02 Göppingen: Werkrealschule Faurndau

„Schulamt redet Probleme klein“

Autor: EBERHARD WEIN | StZ 02.12.2010

Göppingen. Der Gemeinderat stärkt entgegen dem Rat der zuständigen Behörde die Sozialarbeit an der Haierschule. Von Eberhard Wein

Der Ausbau der Schulsozialarbeit an den Göppinger Gymnasien verschiebt sich um ein halbes Jahr. Die große Mehrheit des Gemeinderats folgte in der jüngsten Sitzung einem Antrag der CDU, eine halbe Pädagogenstelle, die bisher an der Haierschule angesiedelt ist, bis zum Ende des Schuljahres dort zu belassen. Die Faurndauer Grund- und Werkrealschule bleibt damit ein Schwerpunkt der städtischen Schulsozialarbeit.

Der Auslöser des Beschlusses ist ein Hilferuf der Schulleiterin Ingrid Stotz. Sie hatte auf die Probleme hingewiesen, die sich aus der Aufnahme der Schüler der aufgelösten Waldeckschule in Jebenhausen ergeben hätten. Damit sei nicht nur die Zahl der Schüler von 212 auf 282 angewachsen. Es habe sich auch gezeigt, dass es immer wieder Streit zwischen den Schülergruppen gebe. Reihenweise musste die Rektorin Schulausschlüsse verhängen. Das ganze schulinterne System müsse neu ausbalanciert werden, sagte sie. Dazu, so Stotz, brauche es die zusätzlichen Kapazitäten bei der Schulsozialarbeit.

Der Schul- und Sozialbürgermeister Jürgen Lämmle verwies jedoch darauf, dass das Stundenkontingent der Schulsozialarbeit an der Haierschule auch bei einem Wegfall der halben Stelle doppelt so hoch sei, wie beim Durchschnitt der Göppinger Werkrealschulen. Gegenüber den Gymnasien, an denen bisher lediglich wöchentliche Sprechstunden eingerichtet wurden, sei das Missverhältnis noch größer. Außerdem verwies Lämmle auf eine Stellungnahme des Schulamtes. Darin wird das Problem relativiert. „Gelegentlich auftauchende Konflikte" werde die Schule „mit Augenmaß lösen". Die ehemaligen Jebenhauser Schüler seien „keinesfalls in besonderer Weise von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen betroffen".

Die Gemeinderatsmehrheit ließ sich dadurch nicht beeindrucken. „Das Schulamt redet die Probleme klein", sagte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Christoph Weber. Der CDU-Fraktionschef Felix Gerber sah in der Schulamtsverlautbarung gar politische Motive. Es gehe dabei um eine Verteidigung der Werkrealschule. Die Einführung der neuen Schulform könnte in Zukunft noch zu weiteren Schulfusionen führen. Deshalb wolle man Zweifel an solchen Zusammenführungen unterbinden, so seine Argumente.

Kritik musste auch die CDU einstecken. Die SPD-Stadträtin Heidrun Schellong erinnerte daran, dass es die halbe Stelle um ein Haar überhaupt nicht mehr geben würde. Sie stammte ursprünglich aus dem Kontingent der Waldeckschule und war nach deren Auflösung gegen die Stimmen der CDU nicht gestrichen, sondern auf die Haierschule übertragen worden.

An den Gymnasien müssen nun bereits geplante Projekte zum Antimobbing, zum Klassenklima und zur Sozialintegration ein weiteres halbes Jahr warten. Darauf hatte deren Geschäftsführender Schulleiter Günter Roos hingewiesen. Dabei wachse der Bedarf ständig. Schon jetzt gebe es bei den Sprechstunden der Schulsozialarbeit an den drei Gymnasien der Stadt Wartezeiten von bis zu sechs Wochen.

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Ein Politikum

KOMMENTAR

Autor: EBERHARD WEIN | StZ 02.12.2010

Schulamt. Die Probleme in Faurndau wecken generelle Zweifel an der Werkrealschule.

Was nicht ins Konzept passt, existiert auch nicht. Getreu diesem Motto handelt das Göppinger Schulamt, wenn jetzt an der Haierschule in Faurndau nach der Fusion mit der aufgelösten Waldeckschule Probleme auftauchen. Allerdings geht es hier nicht nur um ein paar Schulausschlüsse wegen Rauchens auf dem Klo. Es ist ein Politikum. Denn wenn sich unter Kommunalpolitikern herumspricht, dass selbst zwei Schulen aus derselben Stadt trotz aller pädagogischen Klimmzüge nicht so einfach zusammenpassen, dürfte die Lust auf künftige Schulfusionen noch weiter schwinden. Dass die Rivalität noch größer ist, wenn die Schüler aus zwei eigenständigen Gemeinden kommen, können sich viele Bürgermeister denken.

Damit wecken die Probleme in Faurndau generelle Zweifel an den Segnungen der neuen Werkrealschule. Denn die Schließung kleiner Landschulen ist eine bewusste und vom Kultusministerium gewünschte Nebenwirkung bei der Etablierung der neuen Schultyps. Nun zeigt sich, dass das Ministerium am Reißbrett geplant hat, ohne zu berücksichtigen, welche fragilen sozialen Gebilde viele Hauptschulen sind. Dass diese Erkenntnis nicht angenehm ist, weiß auch der Göppinger Schulamtschef Hans-Jörg Polzer. Mit der Leugnung der Probleme handelt er im Interesse seines vorgesetzten Ministeriums, nicht aber im Interesse der Schüler. Das aber wäre eigentlich Polzers Aufgabe.

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