15 Jebenhausen: Ortsumfahrung

Jebenhausens blecherner Vorhang

Autor: EBERHARD WEIN | StZ 15.09.2010

Göppingen. Seit Jahren teilt die viel befahrene Boller Straße den Stadtbezirk. Jetzt will das Land für Entlastung sorgen und plant eine Umgehungsstraße. Doch die Bürgerschaft ist wegen des Zwölf-Millionen-Euro-Projekts tief gespalten.

Die Planung der Westumfahrung des Göppinger Stadtteils Jebenhausen tritt in ihre entscheidende Phase. Seit Anfang der Woche läuft die öffentliche Auslegung der Planunterlagen. Bis zum 12. Oktober können sie unter anderem im örtlichen Bezirksamt und auf der Internetseite des Stuttgarter Regierungspräsidiums eingesehen werden. Die Stellungnahme der Stadt Göppingen liegt jedoch schon vor. Der Planung werde „im Grundsatz zugestimmt", heißt es in einem Beschlussantrag, dem der Gemeinderat in der kommenden Woche zustimmen soll.

Ganz so einfach werden es viele Bürger dem Regierungspräsidium nicht machen. Zwar kämpfen die Jebenhäuser seit den 70er Jahren für den Bau der Entlastungsstraße. „Diese Forderung ist nie auf Gegenwind gestoßen", sagt der Leiter des Bezirksamtes, Hans Braterschofsky. Doch jetzt, da die Realisierung greifbar wird, formiert sich Protest. Längst hat sich eine „Interessengemeinschaft Contra Westumfahrung" gegründet, die „auf den eingeschränkten Nutzen, den nachhaltigen Schaden und die offenen Fragen dieses Autobahnzubringers hinweist", wie es ihr Sprecher Marc Marzian formuliert. Sie hat noch bis zum 26. Oktober Zeit, ihre Bedenken zu äußern.

„Ich war lange für die Umgehungsstraße", bekennt die Grünen-Bezirksbeirätin und Stadträtin Christine Lipp-Wahl. „Je mehr ich mich aber mit der Trasse beschäftigt habe, desto mehr sind meine Zweifel gewachsen." Die Entlastungswirkung sei zweifelhaft, die Eingriffe in das intakte Naherholungsgebiet im Westen des Ortes seien beträchtlich, in Anbetracht der häufigen Westwinde werde der Ort unter steigendem Verkehrslärm leiden. Außerdem werde die Straße zusätzlichen Verkehr anlocken, weil sie als Verbindungsstrecke zwischen der Autobahn 8 und der Bundesstraße 10 bis Göppingen genutzt werden könne. „Wir haben Hunderte von Unterschriften gegen das Projekt gesammelt", sagt Lipp-Wahl.

Doch auch die Gegenseite macht mobil. Die Aussage, die Ortsumfahrung bringe keine Erleichterung für die lärmgeplagten Bürger, sei reinster Zynismus, meint Ingrid Odegaard von der Bürgerinitiative „Pro Jebenhausen – Umgehungsstraße jetzt". Rund 180 Haushalte grenzen direkt an die Ortsdurchfahrt, die den Stadtteil mit seinen 4300 Einwohnern zerteilt. Darauf rollen laut einer Verkehrszählung täglich 22 000 Autos. 14 500 Fahrzeuge würden künftig auf die Umgehungsstraße ausweichen. Die Zahl der Fahrzeuge im Zentrum würde auf 8000 sinken. Der Bau der Umfahrung sei die einzige Chance für eine sinnvolle Ortsentwicklung, sagt der Göppinger Tiefbauamtschef Helmut Renftle, der die Kritiker mit einem vergrößerten Lärmschutzwall für den Plan gewinnen möchte.

Um vor allem die Bewohner des Neubaugebiets Lachen zu schützen, soll der ohnehin vorgesehene Wall von einem auf zwei Meter erhöht und erheblich verlängert werden. 60000 Euro werde dies die Stadt kosten. Dabei würden die Lärmgrenzwerte auch ohne diese Maßnahme eingehalten. In einem Jahr könnte das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen sein.

Der Zeitpunkt des Baubeginns für das 2,7 Kilometer lange Straßenstück, das in 300 Metern Abstand und über zwei Talbrücken hinweg den Ort umfährt, ist offen. Noch stehe es in keinem Programm, sagt der Sprecher des Umwelt- und Verkehrsministeriums, Rainer Gessler. In Anbetracht der hohen Belastung sei die Maßnahme wichtig, „aber sie steht in Konkurrenz zu anderen, ähnlich gelagerten Fällen." Außerdem sei der Geldbedarf von zwölf Millionen Euro nicht gerade gering. Insgesamt stehen für den Um- und Ausbau von Landesstraßen im ganzen Land jährlich rund 50 Millionen Euro zur Verfügung.

Bürgerinformation Das Regierungspräsidium und die beauftragten Planer berichten heute um 19 Uhr in der Jebenhausener Wasenhalle über das Vorhaben.

zur Stellungnahme von Jörg-Matthias Fritz in der NWZ vom 19.07…

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Überfällig

KOMMENTAR PRO

Autor: EBERHARD WEIN | StZ 15.09.2010

Entlastung: Der Protest ist nur ein Sturm im Mineralwasserglas.

Es ist die Zeit der lautstarken Protestbewegungen. Auch in Jebenhausen formieren sich Bürger, um die Planungen von „denen da oben" zu verhindern. Und tatsächlich gibt es Argumente, die gegen die Jebenhäuser Umfahrung sprechen. Da ist zum Beispiel die Führung der Straße auf einem Damm. Lärm und Dreck könnten sich dadurch ungehemmt ausbreiten. Andererseits: hätten die Planer die Straße tiefer gelegt, würden dieselben Stimmen vermutlich vor einem Eingriff in die Mineralwasservorkommen warnen.Insofern ist der Protest gegen die Umfahrung nur ein Sturm im Mineralwasserglas. An guten Gründen für den Bau der Ortsumfahrung mangelt es nämlich nicht. Genaugenommen gibt es 20 000. So viele Fahrzeuge fahren täglich durch den Ort. Jebenhausen trägt damit den traurigen Titel der verkehrsreichsten Ortsdurchfahrt im Zuge einer baden-württembergischen Landesstraße. Oder anders formuliert: andernorts wurden schon wegen deutlich weniger Autos Millionensummen in eine Enlastung investiert. Die Politik sollte also nicht nur planen lassen, sondern endlich auch das nötige Geld bereitstellen.

Überflüssig

KOMMENTAR CONTRA

Autor: KLAUS NONNENMACHER | StZ 15.09.2010

Zerstörung: Die Umgehung braucht kein Mensch.

Seit die erste Pferdedroschke von Göppingen nach Boll gefahren ist, führt eine Straße durch Jebenhausen. Zugegeben: vor 20 oder 30 Jahren war die Ortsdurchfahrt noch eine Quälerei – Stau im Berufsverkehr und Feinstaub für die Anwohner inklusive. Mittlerweile aber gibt es dank moderner Verkehrsführung kaum Stillstand in der Boller Straße, die einst selbst als Umfahrung der vormaligen Ortsstraße über den vorderen Berg gebaut worden war. Der Verkehr hat seither nicht überhandgenommen. Auf die jetzige Situation sind alle eingestellt. Lastwagenfahrer nehmen eher die B 10 zur Autobahn.

Sollte aber die geplante Umgehungsstraße kommen, wird ohne Not für teures Geld ein beträchtliches Stück Natur und Naherholungsgebiet mit Reit-, Rad- und Spazierwegen im Westen von Jebenhausen zerstört. Die Route wird für den Schwerlastverkehr attraktiver. Autofahrer profitieren allenfalls durch die Einsparung von maximal zwei Minuten Fahrzeit. Und den Jebenhäusern bleibt die Ortsdurchfahrt als Verbindung zwischen dem Göppinger Westen und Heiningen oder dem östlichen Voralbgebiet ohnehin erhalten.

zur Stellungnahme von Jörg-Matthias Fritz in der NWZ vom 19.07….

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Protest-Parken in Jebenhausen

Autorin: CHRISTINE BÖHM | NWZ 15.09.2010

Ein künstlicher Stau, der von Jebenhausen bis Bezgenriet reichte, war gestern früh ein Ärgernis für viele Autofahrer. Eine Bürgerinitiative wollte auf die Dringlichkeit der Ortsumfahrung hinweisen.

Göppingen. Wer gestern Morgen zwischen 6 und 8 Uhr durch Jebenhausen fahren wollte, stand bis zu 30 Minuten im Stau. Ein Nadelöhr ist der Göppinger Stadtbezirk während des Berufsverekehrs zwar öfter. Doch gestern war die Behinderung absichtlich verursacht worden – von der Bürgerinitiative „Pro Jebenhausen – Umgehungsstraße jetzt“. Mit ihrer Aktion wollten die Mitglieder auf die Dringlichkeit der geplanten Ortsumfahrung aufmerksam machen. Drei geparkte Autos reichten aus, um den kilometerlangen Rückstau bis Bezgenriet und Heiningen herbeizuführen. „Mit einer solchen Wirkung hätten wir nicht gerechnet“, erklärte Ingrid Ödegaard von der Jebenhäuser Bürgerinitiative. Die drei Autos waren ordnungsgemäß am Straßenrand der Fahrbahn in Richtung Göppingen abgestellt worden und behinderten den Verkehr erheblich.

Etwa 25 000 Fahrzeuge rollen täglich durch Jebenhausen. „Hier wohnen viele Leute direkt an der Straße“, betont Ödegaard. Sie ist verärgert, denn eine Ortsumfahrung sei seit den 60er Jahren in Planung: „Bereits im Jahr 2001 hieß es, das Projekt solle zeitnah umgesetzt werden“, erzählt die Jebenhäuserin. Sie kann nicht nachvollziehen, dass auf die Bedürfnisse der Menschen nicht eingegangen wird. „Schlafen können wir Anwohner bis halb 4 Uhr morgens. Trotz Lärmschutzfenstern vibriert unser ganzes Schlafzimmer“, berichtet Ödegaard.

Die Initiative betont, dass die Ortsumfahrung, für die derzeit das Planfeststellungsverfahren läuft und deren Bau von Gegnern bekämpft wird, große Chancen für die Anwohner beinhalte: „Wir leiden unter dem Lärm, den Abgasen und unter dem Gestank“, sagt Ödegaard. Die Initiative wollte mit der Verengung der Fahrbahn zeigen, wie hoch die Verkehrsbelastung im Ort ist. „Wir fordern die baldige Entlastung entlang der Boller Straße und den zügigen Erlass des Planfeststellungsbeschlusses“, so die Jebenhäuserin.

Info Heute Abend findet in der Wasenhalle in Jebenhausen ab 19 Uhr eine Informationsveranstaltung zum geplanten Bau der Ortsumgehung statt.

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Fragwürdige Aktion

KOMMENTAR ORTSUMFAHRUNG

Autor: HELGE THIELE | GZ 14.09.2010

Der Bau der seit Jahren umsichtig geplanten Ortsumfahrung in Jebenhausen ist überfällig. Das sehen nicht nur die von Lärm und Dreck geplagten Anlieger so. Auch die Verkehrsexperten von Stadt und Land haben die guten Argumente auf ihrer Seite. Umso erfreulicher, dass jetzt das Planfeststellungsverfahren eingeleitet wurde. Dabei wird es noch einmal ausreichend Gelegenheit geben, über einzelne, auch ökologische, Fragen nachzudenken. Bürger können Einwände erheben, die geprüft werden.

Mit Blick auf das fortgeschrittene Planungsstadium ist es eher kontraproduktiv, wenn Befürworter einer Ortsumgehung nun in fragwürdigen Aktionen die Hauptstraße mit geparkten Autos zusätzlich verengen, um künstliche Staus zu produzieren oder die ohnehin bestehenden zu verlängern. Es ist unstrittig, dass die Verkehrsbelastung in dem Göppinger Stadtbezirk zu hoch ist. Da muss man nichts beweisen, erst recht nichts verschlimmern.

Die Befürworter der Umgehungsstraße sollten lieber Aufklärungsarbeit leisten und zum Beispiel die von einigen Gegnern vorgebrachte Behauptung, Jebenhausen besitze doch mit der B 10 längst eine Ortsumgehung, als verkehrspolitischen Unsinn entlarven. Damit wäre mehr gewonnen.

Heute Abend wird der Informationsbedarf weiter gestillt – bei einer öffentlichen Veranstaltung mit Vertretern des Regierungspräsidiums in der Wasenhalle. Bitte die Zufahrt nicht zuparken!

zur Stellungnahme von Jörg-Matthias Fritz in der NWZ vom 19.07….

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