinger Türkenszene. Fünf Stunden lang wurde kontrolliert.


Geislingen. Viele Sonntagsausflügler dürften bei der abendlichen Fahrt nach Geislingen erschrocken sein: An den Hauptzufahrtsstraßen stoppten starke Polizeikräfte den Verkehr. Unzählige Polizeifahrzeuge ließen einen Großeinsatz vermuten.

Tatsächlich kann sich Geislingens Polizeirevierleiter Manfred Malchow an keine Aktion entsinnen, an der ähnlich viele Beamte beteiligt waren – abgesehen vielleicht von der Auflösung des Skinhead-Konzerts in einer alten Eybacher Fabrikhalle vor über vier Jahren.

Am Sonntagabend waren weit mehr als hundert Einsatzkräfte in Geislingen zusammengezogen worden – von den Bereitschaftspolizei-Standorten Göppingen und Böblingen sowie den umliegenden Revieren. Denn im Laufe des Tages hatten die Ermittler der Landespolizeidirektion Stuttgart aus mehreren Quellen Erkenntnisse gewonnen, wonach gewalttätige Gruppierungen aus weitem Umfeld zu einem Vergeltungsschlag nach Geislingen kommen würden. Als Folge wurden wieder – wie bereits am Mittwoch- und Donnerstagabend – vier Kontrollstellen eingerichtet: Auf der B 10 beim Galgenbrünnele im Rohrachtal und auf dem Parkplatz zwischen Kuchen und Gingen sowie auf der B 466 in den Neuwiesen und auf der Landesstraße aus Richtung Eybach. Das Technische Hilfswerk und die Feuerwehr leuchteten ab Einbruch der Dämmerung die Einsatzorte aus. Auch der Chef der Polizeidirektion Göppingen, Hans Baldauf, traf am frühen Abend in Geislingen ein.

Hintergrund des dritten Einsatzes dieser Art innerhalb weniger Tage war erneut das befürchtete Zusammentreffen rivalisierender Gruppen, die überwiegend aus Personen mit Migrationshintergrund und meist türkischer Herkunft bestehen. Entzündet hat sich die Auseinandersetzung offenbar vorletzten Sonntag, als zwei junge Männer aus der Geislinger Gruppe – sie nennen sich „Big Brothers“ – in Eislingen mit Mitgliedern einer Göppinger Gruppierung aneinandergeraten waren. Diese feindselige Haltung scheint nun zu eskalieren. Die Göppinger sinnen nach Meinung der Ermittler auf Rache und werden darin von den weithin verbreiteten und berüchtigten „Black Jackets“ unterstützt. Dass damit die jeweiligen Territorien verteidigt werden sollen und es offenbar um die Vormachtstellung in den Städten geht, kommt inzwischen auch in Videos zum Ausdruck, die im Internet kursieren und von gewaltverherrlichenden Texten nur so strotzen.

Die Landespolizeidirektion jedenfalls nimmt diesen „Bandenkrieg“ äußerst ernst. Immerhin lassen die bereits vorgefundenen Gegenstände Schlimmes befürchten: Neben Beilen und Äxten wurden bisher auch Molotow-Cocktails sichergestellt. Am Sonntagabend hingegen erbrachten die Kontrollen nichts dergleichen. Zwar wurden im Zeitraum zwischen 19 und 24 Uhr insgesamt 189 Fahrzeuge mit 243 Personen überprüft, doch fiel das Ergebnis eher mager aus. Die Ermittler befürchten, dass sich die Aktion sehr schnell per Handy herumgesprochen hat.

Die einheimischen „Big Brothers“, deren harter Kern auf etwa 20 Personen geschätzt wird, unterstützt von etwa 50 Sympathisanten, waren ohnehin in Tauchstation gegangen. Ihren Treffpunkt – das Lokal im Herrenhaus – hatten die Behörden nach der Razzia vom Mittwoch geschlossen. Knapp ein Dutzend junger Männer, die dieser Gruppierung zuzuordnen sind, wurden erst kurz vor 2 Uhr am Daimlerplatz gesichtet.

Die Auswärtigen freilich sind nach Meinung von Kennern der Szene durchaus in der Lage, innerhalb kürzester Zeit mehr als 200 Personen zu mobilisieren.

Deshalb richtete sich das Augenmerk der Beamten auf Verkehrsteilnehmer, die in das Fahndungsraster passten: Junge Leute mit Migrationshintergrund, unterwegs mit meist PS-starken Fahrzeugen. Doch nur fünf Männer waren bei einer Überprüfung ihrer Personalien am Polizei-Laptop als Mitglied der gewalttätigen Szene registriert.

Ihnen wurde für die Zeit bis sechs Uhr gestern Früh ein Platzverbot für Geislingen erteilt. Dazu lag den Beamten eine „Allgemeinverfügung“ der Stadtverwaltung vor, die Baurechtler Peter Lecjaks als einzig erreichbarer Behördenchef eilig verfasst und OB-Stellvertreter Peter Maichle unterzeichnet hatte. Die Verfügung richtete sich gegen Personen, die durch ihre Zugehörigkeit zu gewaltbereiten Gruppierungen oder aufgrund ihres Verhaltens vermuten ließen, dass sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Stadt stören könnten.

Bei den gründlichen Durchsuchungen der Fahrzeuge förderten die Beamten Seltsames zutage. So etwa einen Teleskopschlagstock, den ein 30-jähriger Türke „zur Verteidigung“ mit sich führte – oder eine Kettensäge, die ein anderer junger Mann im Kofferraum liegen hatte. Begründung: Sie gehöre, wie das Auto, dem Vater seiner Freundin. Einige andere Verkehrsteilnehmer gerieten eher zufällig ins Visier der Ermittler: So fiel ein 27-Jähriger mit einem Gramm der synthetischen Droge Ecstasy auf – und ein anderer, der auf der Fahrt zur Nachtschicht war, musste aufgrund eines auffälligen Zustands einen Alkoholtest über sich ergehen lassen. Ergebnis: rund 2,8 Promille. Von den Insassen eines polnischen Firmen-Kombis verlangten die Beamten den Nachweis für die Herkunft von 12 000 Euro. Es stellte sich jedoch heraus, dass das Bargeld einem polnischen Subunternehmer gehörte, der damit seine Arbeiter auf deutschen Baustellen entlohnt.

Dass möglicherweise erneut eine Massenschlägerei verhindert wurde, schließt nach Meinung der Polizei weitere Attacken nicht aus. Deshalb werde es bei Bedarf wieder Kontrollen geben.

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Polizei riegelt Geislingen für Schläger ab

Autor: KLAUS NONNENMACHER | StZ 17.08.2010




Kontrollen. Für den Sonntagabend haben sich erneut zwei Cliquen zu einer Massenprügelei verabredet.

Die Stadt Geislingen hat am Sonntagabend vielleicht nicht gerade einer Festung geglichen, gut bewacht war sie dennoch. An den vier wichtigsten Einfallstraßen, an der B 10 bei Kuchen und an der Steige sowie an der B 466 in der Heidenheimer und der Überkinger Straße, hatte die Polizei Kontrollstellen eingerichtet. Mehr als 100 Beamte waren im Einsatz, außerdem weitere Kräfte der Feuerwehr und des Technischen Hilfswerks, die die Kontrollstellen ausleuchteten.

Gefahndet wurde nach Krawallmachern, die womöglich Waffen mit sich führten. Die Polizei hatte, wie schon am vorigen Mittwoch, anonyme Hinweise bekommen, dass es in der Nacht zum Montag in Geislingen zu Auseinandersetzungen zwischen den zwei rivalisierenden Gruppen kommen könnte. Auch das Landeskriminalamt hatte die Göppinger Polizei vorgewarnt. Im Internet kursierten Beiträge, die darauf hindeuteten, dass sich zwei Gruppen zu einer Schlägerei verabreden wollten.

Eine Woche zuvor waren Vertreter beider Cliquen in Eislingen aneinandergeraten. Die Gruppen, deren Mitglieder sich bei der einen hauptsächlich aus Geislingen, bei der anderen aus dem Raum Göppingen, Donzdorf und Heidenheim rekrutieren, hatten sich daraufhin, wie berichtet, bereits am Mittwochabend in Geislingen eine Massenschlägerei liefern wollen. Auch dieses Aufeinandertreffen hatte die Polizei verhindert. Bei dem Großeinsatz in der vorigen Woche waren Schlagwaffen aller Art und ein Benzinkanister mit einer Lunte aus Toilettenpapier sichergestellt worden.

34 junge Männer beider Gruppierungen wurden vorläufig festgenommen. Strafrechtlich war ihnen aber nichts nachzuweisen. „Sie wurden erkennungsdienstlich behandelt und wieder auf freien Fuß gesetzt", erklärt Rudi Bauer, der Sprecher der Göppinger Polizei. Auch dieses Mal habe man die Bemühungen der jungen Leute schon im Keim ersticken wollen, mit Erfolg. Passiert ist in der Nacht zum Montag nichts. „Die Aktion hatte mit der starken Präsenz auch präventiven Charakter. Wir wollen zeigen, dass Geislingen kein rechtsfreier Raum ist", sagt Bauer.

Im Vorfeld hatte die Stadt Geislingen für den Sonntag in aller Eile eine Allgemeinverfügung erlassen. Demnach könnten Personen, die vermuten ließen, sie störten die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Stadt, ein Platzverweis erteilt werden. „Damit hatten wir eine Handhabe gegen Burschen, die uns bekannt oder die entsprechend auffällig waren", erklärt Bauer. Fünf junge Männer wurden an den Kontrollstellen abgefangen und aufgrund der Verfügung erst gar nicht in die Stadt gelassen. Insgesamt wurden 189 Fahrzeuge mit 243 Personen genauer kontrolliert. Ein Messer und eine Waffe wurden sichergestellt. „Unsere Ermittlungen gehen weiter. Wir werden auch in Zukunft in Geislingen mehr Präsenz zeigen", kündigt Rudi Bauer an.

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