20 Göppingen: Einkaufszentrum

Neuer Streit um Einkaufszentrum

CDU und SPD werfen OB Till Einseitigkeit vor – Die Arbeit am Kriterienkatalog hat begonnen

Autor: HELGE THIELE | NWZ 20.11.2010

Die Göppinger Stadträte haben mit der Arbeit an einem Kriterienkatalog begonnen, der helfen soll, den richtigen Standort und die passende Größe für das geplante Einkaufszentrum in der Innenstadt festzulegen.

Göppingen. Weil ihnen der von der Verwaltung vorgeschlagene Kriterienkatalog für den Bau eines Einkaufszentrums zu einseitig auf den Standort Bleichstraße ausgerichtet erschien, wollten CDU und Teile der SPD die vorberatende Diskussion über den Katalog erst gar nicht führen. Mit ihrem Antrag, erst im Januar beziehungsweise im Dezember über die Kriterien zu diskutieren, erlitt die große Koalition im Gemeinsamen Ausschuss am Donnerstag jedoch Schiffbruch.

Schon in der einstündigen Debatte über den Verhinderungsantrag war in der CDU-Fraktion eine gewisse Verunsicherung zu spüren. Über ihre Strategie, die Verwaltung für ihre angeblich einseitige Vorlage abzustrafen, hatten die Fraktionsvorsitzenden Dr. Emil Frick (SPD) und Felix Gerber (CDU) am Mittwoch die Öffentlichkeit informiert. An der Ausschusssitzung am Donnerstag konnte Frick selbst aus beruflichen Gründen allerdings nicht teilnehmen. Felix Gerber, der als Schulleiter in Sigmaringen arbeitet, traf erst verspätet im Rathaus ein.

CDU-Stadtrat Achim Fehrenbacher war der Wortführer der Christdemokraten und meinte: „Für uns ist die Vorlage der Verwaltung zum jetzigen Zeitpunkt nicht spruchreif, wichtige Fragen zum geplanten Einkaufszentrum sind noch gar nicht beantwortet.“ Die CDU-Fraktion präsentierte einen eigenen, von Fehrenbacher, im Hauptberuf Architekt, erarbeiteten Fragenkatalog.

Auch Armin Roos (SPD) sprach der Verwaltung ab, mit ihrer Vorlage „einen objektiven Kriterienkatalog“ vorgelegt zu haben. Die Mehrheit im Ausschuss – Grüne, VUB, FDP/FW und die zwei SPD-Stadträtinnen Barbara Schrade und Heidrun Schellong – sah allerdings überhaupt keine Notwendigkeit, die dringend notwendige Diskussion erneut zu verschieben. Schließlich soll die Verwaltung, wie vor den Herbstferien vom Gemeinderat beschlossen, bis spätestens 1. März eine weitgediehene Planung als Entscheidungsgrundlage für den Bau eines Einkaufszentrums am Bahnhof/ZOB oder in der Bleichstraße vorlegen. Selten waren sich der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Christoph Weber, und Oberbürgermeister Guido Till so einig wie am Donnerstag. Der Rathauschef hatte ein Problem mit dem „Misstrauen“, mit dem CDU und Teile der SPD ihm plötzlich begegneten. Und Weber mutmaßte, die CDU könne sich wohl nicht damit abfinden, dass die Verwaltung in ihrem Kriterienkatalog der Empfehlung des GMA-Gutachtens folge, eine Verkaufsfläche von 12 500 Quadratmetern nicht zu überschreiten. Das Immobilienunternehmen MFI will dagegen eine 18 000 Quadratmeter große Mall am Bahnhof bauen – die CDU ist diesen Plänen nicht abgeneigt. Dazu passte am Donnerstag sogar die Optik im Sitzungssaal: Direkt hinter den CDU-Stadträten saß MFI-Chefentwickler Stefan Berg.

Bevor die Mehrheit den Antrag der CDU auf eine Vertagung der Diskussion abschmetterte, hatte Till gewarnt: „Wenn wir keinen Kriterienkatalog haben, verhandeln wir eben so mit den Investoren.“ Andernfalls sehe sich die Verwaltung nicht in der Lage, bis März eine umsetzbare Planung präsentieren zu können.

Nach der Diskussion über die Diskussion begann im Ausschuss nun endlich die Diskussion über die Kriterien. Stadtplanerin Eva Noller erläuterte die wichtigsten Vorschläge der Verwaltung, über die nun am kommenden Donnerstag im Gemeinderat weiter diskutiert – und möglichst rasch entschieden – werden soll. Zur Eile mahnte auch Jürgen Schaile (FDP/FW). Er erinnerte an die „Erwartungshaltung der Bürger und Einzelhändler in der Stadt“. Seit einem halben Jahr passiere in der Stadt kaum noch etwas, es würden keine Verträge mehr abgeschlossen, weil alle darauf warteten, ob und wo das Einkaufszentrum gebaut werde. Es gehe um die Verlässlichkeit der Politik, nahm Schaile die Stadträte in die Pflicht.

Ins gleiche Horn stießen Barbara Schrade (SPD), VUB-Fraktionschef Wolfram Feifel, Christine Lipp-Wahl (Grüne), FDP/FW-Fraktionschef Rolf Daferner – und Baubürgermeister Olav Brinker.

Der Kriterienkatalog der Verwaltung, die sich klar für ein Einkaufscenter in der Bleichstraße (mit dem Erhalt von Kaufhof und C&A) ausspricht, sieht unter anderem vor:

  • das Areal des ehemaligen Güterbahnhofs wegen seiner Entfernung zur City als Standort für eine Shopping-Mall auszuschließen, keine überdimensionalen Gebäude zuzulassen, sondern ein Einkaufszentrum in mehrere Baukörper aufzugliedern, die durch Gassen und Passagen miteinander verbunden werden
  • für eine Mall direktes Tageslicht von oben vorzuschreiben,
  • die Bahnhofstraße als öffentliche Straße zu erhalten,
  • und die durch ein Center neu entstehende Verkaufsfläche auf 12 500 Quadratmeter und die Flächen für die Sortimente Bekleidung, Schuhe und Sport auf 4600 Quadratmeter zu beschränken.

Horst Wohlfart (FDP/FW) warnte indes davor, sich zu viel von einem Kriterienkatalog zu versprechen, denn letztlich sei er „nur ein Hilfsmittel, um unsere Bauchentscheidung zu begründen“. Für Wohlfarts Fraktionskollegen Schaile ist sogar die Grundsatzfrage noch nicht beantwortet – die da laute: „Brauchen wir in Göppingen überhaupt ein Einkaufszentrum?“

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