Bitte nicht wieder von vorne
Kommentar zu Stuttgart 21
Autor: RODERICH SCHMAUZ | GZ 11.09.2010
Stuttgart 21 und kein Ende. Die hitzige Debatte und der Sturmlauf der Gegner eines unterirdischen Durchgangsbahnhofs haben längst den Kreis Göppingen erreicht. Nicht, weil auch vor Ort heftig das Für und Wider dieses Milliardenprojekts erwogen wird. Nicht, weil sich auch vor Ort Aktionsgruppen formieren. Nein, viel gravierender wären die Auswirkungen auf unseren Raum, sollte das Jahrhundertprojekt noch kippen. Ohne Stuttgart 21 und die autobahnnahe Schnellbahnstrecke gebe es keine Kapazität für einen richtigen S-Bahn-Verkehr bis Göppingen, sagte erst jüngst eine im Kreistag diskutierte Studie.
Jetzt haben die Grünen ein Gutachten zur Neubaustrecke Wendlingen-Ulm vorgelegt. Sie prognostizieren weit höhere Ausgaben. Die Kosten-Nutzen-Relation dro- he den Schwellenwert von 1,0 zu unterschreiten. Adieu ICE-Trasse?
Die Gutachter der Grünen kennen natürlich viel bessere Alternativen. Als Geislinger reibt man sich ungläubig die Augen: Die alte K-Trasse durchs Filstal feiert abgespeckt fröhliche Urständ.
Der jüngeren Generation sei’s erzählt: 1991 legte die Bahn hunderte Seiten dicke Ausarbeitungen zu zwei alternativen Trassen vor. Über die Geislinger Steige schleichen die Züge. Das ist nicht zeitgemäß. Was also tun? Für eine schnellere Verbindung zwischen Stuttgart und Ulm schlug Gerhard Heimerl den Neubau der autobahnnahen ICE-Trasse ab Wendlingen vor. Ernst Krittian favorisierte den Ausbau der Filstalstrecke – wohl wissend, dass es in diesem Siedlungsgebiet eng zugeht. Schon vor Geislingen sollte die K-Trasse übers Eybtal und in einem Tunnel auf die Alb gen Ulm geführt werden. Im Kreis Göppingen favorisierte man mehrheitlich diese Lösung, aus Sorge, mit der H-Trasse vom hochwertigen Zugverkehr abgehängt zu werden. Nach langer, breiter Diskussion fiel die Entscheidung für H.
Und nun wieder alles zurück?
Zu Stuttgart 21 gibt es viele Argumente pro und contra. Demokratisch gewählte Gremien haben sie abgewogen und eine Entscheidung getroffen. Die kann falsch sein. Aber immer wieder erneut alles in Frage zu stellen und bei Null anzufangen, lähmt jedes Zukunftsprojekt.
Beim viel zu späten Protest gegen Stuttgart 21 wird aber etwas Bedenkliches und Bedenkenswertes offenbar: Wie Politik und ihre Repräsentanten in den Augen vieler Bürger an Glaubwürdigkeit verloren haben. Deswegen wird der Ruf laut nach Mitsprache in Formen direkter Demokratie. Das ist ein anderes Thema. Doch darüber sollte die Politik ernsthaft nachdenken.
zur Presseerklärung von Jörg-Matthias Fritz zu Stuttgart 21…
zum Gutachten im Auftrag der Grünen in Kurz- und Langfassung…