16 Göppingen: Stromnetz

Profis sollen über das Netz verhandeln

Autor: EBERHARD WEIN | StZ 16.10.2010

Göppingen. Der Gemeinderat zweifelt an der Unabhängigkeit des OB.

Die Übernahme des Göppinger Stromnetzes durch die Stadt könne sich rechnen. Das ist das Ergebnis zweier Gutachten, die am Donnerstag bei einer nichtöffentlichen Sitzung den Mitgliedern des Göppinger Gemeinderats vorgestellt wurden. Entscheidend sei allerdings der Preis, den die Stadt für das 900 Kilometer lange Netz bezahlen müsse, betonten die Gutachter. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung schätzen die Gutachter den Preis auf mindestens 14 Millionen Euro. Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) als bisheriger Betreiber verlangt hingegen offenbar fast das Doppelte und beruft sich dabei auf einen Passus im 20 Jahre alten Konzessionsvertrag. Darin sind die Formalitäten eines Rückkaufs geregelt. Demnach könnte die EnBW mit dem höheren Sachzeitwert rechnen.

Im Gemeinderat ist nun umstritten, ob die heiklen Verhandlungen mit dem bisherigen Netzbetreiber dem parteilosen Oberbürgermeister Guido Till anvertraut werden sollen. „Das muss die Verwaltung machen. Ich habe da keine Bedenken", sagte der FDP-Fraktionschef Rolf Daferner. Zurückhaltender äußerte sich der Grünen-Fraktionssprecher Christoph Weber. „Für uns wäre es wichtig, dass jemand die Verhandlungen mit der EnBW führt, der ein sehr großes Interesse daran hat, dass wir das Netz zu einem darstellbaren Preis übernehmen", sagt er.

Weite Teile des Gemeinderats hegen Zweifel daran, dass dies auf den OB zutrifft. Denn zu den vielen Nebenämtern, die Till ausübt, zählt laut der städtischen Internetseite auch die Mitgliedschaft im Dachbeirat der EnBW Regional. Dabei handelt es sich zwar um ein Amt, das in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Oberbürgermeister steht, dennoch könne er dadurch befangen sein, vermuten manche. Zusätzlich wird die Verhandlungsposition der EnBW dadurch gestärkt, dass sie als Hauptsponsor des Handball-Bundesligisten Frisch Auf fungiert.

Natürlich müsse der Rathauschef in Abstimmung mit dem Gemeinderat die Marschrichtung vorgeben, sagte der Vorsitzende der Vereinigung Unabhängiger Bürger (VUB), Wolfram Feifel. Er favorisiere allerdings, die Verhandlungsführung in die Hände eines der Gutachterbüros zu geben. „Wir brauchen hier echte Profis, die dick in der Materie drin sind", sagte Feifel. Ähnlich äußerte sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Emil Frick. Auch eine Beteiligung des Stadtwerke-Chefs und Geschäftsführers der Energieversorgung Filstal (EVF), Martin Bernhart, würden viele begrüßen.

Über einen ausdrücklichen Verhandlungsauftrag an die Stadtverwaltung und damit den Oberbürgermeister, den sich Till erhofft hatte, wurde am Ende der viereinhalbstündigen Klausursitzung nicht abgestimmt. Stattdessen soll auf Antrag der SPD bei einer Sondersitzung im November über das weitere Vorgehen beraten werden. Der Wunsch nach einer Übernahme des Stromnetzes durch die Stadt ist im Gemeinderat weiterhin groß. Die vorgelegten Gutachten hätten ihn darin bestärkt, an diesem Ziel festzuhalten, sagte der CDU-Energieexperte Volker Allmendinger.

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Stromdebatte: Till allein auf weiter Flur

Gemeinderat verweigert OB die Gefolgschaft

Autor: HELGE THIELE | NWZ 16.10.2010

OB Guido Till hat in der Debatte über die Zukunft des Göppinger Stromnetzes im Gemeinderat eine Schlappe einstecken müssen: Der Rathauschef darf vorerst nicht mit der ENBW verhandeln.

Göppingen. Es fand alles hinter verschlossenen Türen statt und dauerte Stunden: die Vorstellung der Strom-Gutachten durch die beiden Büros BET und Rödl & Partner, die Fragen der Stadträte dazu, die Antworten der Experten, die Diskussion über die Beschlussvorlage der Verwaltung und schließlich die Abstimmung, bei der OB Guido Till baden ging. Wie aus der Gemeindedrucksache 275/2010 hervorgeht, sollte der Gemeinderat die Verwaltung beauftragen, „mit der ENBW bezüglich der Übernahme des Stromnetzes in Verhandlungen einzutreten und auf der Grundlage des Verhandlungsergebnisses unter Berücksichtigung der Risikoaspekte sowie der Rechtslage einen konkreten Vorschlag zu erarbeiten“.

Nein, sagten die Stadträte, dazu sei es zu früh. Erst wollen sich die Bürgervertreter Gedanken darüber machen, wie es mit dem Stromnetz in Göppingen nach dem Auslaufen des Konzessionsvertrags mit der ENBW Ende 2012 weitergehen soll, erst dann könne verhandelt werden. Aber auch nicht von Till allein, sondern in Begleitung eines Vertreter des bis dahin beauftragten Gutachters. Im November will der Gemeinderat entscheiden, mit welchem Büro – BET oder Rödl & Partner – die Stadt weiter arbeiten soll.

Till im stillen Kämmerlein mit der ENBW – bei manchem Stadtrat sitzt das Misstrauen bei dieser Vorstellung tief, hatte doch der Rathauschef kurz nach seinem Amtsantritt für manchen etwas zu heftig mit dem Konzern geflirtet und den Eindruck erweckt, einem Verkauf der städtischen Tochter Energie-EVF an die ENBW nicht abgeneigt zu sein.

Im Gemeinderat gibt es eine starke Strömung, der EVF das Stromnetz zu übertragen, das bisher der ENBW gehört. Eine der Alternativen dazu wäre, das Stromnetz einer Netzgesellschaft zu übertragen (unter Beteiligung der ENBW), sich mit anderen Partnern zusammenzutun oder einen neuen Konzessionsvertrag mit der ENBW abzuschließen. Oder, oder, oder.

Emil Frick (SPD) war es, der am Donnerstag den Antrag stellte, jetzt noch nicht mit der ENBW zu verhandeln, sondern erst den eigenen Kurs zu bestimmen. Immerhin: Um eine wichtige Information sind die Stadträte dank der Gutachten reicher. Beide Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass eine Übernahme des Stromnetzes zum Sachzeitwert (wie es der Konzessionsvertrag vorsieht) wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Dagegen sei eine Übernahme zum Ertragswert grundsätzlich wirtschaftlich darstellbar. Till wollte deshalb mit der ENBW über den tatsächlichen Kaufpreis für das Stromnetz verhandeln. Auch die Gutachter, so Till in der Vorlage, hätten dies als nächsten Schritt empfohlen.

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