Polizei fordert Respekt
Bepo-Beamte: Ungeahnte Aggressivität bei Stuttgart 21 – Räumung verteidigt
Autor: JÜRGEN SCHÄFER | NWZ 04.11.2010
Einen Anstieg der Gewalt gegen Polizisten beklagt der Vorsitzende des CDU-Arbeitskreises der Polizei im Landkreis, Rainer Staib. Auch Stuttgart 21 zählt er dazu – wenngleich unter besonderen Vorzeichen.
Kreis Göppingen. Flaschen fliegen, Polizisten werden getreten und bespuckt: Sie schildern Rainer Staib und ein Kollege, der zum persönlichen Schutz anonym bleiben will, die Situation an jenem 30. September im Stuttgarter Schlossgarten, als die Polizei überhart gegen Demonstranten vorgegangen sein soll. Staib war als Zugführer der Bereitschaftspolizei mehr im Rückraum im Einsatz, sein Kollege mit einer Spezialeinheit vorne im Getümmel. Beide wehrten sich bei einer Veranstaltung des CDU-Arbeitskreises der Polizei in Esslingen gegen den Vorwurf, die Räumung des Schlossgartens sei unangemessen erfolgt.
Staib betont: „Es gab wie immer ein abgestuftes Vorgehen der Polizei, das richtet sich nach dem Verhalten der Demonstranten.“ Sein Bepo-Kollege sagt: Die Demonstranten hätten sich trotz Aufforderung nicht entfernt, sie seien weggetragen worden und wiedergekommen. Pfefferspray habe man irgendwann eingesetzt, „um den Druck rauszunehmen“. Wasserwerfer seien erst nach anderthalb Stunden eingesetzt worden. Der Spezialeinheit-Führer berichtet auch von einer anarchischen Stimmung: „Die Bürger warfen Baustellen-Rohre auf die Straße. es herrschte allgemein das Gefühl, jetzt ist alles erlaubt.“
Staib war oft genug im Einsatz wegen Stuttgart 21, hat bei der Baustellen-Absicherung auch mit Demonstranten diskutiert und erlebt, dass „der normale Stuttgarter Bürger uns gegenüber eine Aggressivität an den Tag legt, die wir so bisher nicht kannten“. Polizisten würden beschimpft, von der Beleidigung als „Erfüllungsgehilfen der Politik“ bis zu „Kindermördern“ und „Vergleiche mit 1933“.
Auch Respektlosigkeit gegenüber der Polizei greife um sich, sagt Staib. Da werde ein Kollege im Schlossgarten von einem Mädchen mit Wasserpistole bespritzt, und daneben stehe eine erwachsene Person, die das nicht unterbinde.
Für Staib ist das nicht hinnehmbar. Und die Stuttgarter Szenerie korrespondiere mit einer Entwicklung von zunehmender Gewalt gegen Polizisten, die schon zehn Jahre zu beobachten sei. Polizisten seien im Alltag immer häufiger mit Widerstand konfrontiert. Stuttgart 21 zeige Gewaltbereitschaft auch aus der Bevölkerung. Und bedenklich sei allein schon die Respektlosigkeit. Dass da Schüler im Schlossgarten auf einen Gitter-Lastwagen der Polizei steigen, wie dies auf Aufforderung von mutmaßlichen Linksextremen geschehen sei. Staib fragt: „Was hätte früher ein Vater gesagt, wenn sein Kind sich so verhält?“ Heute drohe das gesellschaftsfähig zu werden.
Staib weiß nicht, woher der nachlassende Respekt für die Polizei kommt. Vielleicht aus den Familien, mutmaßt er, man höre ja auch, dass Schüler Lehrern das Leben schwer machten und von den Eltern noch Unterstützung bekämen.
Wie man die Autorität der Polizei wieder stärken kann – Staib kennt nur ein Mittel strafrechtlicher Natur: Gewalt gegen Polizisten schärfer zu ahnden als mit dem herkömmlichen Paragrafen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“. Da müsse ein eigener Paragraf her, der Straftatbestand „Gewalt gegen Polizeibeamte“, der auch die Flaschen- oder Steinwürfe bestrafe, die nicht treffen. Damit könne man auch gegen eine perfide Form von Gewalt vorgehen, die die so genannte „Clowns Army“ praktiziere. Diese Gruppierung suche die Polizei durch Bedrängen und Auslachen zu behindern – was psychisch äußerst belastend sei, sagt Staib.
Zunahme von Gewalt gegen Polizisten
Gewalt gegen Polizisten hat in den letzten zehn Jahren um 23 Prozent zugenommen. Das zeigt eine Studie aus zehn Bundesländern, sagt der Vorsitzende des CDU-Arbeitskreises der Polizei in Göppingen, Rainer Staib.
Randale gegen die Polizei nehme bei jüngeren und alkoholisierten Tatverdächtige stark zu, sagt die Studie. Bei Jugendlichen um 63 Prozent, bei Heranwachsenden um 33, bei den 25- bis 30-Jährigen um 25 Prozent.
Gruppen würden in stärkerem Maße aggressiv als früher, Kontrahenten solidarisierten sich häufiger gegen die Polizei. Viel öfter rabiat würden angetrunkene Tatverdächtige: Diese Fälle sind um gut 40 Prozent hochgeschnellt.