16.08.10 Studiengebühren

Antwort des Geislinger Landtagskandidaten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bernhard Lehle, auf eine Anfrage der Geislinger Zeitung vom 16. August 2010

Die grüne Position zu Studiengebühren

Michael Rahnefeld, Geislinger Zeitung: Eure Partei ist möglicherweise nach den Wahlen im März an einer neuen Landesregierung beteiligt. Daher würde uns interessieren, wie die Grünen im Land zu dem Thema Studiengebühren stehen?






Wir wollen die Abschaffung sämtlicher Studiengebühren, denn sie schrecken vom Studium ab und sind sozial selektiv. Die Aufnahme eines Studiums darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen, deshalb stehen wir Grüne für einen Hochschulzugang ohne sozialselektive Hürden. Zugleich wollen wir den Zugang für Nicht-AbiturientInnen und Berufstätige durch bundesweit einheitliche Zulassungskriterien erleichtern.

Wir wollen derzeit an den Hochschulen unterrepräsentierte Gruppen aus einkommensarmen und hochschulfernen Elternhäusern überproportional fördern und so dazu beitragen, die soziale Selektion am Hörsaaleingang deutlich zu reduzieren. Dazu müssen wir die Bildungsbeteiligung im tertiären Sektor dauerhaft steigern, indem die Potenziale und Talente von jungen Menschen aus allen Herkunftsgruppen gefördert werden. Die Studienfinanzierung muss den angemessenen Bedarf zum Lebensunterhalt während des Studiums decken.

Durch Studiengebühren werden die Hochschulen gerade für finanzschwache Studienberechtigte weiter verriegelt. Eine Befragung des HIS-Hannover ergab, dass fast jeder vierte Studienberechtigte, der auf ein Studium verzichtet, dies (auch) wegen der angekündigten Studiengebühren tut. Besonders abschreckend wirkt das Hörsaaleintrittsgeld auf junge Frauen (31% derjenigen, die trotz Abitur nicht studieren wollen), Jugendliche mit bildungsfernem Hintergrund (27%) und Jugendliche aus den neuen Bundesländern (34%). Die Zahl der Studierenden insgesamt ist 2007 gesunken. Bemerkenswert: Sie sank in keinem einzigen der gebührenfreien Länder. Von den Gebührenländern war Hamburg das einzige, bei dem es 2007 keinen Rückgang gab. Besonders heftig war der Rückgang in Niedersachsen und Hessen. In einigen Gebührenländern (Hessen, Baden-Württemberg, Saarland) sind sogar auch 2007 die Studienanfängerzahlen gesunken. Im Gegenteil steigen dort, wo es keine Studiengebühren gibt, die Studierenden- und Studienanfängerzahlen z.T. sehr stark an: z. B. Brandenburg (+4% bzw. +14%) sowie Bremen (+6% bzw. +14%). Auch sind in Hessen nach dem Wegfall der Studiengebühren, maßgeblich vorangetrieben durch Grüne, die Erstsemesterzahlen wieder stark angestiegen. Besonders erschreckend sind diese Entwicklungen vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Studienberechtigten seit Jahren kontinuierlich steigt (auf mittlerweile 43,6% in 2006). D. h. die Kluft zwischen Studienberechtigten und Studienanfängern wird durch die Studiengebühren immer größer. Die Ausbildungszahlen der BA zeigen, dass die Campus-Maut junge Menschen vom Studium abhält und auf den Lehrstellenmarkt treibt (wo sie dort wiederum weniger qualifizierte Bewerber verdrängen): Danach ist in den sieben Bundesländern mit Studiengebühren die Zahl der Ausbildungsplatzbewerber mit Fachhochschulreife deutlich gestiegen, während die Gesamtzahl der Bewerber um Lehrstellen gesunken ist.

Es kann nicht sein, dass wir unsere eigenen Abiturienten durch Studiengebühren vom Studium abschrecken und gleichzeitig weltweit nach qualifiziertem Personal suchen. Ich denke in wenigen Jahren wird diese Erkenntnis sich auch bei den konservativen Parteien bemerkbar machen. Hoffentlich nicht wieder zu spät.

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