23 Verkehr (Spoddig-de Boer)

„Ein durchschaubares Spiel“ (Interview)

INTERVIEW ANTJE SPODDIG-DE BEUR
Die Göppinger FDP-Landtagskandidatin kritisiert die Politik der Grünen

Interviewer: HELGE THIELE | NWZ 23.10.2010

Das Bahnprojekt Stuttgart 21 und der Bau der Neubaustrecke nach Ulm erhitzen die Gemüter. Die Göppinger FDP-Landtagskandidatin Antje Spoddig-de Boer spricht sich für eine rasche Realisierung der Vorhaben aus.







Über die Infrastrukturprojekte Stuttgart 21 und die Schnellbahntrasse wurde jahrelang beraten. Sie sind demokratisch beschlossen und von unabhängigen Gerichten geprüft worden. Dennoch laufen die Gegner weiter. Was versprechen Sie sich von den aktuellen Schlichtungsgesprächen?
ANTJE SPODDIG-DE BOER: Ich hoffe, dass Herr Geißler die extrem aggressive Stimmungslage weiter beruhigen kann. Sachliche Gespräche können nicht auf einer emotionalen Ebene zu einem Konsens führen. Die Aussage ,Alle an einen Tisch, alle Argumente auf den Tisch’ trifft für mich den Kern der Sachlage. Auf beiden Seiten müssen die Fakten abgewogen und mit Sachargumenten untermauert werden. Ich bin mir sicher, dass die besseren Argumente auf Seiten der Projektbefürworter liegen, deshalb wird am Ende Stuttgart 21 gebaut werden.

Ohne, dass es an den Plänen noch Änderungen geben wird?
SPODDIG-DE BOER: Die Proteste werden, ebenso wie bei der Messe auf den Fildern, dem Flughafen München und anderen Großprojekten zu Modifikationen führen, aber zu keinem generellen Abbruch des Vorhabens. Schon momentan blickt die Welt mit Erstaunen auf Stuttgart und kann diese Abwehrhaltung nur als Innovationsängste wahrnehmen.

Bahnchef Rüdiger Grube hat mit manchen Äußerungen die Gegner erst Recht gegen sich aufgebracht. War das nicht sehr ungeschickt?
SPODDIG–DE BOER: Auch wenn die Aussagen von Herrn Grube in den Ohren der Protestierer sicherlich nicht wohlklingend waren, so treffen Sie die Aufgabe von Herrn Grube. Als Bahnchef muss er sich überlegen, welche Konsequenzen – auch in finanzieller Hinsicht – auf die Bahn zukommen würden, sollte Stuttgart 21 nicht realisiert werden. Wenn Herr Grube und seine Familie nun Morddrohungen erhalten, dann frage ich mich, wes Geistes Kind dieser Teil der Protestierer sind. Ebenso muss ich mich dann fragen, auf welcher Ebene die Proteste weitergehen werden. Auch nach den jüngsten Vorkommnissen, als trotz ,Friedenspflicht’ der Südflügel besetzt wurde, befürchte ich eine Radikalisierung des Protests.

Eine Radikalisierung war aber auch der Einsatz von Wasserwerfern gegen die Demonstranten. Hat die Polizei den Befürwortern des Bahnprojekts damit nicht einen Bärendienst erwiesen?
SPODDIG-DE BOER: Es wäre sicher kein Problem gewesen, die Baumfällaktion im Stuttgarter Schlosspark zu verschieben. Auf der anderen Seite muss man aber auch sehen, dass die Wasserwerfer zwei Stunden lang nicht eingesetzt wurden, dass die Polizei die Demonstranten immer wieder geduldig aufgefordert hat, die Flächen zu räumen, keine Barrikaden zu errichten und keine Polizeifahrzeuge zu besetzen. Aus der Menge wurden Beamte mit Gegenständen beworfen. Wenn ich Polizisten bewerfe, muss ich mir vorher überlegen, zu welchen Reaktionen es kommen kann.

Warum läuft die Diskussion über den Umbau eines sanierungsbedürftigen Bahnhofs Ihrer Ansicht nach überhaupt so aus dem Ruder?
SPODDIG-DE BOER: Es wurde offenbar versäumt, die Bürger in all den Jahren der Beratungen und demokratischen Entscheidungen ,mitzunehmen’. Diesen Schuh müssen sich Bahn, Bund und Landesregierung anziehen. Teilweise berichten aber auch die Medien einseitig und vor allem über den Protest. Dabei gibt es immer mehr Menschen, die für die Infrastrukturprojekte Stuttgart 21 und den Bau der Schnellbahnstrecke über Wendlingen nach Ulm demonstrieren.

Die Grünen unterstützen die Protestbewegung nach Kräften. Das Nein zu Stuttgart 21 und jetzt auch zur Neubaustrecke beschert den Grünen ein Umfragehoch. Wundert Sie als Liberale die Vehemenz, mit der die Grünen ausgerechnet ein ökologisches Schienenprojekt bekämpfen?
SPODDIG-DE BOER: Es ist zumindest sehr, sehr durchschaubar, welches Spiel die Grünen in Baden-Württemberg wenige Monate vor der Landtagswahl betreiben. An dieser Stelle mal zur Erinnerung: Eine der ersten Unterschriften, die unter das Bahnprojekt gesetzt wurden, stammte von der damaligen Bundesumweltministerin der rot-grünen Bundesregierung, Renate Künast von den Grünen.

Warum sind für Sie als Göppinger FDP-Vorsitzende und Landtagskandidatin Stuttgart 21 und der Bau der Neubaustrecke wichtig?
SPODDIG-DE BOER: Wenn unsere Ur-Ur-Ahnen gesagt hätten, wir brauchen keine Eisenbahn im Filstal, wo wären wir dann heute? Stillstand bedeutet Rückschritt. Etwas Schlimmers kann dem Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg und den Menschen, die hier leben, nicht passieren. Ich stehe deshalb hundertprozentig hinter den Projekten. Wir brauchen den Ausbau dieser europäischen Verkehrsmagistrale, wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen. Und wir schaffen so nicht zuletzt die Voraussetzungen für einen S-Bahn-Anschluss in den Landkreis Göppingen.

Zur Person

Antje Spoddig-de Boer ist 42 Jahre alt und lebt in Bartenbach. Seit zweieinhalb Jahren ist sie Vorsitzende der Göppinger FDP. Die Diplom-Betriebswirtin, die auch stellvertretende Chefin der Kreis-FDP ist, leitet in Göppingen das Wahlkreisbüro des FDP-Bundestagsabgeordneten Werner Simmling. Antje Spoddig-de Boer ist verheiratet und hat zwei Töchter. Im März will sie in den Landtag gewählt werden.

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