02 Kreistag: Haushalt

Grüne wollen den Ministerpräsidenten ausladen

Autor: EBERHARD WEIN | StZ 02.12.2010

Finanznot. Um die klamme Kassenlage des Kreises aufzubessern, ergreifen die Fraktionen jeden Strohhalm. Von Ebehard Wein

Bund und Land sollen die Kommunen von den steigenden Sozialausgaben entlasten. In einer Resolution fordert der Göppinger Kreistag vor allem eine deutlich höhere Beteiligung des Bundes an den Mietkostenzuschüssen für Hartz-IV-Empfänger. Außerdem sollten „keine weiteren Aufgaben mehr von Bund und Land auf die Kommunen übertragen werden, ohne sie mit den dafür erforderlichen Finanzmitteln auszustatten".

Die Resolution war von der CDU formuliert worden. Sie verhinderte damit eine noch schärfere Stellungnahme, die von der SPD eingebracht worden war und die auch ein Bekenntnis zur Gewerbesteuer enthielt. Sie solle als wichtigste Einnahmequelle der Kommunen nicht nur erhalten, sondern durch eine Einbeziehung von Freiberuflern ausgebaut werden. Dies lehnten die Kreisräte von CDU und FDP mit Rücksicht auf entsprechende Überlegungen ihrer Bundesparteien ab.

Die chronische „Unterfinanzierung des Landkreises" prägte auch die Stellungnahmen der Fraktionen zum Haushalt für das kommende Jahr, der im Dezember verabschiedet werden soll. „Wir stehen vor einem Rekorddefizit von 20 Millionen Euro und einem Investitionsstau von zusammen 100 Millionen Euro", bilanzierte der CDU-Fraktionschef Wolfgang Rapp (Geislingen). Gleichzeitig gerate der Landkreis immer weiter ins Hintertreffen. Im Zukunftsatlas des Prognosinstituts sei er seit dem Jahr 2004 von Platz 167 auf Platz 242 unter bundesweit 412 Kreisen abgerutscht. Alle Nachbarkreise stünden besser da.

Auch die SPD bezeichnete die wirtschaftliche Lage des Kreises als labil. Schuld daran sei auch „der starke Verharrungswillen der rückwärtsgewandten Kräfte in diesem Kreistag", sagte der Fraktionsvorsitzende Peter Feige (Eschenbach). Deshalb sei auch der Anschluss an das Stuttgarter S-Bahn-Netz wichtig. Die Teilintegration des Kreises in den Stuttgarter Verkehrsverbund solle vorgezogen werden. Der Vormann der Freien Wähler, Werner Stöckle (Wangen), rief hingegen dazu auf, „nur mit allergrößter Zurückhaltung über solche Projekte wie die S-Bahn nachzudenken". Alles andere wäre verantwortungslos.

Offen ist, ob sich der Landrat Edgar Wolff mit der von ihm angepeilten Anhebung der Kreisumlage von 34,8 auf 39,6 Prozentpunkte durchsetzt. Damit würden die 38 Kreisstädte und -gemeinden weiterhin zusammen 92 Millionen Euro an den Kreiskämmerer überweisen. CDU und FDP deuteten an, dies mehrheitlich mitzutragen. Die SPD sprach sich für eine Kreisumlage von 38,85 Punkten aus, die Freien Wähler votierten für 38,6. Dies würde Mindereinnahmen von zwei Millionen Euro bedeuten. Die Steuerschätzung vom November, die dem Kreis Mehreinnahmen von 1,75 Millionen Euro voraussagt, schaffe diesen Spielraum. Es gebe Anlass zum Optimismus, sagte auch der FDP-Haushaltsexperte Tobias Hösch (Schlat). Für seine Fraktion stünden jedoch Haushaltsdisziplin und eine baldige Rückkehr zur Entschuldungsoffensive an erster Stelle.

Für die Grünen kritisierte Harald Wagner (Heiningen) die Fixierung auf die Wirtschaftskrise. Jetzt, da es einen Aufschwung gebe, bleibe man im Weiter-so gefangen und vergesse all die anderen Krisen, vor allem die Klimakrise. Einen Sparvorschlag hatte er dennoch zur Hand. Den für den 28. Januar geplanten Besuch des Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) im Kreis solle man streichen. Sonst gerate das Landratsamt in Verdacht, indirekt eine Wahlkampfveranstaltung zu finanzieren. „Nach der Landtagswahl begrüßen wir den neu gewählten Ministerpräsidenten dagegen sehr gerne." Nach den Umfragen könnte dies dann auch ein Grüner sein.

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Die Mission heißt Sparen

Kreistag: Fraktionen nehmen Stellung zum Etatentwurf – Rund 80 Anträge

Autor: SUSANN SCHÖNFELDER | NWZ 02.12.2010

Im Kreishaushalt klafft ein Riesenloch. Große Sprünge sind daher im kommenden Jahr nicht drin, der Kreis konzentriert sich auf das Notwendige. Das machten auch die Stellungnahmen der Fraktionen deutlich.

Kreis Göppingen. Investitionsstau, neue Schulden, höhere Kreisumlage: Landrat Edgar Wolff hatte Ende Oktober bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs von „schwer verdaulichen Zahlen“ gesprochen. Am Dienstag nun schlug die Stunde der Fraktionen. Im Kreistag nahmen sie Stellung zum Etatentwurf 2011 und gaben dem Landrat und seinen Dezernenten mit mehr als 80 Anträgen jede Menge Hausaufgaben auf. Diese Anträge werden nun sortiert und den zuständigen Ausschüssen zugeordnet. Bis Ende Januar soll über die Wünsche beraten werden, denn dann wollen die Kreisräte den Haushalt verabschieden.

In einem waren sich die Bürgervertreter jeder Couleur einig: Die Kommunalpolitik steht derzeit unter düsteren Vorzeichen. Trotz eines Vier-Millionen-Sparpakets, das die Kreisverwaltung geschnürt hat, wird der Kreis im Jahr 2011 neue Schulden in Höhe von neun Millionen Euro machen. Die prekäre Lage macht Investitionen kaum möglich. Sparen heißt daher das Zauberwort – auch wenn die Talsohle der Krise durchschritten zu sein scheint.

Knackpunkt jeder Haushaltsberatung ist die Kreisumlage: Hier gehen CDU, FDP und Grüne mit dem Vorschlag der Verwaltung mit, die Kreisumlage von 34,8 auf 39,6 Prozentpunkte anzuheben. Die SPD stellte den Antrag, die Umlage geringer – auf 38,85 Prozentpunkte – anzusetzen, „weil wir die Gemeinden und Städte nicht im Regen stehen lassen wollen“. Die Freien Wähler halten „angesichts der nach wie vor katastrophalen Haushaltslage der Städte und Gemeinden“ einen Hebesatz von 38,60 Prozentpunkten für angemessen. Geschlossen brachten die Kreisräte auch ihren Unmut darüber zum Ausdruck, dass die Politik in Stuttgart und Berlin auf kommunaler Ebene immer weniger Spielraum lasse. Zudem machten die Bürgervertreter einmal mehr und unisono deutlich, dass sie hinter der geplanten Schließung der Geburtshilfe an der Geislinger Helfenstein Klinik stehen.

Wolfgang Rapp (CDU) trat als erster ans Rednerpult und forderte in seiner Stellungnahme auf, „zu sparen und zu konsolidieren“. Wichtig sei es, sich der Situation des Landkreises bewusst zu sein, betonte Rapp und belegte mit wenig schmeichelhaften Zahlen, wie weit der Kreis Göppingen hinter anderen Landkreisen hinterher hinkt. Zum einen müsse der Stauferkreis „mit weniger weit mehr als andere leisten“, zum anderen vermisst er eine gehörige Portion „Kreisbewusstsein“. Rapp: „Gemeinsam müssen wir unsere Vielfalt und unsere Stärken besser und nachhaltiger bewusst machen“ – um mehr Menschen, Firmen und Touristen in den Kreis zu locken.

Werner Stöckle (Freie Wähler) sprach den demographischen Wandel und die damit verbundenen Herausforderungen an. Eine Tagung in Bad Boll habe deutlich gemacht, dass dringend gehandelt werden müsse. Die Freien Wähler fordern die Verwaltung daher auf, Strategien zu entwickeln, wie man der immer älter werdenden Gesellschaft begegnen kann. Als Beispiel nannte Stöckle die hausärztliche Versorgung auf dem Land, die immer schwieriger werde. Der Landkreis soll in dieser Frage aktiv werden. Zudem hätten die Freien Wähler gerne eine Auflistung, wie hoch die Mehrkosten für die Schülerbeförderung ausfallen, seit die Werkrealschule eingeführt wurde.

Hart ins Gericht ging Peter Feige (SPD) mit der schwarz-gelben Bundesregierung, deren Politik die Kommunen finanziell gehörig belaste. Ebenso wie die Freien Wähler beschäftigt die SPD der demographische Wandel. Die Sozialdemokraten fordern daher einen Bericht im Sozialausschuss, wie Arbeitsplätze und -Bedingungen für ältere Arbeitnehmer verändert werden können. Die SPD appelliert auch an die Verwaltung, den konkreten Stand der Maßnahmen zur Kinderarmut vorzustellen, das gleiche gelte für die Jugendhilfeplanung im Kreis. Wie auch anderen Fraktionen liegt den Sozialdemokraten die Wirtschaftsförderung am Herzen.

Erfreut über den rasanten Aufschwung zeigte sich Tobias Hösch von der FDP, auch wenn im Kreishaushalt die Folgen der Krise noch deutlich spürbar seien. Die Freien Demokraten machen sich für den fahrradfreundlichen Landkreis und die Stärkung des ÖPNV stark und fordern, dass an den Liegenschaften des Kreises noch mehr zur Energieeinsparung getan werde. Die FDP wünscht sich dabei weniger Studien, sondern vielmehr konkrete Maßnahmen. Da „eine gute Wirtschaftspolitik die beste Sozialpolitik“, sei, sollen nach Wunsch der FDP verstärkt Frauen auf dem Arbeitsmarkt zum Zuge kommen.

Last but not least hielt Harald Wagner (Grüne) für seine Fraktion die Haushaltsrede. Auch er lobte – nach einem weltpolitischen Rundumschlag – die Bemühungen zu einem fahrradfreundlichen Landkreis. Angesichts der älter werdenden Gesellschaft forderte Wagner – wie seine Vorredner – mehr für pflegebedürftige und ältere Menschen zu tun. „Kinder- und Familienfreundlichkeit ist einer der wichtigsten Standortfaktoren“, betonte Wagner, bevor der Stuttgart-21-Gegner noch zu einem flammenden Plädoyer ansetzte, jedoch nach dieser Haushaltslesung kaum noch interessierte Zuhörer fand.

Ein Auszug aus den rund 80 Anträgen der Fraktionen zum Entwurf des Kreishaushalts 2011

CDU: Sie beantragt die Fortschreibung des Nahverkehrsplans und regelmäßige Verkehrsinfrastrukturberichte. Mit dem Sozialcontrolling sollen bei den Ausgaben fünf Prozent eingespart werden. Zudem sollen „Doppelstrukturen aufgezeigt werden, um Kosten zu senken. Um den Tourismusförderer Saum zu unterstützen, soll durch Umorganisation eine Stelle geschaffen werden. Zudem soll ein Gutachter aufzeigen, wie man fünf Prozent der Personalkosten sparen kann.

Freie Wähler: Die Freien Wähler fordern Strategien, wie man dem demographischen Wandel begegnen kann. Sie wünschen sich zudem eine Auflistung wirkungsvoller Maßnahmen, um den Lastwagen-Schleich- und Mautausweichverkehr zu verhindern. Außerdem sollen die seit der Einführung der Werkrealschule entstandenen Mehrkosten für die Schülerbeförderung ermittelt werden.

SPD: Die SPD fordert Berichte und Maßnahmen zu den Themen demographischer Wandel, Behandlung demenzkranker Menschen, zum Jugendhilfeplan und zur Kinderarmut. Mit interessierten Unternehmen soll in den Kreisen Esslingen und Göppingen eine Markenbildung „Hochwertiger Maschinenbau an Neckar und Fils“ initiiert werden. Zudem fordert die SPD, dass der Stauferkreis im Tourismusverband „Schwäbische Alb“ auf eine Profilbildung und Bewerbung der Gesundheitsregion „Albtrauf“ drängt.

FDP: Die FDP fordert einen Bericht des Tourismusbeauftragten zur aktuellen Entwicklung. Die Kosten, die die Bibliothek am Göppinger Berufsschulzentrum verursacht, sollen überprüft werden. Die Fraktion beantragt außerdem die Einrichtung einer Kreisbörse zur Vermittlung barrierefreier Wohnungen.

Grüne: Sie beantragen die Wiedereinführung der Jagdsteuer (würde 40 000 Euro einbringen). Zudem fordern die Grünen, die Zahl der ehrenamtlich Naturschützer nicht zu reduzieren. Die Grünen wollen weitere Recycling-Möglichkeiten ausschöpfen, außerdem wünschen sie sich einen Bericht zum Stand der Dinge beim Kreisjugendplan.

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