20.09.10 Wölfle in GP

Veranstaltungsbericht vom 20. September 2010

„Dieser Protest ist eine Bereicherung für unser Land“

Der grüne Verkehrsexperte Werner Wölfle diskutierte in Göppingen über „Stuttgart 21“

Auf Einladung des Kreisverbands von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diskutierte Werner Wölfle im voll besetzten Nebenzimmer der Gaststätte des TV Jahn Göppingen über die Neubauprojekte der Bahn in Baden-Württemberg. Er plädierte für ein Moratorium der Bauarbeiten bis zu einer Bürgerbefragung am 27. März 2011, dem Tag der nächsten Landtagswahl.

Sowohl in München als auch in Frankfurt und Mannheim habe man sich vor langer Zeit verabschiedet von den auch dort einmal beabsichtigten Tunnelbahnhöfen, den berühmten 21er-Projekten, nur nicht in Stuttgart, beklagte Wölfle. Dabei stünden auch hierzulande Kosten und Nutzen sowohl beim Bahnhof selbst als auch bei der Neubaustrecke Ulm-Wendlingen in keinem vernünftigen Verhältnis: Mit „Stuttgart 21“ käme man unstrittig gerade mal vier Minuten schneller nach Ulm als mit dem von Umweltverbänden vorgeschlagenen „Kopfbahnhof 21“. Die darüber hinausgehende Beschleunigung des Schienenverkehrs bei den Vorhaben der Deutschen Bahn sei allein der geplanten Neubaustrecke geschuldet, aber „1990 waren wir in München so schnell, wie wir nach der Realisierung der Projekte sein werden“, und die Verlangsamung der Strecke seitdem resultiere „allein aufgrund der Verwahrlosung“ der Filstalstrecke. Schon durch den Einsatz von Neigezügen könne diese Geschwindigkeit in Zukunft auch ohne Milliardeninvestitionen erreicht werden.

Angesprochen auf die Auswirkungen im Filstal, sagte Wölfle, er wisse, es „geistert durch Ihre Region“ die Furcht, die Grünen planten nach dem Ausstieg aus den überteuerten Bahnprojekten gewaltige Schienenneubauten im Filstal, insbesondere in und um Geislingen. Diese seien aber schon von dem im Auftrag der Grünen tätigen Gutachterbüro Vieregg-Rössner als nicht realisierbar und auch nicht als wünschenswert betrachtet worden. Auch sei die Befürchtung, ohne die Großprojekte wäre ein vernünftiger S-Bahn-Betrieb in den Landkreis Göppingen nicht möglich, unbegründet. Angesichts des rückläufigen Fern- und vor allem Güterverkehrs sei jetzt schon nicht mehr die Frage „Wie schaffen wir die Kapazität für eine S-Bahn?“, sondern schlicht: „Wer zahlt?“

Auf die Frage, ob er denn noch Chancen sehe, die Projekte aufzuhalten, antwortete Wölfle: „Ich bin kein Prophet. Ich hatte im Mai nicht die Fantasie gehabt, dass jetzt so viele Menschen demonstrieren. Dieser Protest ist eine Bereicherung für unser Land!“ Versuche man allerdings jetzt die Projekte „mit dem Kopf durch die Wand“ durchzusetzen, werde dies das Land zum Schlechten verändern: „Wir alle im Aktionsbündnis machen uns Sorgen, wie es weitergeht in dieser Stadt.“ Nun sei Deeskalation dringend notwendig. Dabei warnte er besonders davor, in den kommenden Wochen, wie beabsichtigt, mit der Abholzung der Bäume zu beginnen, obwohl dies für den Baufortschritt gar nicht vor Ende 2011 notwendig sei.

Er begrüße „außerordentlich“ den Vorschlag der SPD zu einer Volksbefragung, auch wenn Wölfle dies angesichts der Hürden der Landesverfassung für „extrem schwierig“ halte. Eine pragmatische Lösung sehe er hingegen in einer möglichst am Tag der nächsten Landtagswahl durchzuführenden „Bürgerumfrage“, deren Ergebnis aber von allen Beteiligten vorab für bindend erklärt werden müsse. Den Vorschlag von Bundeskanzlerin Merkel, den Ausgang der Landtagswahl selbst als Volksentscheid zu werten, betrachtete Wölfle hingegen skeptisch: „Ich will einen gestandenen CDU-Wähler nicht dazu nötigen, nur wegen diesem einen Projekt nicht die CDU zu wählen.“ Aber selbst wenn man dem Vorschlag von Frau Merkel folge, dürften bis zum Wahltermin keine Aufträge mehr vergeben und Abriss sowie Abholzungen unverzüglich gestoppt werden.

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