21 Göppingen: Einkaufszentrum

Stadträte sind sauer auf Till

Verwaltungsvorlage für Einkaufszentrum in der Bleichstraße ohne Mehrheit

Autor: HELGE THIELE | NWZ 21.10.2010

Heute ab 17 Uhr beraten die Göppinger Stadträte über das geplante Einkaufszentrum. OB Guido Till plädiert für eine Shopping-Mall in der Bleichstraße. Doch eine Mehrheit für Tills Kurs ist nicht in Sicht.

Göppingen. Telefone waren stundenlang besetzt, E-Mail-Briefkästen liefen über: Die Vorsitzenden der Fraktionen hatten gestern enormen Abstimmungsbedarf: Anträge wurden verworfen, neue formuliert, Strategien entwickelt, Mehrheiten gesucht. Und es ging immer um das eine große Thema: Wo in der Göppinger Innenstadt soll ein Einkaufszentrum gebaut, mit welchem Investor soll weitergeplant werden?

Heute ab 17 Uhr berät der Gemeinderat öffentlich über die Pläne für eine Shopping-Mall, die entweder am Busbahnhof oder in der Bleichstraße genehmigt werden soll. Auch wenn heute kein Baubeschluss gefasst wird, steht eine Richtungsentscheidung an. Entsprechend groß ist das Interesse der Bevölkerung und Einzelhändler.

So viel steht fest: Eine Mehrheit für die Vorlage der Stadtverwaltung, die – allen voran Oberbürgermeister Guido Till – den Standort Bleichstraße favorisiert und dort mit dem Investor Acrest Property Group verhandeln will, ist in den vergangenen 48 Stunden in weite Ferne gerückt. Bei den Christdemokraten, die sich geschlossen für ein Einkaufszentrum am Bahnhof aussprechen, ist zumindest die „Verwunderung“ über OB Till groß. In der SPD-Fraktion herrscht dagegen Unmut über den Rathauschef. „Ich bin erbost und fühle mich brüskiert“, sagte der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Dr. Emil Frick, der NWZ. Mit dem erneuten Vorpreschen für die Bleichstraße – Till war damit bereits im April gescheitert – habe der OB dem Gemeinderat „ein Kuckucksei ins Nest gelegt“. Till, so Frick, betreibe ein „subtiles Spiel“ und irre sich, wenn er glaube, auf diese Weise – und ohne jede Vorberatung – eine Shopping-Mall in der Bleichstraße durchsetzen zu können. „Die Verwaltung bringt eine Vorlage mit dem Titel ,Einkaufszentrum am Bahnhof’ ein, beschließen sollen wir aber die Bleichstraße. Das geht so nicht“, schimpfte Frick.

Für heute Mittag hat er eine außerordentliche Fraktionssitzung einberufen. Bei diesem Treffen möchte Frick vor allem abklopfen, ob es in seiner Fraktion eine Mehrheit gibt für einen neuen gemeinsamen Antrag, den er gestern mit den Fraktionschefs von CDU und FDP/FW formuliert hat. Die drei Fraktionen wollen die Stadtverwaltung nunmehr beauftragen, sowohl für den Bahnhof (mit dem Investor MFI), als auch für die Bleichstraße (mit dem Investor Acrest Property Group) bis spätestens 1. März 2011 „umsetzbare Planungen“ zu erarbeiten, die dem Gemeinderat „zur endgültigen Beschlussfassung“ vorgelegt werden sollen. Für CDU, SPD und FDP/FW gehört dazu auch die klare und verbindliche Ansage, welche Kosten der jeweilige Investor für anfallende Infrastrukturmaßnahmen übernehmen würde.

Die CDU verlässt damit zwar ihre bisherige Linie, allein die Planung am Bahnhof vorantreiben zu wollen, sieht so aber die Chance, die FDP/FW-Fraktion, die der Bleichstraße zugeneigt ist, zurück ins Boot zu holen. Und für Emil Frick bietet sich die Möglichkeit, jene Genossen in seiner Fraktion zu überzeugen, die mit den Plänen von MFI am Bahnhof ihre Probleme haben.

In den Reihen der SPD ist inzwischen schon das Wort „Bürgerentscheid“ gefallen. CDU-Fraktionschef Gerber hält von solchen Gedankenspielen nichts. „Ich will keinen Bürgerentscheid, aber ich will, dass sich alle ernst genommen fühlen“, sagt er. Deshalb beinhaltet der neue Antrag den Wunsch nach einem „öffentlichen Hearing im Gemeinderat mit allen vorhandenen Interessengruppen“ im Februar 2011. Dem Vernehmen nach kann sich Till vorstellen, den neuen Antrag von CDU, SPD und FDP/FW im Gemeinderat zu unterstützen. Zähneknirschend.

Grüne und Linke wollen den Verlauf der Diskussion abwarten – um gebenenfalls in einer Sitzungspause einen eigenen Antrag zu entwerfen. Grünen-Fraktionschef Christoph Weber („Die Verwaltung hat in sechs Monaten nichts dazu gelernt“) liebäugelt mit dem Plan, den Bau eines mit 11 000 Quadratmetern deutlich kleiner dimensionierten Einkaufszentrums am Bahnhof auszuschreiben. Gleichzeitig wollen die Grünen darauf achten, dass Unternehmen wie Kaufhof und C&A in der Bleichstraße Entwicklungschancen behalten. Die Grünen wollen auch dort neue Verkaufsflächen in einem bestimmten Rahmen zulassen. Felix Gerber (CDU) warnte davor, „eine Shopping-Mall auf zwei Standorte aufzuteilen“. Das funktioniere nicht. Allein die VUB hat mit Tills klarem Kurs pro Bleichstraße kein Problem. Fraktionschef Wolfram Feifel: „Die Vorlage ist schlüssig. Die Projektentwickler nehmen die Bleichstraße sehr ernst. Jetzt wollen wir dort zu einem guten Ende kommen.“

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Entscheidung muss Stadt helfen

KOMMENTAR EINKAUFSZENTRUM

Autor: HELGE THIELE | NWZ 21.10.2010

Die Grünen schütteln über Oberbürgermeister Guido Till den Kopf. Der Stadtrat der Linken, Christian Stähle, hat „kein Verständnis für die Vorlage zum jetzigen Zeitpunkt“. SPD-Fraktionschef Emil Frick ist „erbost“, die CDU „verwundert“. Ein Heimspiel wird die heutige Gemeinderatssitzung, in der über das geplante Einkaufszentrum beraten wird, für den Göppinger Rathauschef nicht.

Doch der gemeinsame Frust vieler Stadträte über den Druck der Verwaltungsspitze, einer Shopping-Mall in der Bleichstraße zum Durchbruch zu verhelfen, täuscht darüber hinweg, dass die Vorstellungen in den Fraktionen sehr unterschiedlich sind. Die Grünen bringen nun die Idee ins Spiel, sowohl am Bahnhof, als auch in der Bleichstraße neue Verkaufsflächen zu schaffen – und werden dabei von der Linken unterstützt.

Das ist zwar nett gemeint und mag ein Beitrag zur Versöhnung der beiden Standort-Lager sein, doch ob dieser Ansatz der Stadt weiterhilft, muss bezweifelt werden. Zum einen bringt es nichts, an Investoren komplett vorbeizuplanen, zum anderen stellt sich die Frage, welche Ziele die Stadt mit ihren Plänen für eine Shopping-Mall verfolgt. Hier ein paar neue Filialisten, dort eine Erweiterung mit angezogener Handbremse – wo bleibt da der große Wurf? Auffällig ist, dass ECE so wenig Beachtung findet, obwohl der Investor am Bahnhof weniger Verkaufsfläche plant, dafür aber ebenfalls einen pfiffigen Entwurf präsentiert hat.

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