01 Schlichtung Stuttgart 21

Gemischte Gefühle nach Schlichtung

Reaktionen im Kreis Göppingen fallen unterschiedlich aus – Plädoyer für Bürgerbeteiligung

Autor: su, juni, stu | NWZ 01.12.2010

Nach acht Schlichtungsrunden zum umstrittenen Projekt Stuttgart 21 hat Heiner Geißler gestern Abend sein Votum verkündet. Gegner und Befürworter im Landkreis sehen das Ergebnis mit gemischten Gefühlen.

Kreis Göppingen. „Wichtig ist, dass Stuttgart 21 weiter unterstützt und weiter gebaut wird.“ Landrat Edgar Wolff bewertete gestern Abend in einer ersten Reaktion den Schlichterspruch Heiner Geißlers zu dem umstrittenen Bahnprojekt als positiv. Insgesamt sei das Schlichtungsverfahren „gelungen“, meinte der Chef der Kreisverwaltung, weil nun einige Wünsche der Bürger berücksichtigt werden und das Projekt dadurch auf mehr Akzeptanz stoße, die Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 jedoch erhalten bleibe.

Kernpunkte von Geißlers Schlichtungsspruch sind: die frei werdenden Gleisgrundstücke sollten in eine Stiftung eingebracht, der Tiefbahnhof unter Umständen auf zehn Gleise erweitert werden. Außerdem sollten lediglich kranke Bäume im Schlosspark gefällt werden dürfen, gesunde dagegen umgepflanzt.

Göppingens Oberbürgermeister Guido Till, ein vehementer Befürworter des Projekts, zeigte sich zufrieden mit dem Ausgang der Gespräche: „Das Ergebnis ist sehr gut.“ Bestehende Konflikte seien behandelt worden. Dadurch hätten sich Interessierte, die mit den Details des Projekts weniger vertraut waren, unabhängig und transparent informieren können. Der Oberbürgermeister ist denn auch begeistert von dem Schlichtungsverfahren: „Das gab den Gegnern die Möglichkeit, ihre Argumente außerhalb der Straße darzustellen.“ Das Schlichtungsmodell werde die repräsentative Demokratie zwar nicht ersetzen, sei aber ein „Mahnmal für die Einbeziehung der Bürger“, sagt Till und stimmt dabei mit Landrat Wolff überein.

Walter Kißling, einer der Initiatoren des Göppinger Aktionsbündnisses „Göppinger gegen S 21“, sieht die Schlichtung selbst als großen Gewinn: im Verlauf der acht Schlichtungsrunden sei deutlich geworden, dass die Gegner über gute Argumente verfügen. Geißler habe rechtlich, nicht inhaltlich argumentiert. Daraus zieht Kißling den Schluss: „Stuttgart 21 wäre nicht gekommen, wenn von Anfang an alle Argumente offengelegt worden wären.“ Es sei deutlich geworden, dass das Bahnhofsprojekt große Mängel aufweise. Der Stuttgart 21-Gegner glaubt deshalb nach wie vor, dass das Alternativprojekt K21 billiger kommen würde. Der Preis des Tiefbahnhofs werde nicht wirtschaftlich berechnet, sondern politisch niedriggehalten. „Die Landtagswahl wird die Sicht der Bürger zum Ausdruck bringen.“ Geißlers Schlichtungsgespräche stellten jedoch einen bleibenden Impuls für die Demokratie dar.

Annerose Fischer-Bucher, Sprecherin des Bündnisses „Göppinger gegen S 21“ sieht das Schlichtungsergebnis mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „Ein ganz entscheidender Erfolg ist, dass man offensichtlich in Zukunft mit mehr Bürgerbeteiligung an Großprojekte rangeht.“ Auch die von der Bahn zugesagten Veränderungen, etwa die Frischluftzufuhr, seien eine enorme Verbesserung. „Es ist natürlich bedauerlich, dass Stuttgart 21, wie’s im Moment aussieht, doch gebaut wird.“ K21 sei nach wie vor der leistungsfähigere Bahnhof, allerdings habe das Göppinger Bündnis auch nicht mit einem Stopp des Großprojektes als Ergebnis der Schlichtung gerechnet. Der Ausgang der Vermittlungsgespräche werde Auswirkungen auf die Landtagswahl haben, glaubt Fischer-Bucher: „Die letzte Möglichkeit der Gegner ist nun, das Ergebnis der Schlichtungsgespräche bei der Landtagswahl miteinfließen zu lassen.“

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