17 Geislingen: Haushalt

Alle für Steuererhöhungen

Fraktionen sehen die Stadt als Opfer verfehlter Mittelzuweisungen

Autor: MANFRED BOMM | GZ 17.12.2010

Eines scheint bereits klar zu sein: Gewerbetreibende und Häuslesbesitzer müssen in Geislingen nächstes Jahr tiefer in die Tasche greifen. Alle Fraktionen wollen Gewerbe- und Grundsteuer erhöhen.

Geislingen. Angesichts steigender Kreisumlage und den Nachteilen aus dem Länderfinanzausgleich sehen alle vier Fraktionen im Geislinger Gemeinderat nur noch einen Ausweg: Gewerbe- und Grundsteuer auf 395 Punkte anzuheben.

Roland Funk, Chef der Freien Wähler (FW), stellte dann auch die „eigentlich skandalösen Vorgänge bei der Mittelzuweisung an die Kommunen“ in den Vordergrund. Denen würden durch Bund und Land immer neue Aufgaben übertragen, ohne ihnen die nötigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Als Beispiel hob er Kleinkindbetreuung und Schulsozialarbeit hervor. Funk: „Unterfinanziert, vermutlich allein gelassen vom Land, benötigen wir tragfähige Lösungen.“ Der Jurist schlägt vor, gemeinsam mit anderen Kommunen gegen das Land zu klagen, wie es in Nordrheinwestfalen bereits erfolgreich geschehen sei. Ohnehin hat Funk „erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken“ gegen die Schlüsselzuweisungen des Landes, mit der kleinere Städte benachteiligt würden. Im Übrigen seien die Landkreise ebenso die Opfer dieser verfehlten Finanzausgleichspolitik. Auch die Gemeindefinanzreform lasse ein schlüssiges Konzept vermissen. Zur Konsolidierung des Haushalts ließen sich Erhöhungen von Grund- und Gewerbesteuer nicht vermeiden.

Auch CDU-Fraktionsvorsitzender Holger Scheible kritisierte den Länderfinanzausgleich „und den daraus entstandenen Wildwuchs.“ Ursache für die höhere Kreisumlage seien die „überdimensional gestiegenen Sozialausgaben“, die jedoch nicht der Landkreis zu verantworten habe, sondern insbesondere der Bund, der die Kommunen mit immer neuen Aufgaben belaste und ihnen den „letzten verbliebenen, wirklich minimalen Spielraum“ raube. Deshalb stelle die CDU-Fraktion weder kostenträchtige Anträge noch Anfragen, deren Bearbeitung nur ein „fragwürdiges Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Verwaltung“ wären. Dass 2010 trotz Krisenstimmung Wesentliches vorangebracht worden sei, habe man staatlichen Konjunkturpaketen zu verdanken, an denen man jedoch ohne Eigenanteile und damit zusätzliche Schuldaufnahme nicht hätte partizipieren können: „Geislingen ist zu arm, um auf solche Zuschüsse verzichten zu können.“ Viel Wünschenswertes müsse aber verschoben werden, wie etwa die Sanierung von Daniel-Straub-Realschule und Michelberg-Gymnasium sowie vieler desolater Stadtstraßen. Was die Schaffung von Betreuungsplätzen für unter Dreijährige anbelange, werde man „auch nicht in vorauseilendem Gehorsam die gesetzliche Verpflichtung“ erfüllen, ohne vorher den tatsächlichen Bedarf ermittelt zu haben. Die CDU rege deshalb an, bei allen Eltern nach der Geburt eines Kindes anzufragen, wie sie sich die künftige Betreuung vorstellten. Zustimmung signalisierte auch Scheible für die Steuererhöhungen – allerdings als äußerstes Mittel. Zuvor müssten auch Gebühren angehoben und mit dem Beschluss zur Steuererhöhung verbunden werden.

„So wie die Dinge liegen, wird die SPD-Fraktion den jetzt vorgeschlagenen Steuererhöhungen zustimmen“, erklärte deren Fraktionschef Dr. Hansjürgen Gölz. Auch er macht die „wirklich Schuldigen und Übeltäter weiter oben auf Landes- und Bundesebene aus.“ Wenn bei sinkenden Steuereinnahmen immer mehr Geld für die soziale Sicherung aufgewandt werden müsse, führe dies auf der unteren kommunalen Ebene zum Kollaps. Mit einem dauerhaften Defizit sei weder eine bessere Kinderbetreuung, noch eine bessere Förderung der Ausländerintegration machbar, zitierte er den Geschäftsführer des Städtetags. Lobend hob er den Bau des 5-Täler-Bades hervor – wenngleich, wie er befürchtet – „der prognostizierte Abmangel zunächst höher sein wird.“ Vorbildlich sei jedoch die Einbindung der Öffentlichkeit in die Planung gewesen. Denn: „Mehr Bürgerbeteiligung bringt Akzeptanz und sozialen Frieden.“ Gölz schlug vor, sachkundige Bürger künftig verstärkt mit einzubeziehen.

Dies will die GAL nach Angaben ihres Sprechers Bernhard Lehle gleich bei der künftigen Nutzung des alten Hallenbads praktizieren. Ein Arbeitskreis „Bürgerbeteiligung Geislingen“ wird angeregt, um das Spektrum künftiger Aufgaben auszuloten.

Bessere Beteiligungsmöglichkeiten fordert Lehle für Stadtsenioren-, Integrations-, Frauen- und Jugendgemeinderat. Außerdem bemängelte er, dass einbürgerungswillige Migranten monatelang auf die Teilnahme an einem Integrationskurs warten müssten.

Im Hinblick auf die Jugendhilfeplanung solle geprüft werden, inwieweit Konzeptionen und vorhandene Strukturen noch zeitgemäß seien. Ein Schulsozialarbeiterpool böte die Möglichkeit, das Personal auch schulübergreifend einzusetzen. Um die notwendigen Maßnahmen, vor allem im Schul- und Bildungsbereich finanzieren zu können, wird die GAL den Steuererhöhungen zustimmen.

STELLUNGNAHME DER FRAKTIONEN: ANFRAGEN UND ANTRÄGE

Als einzige Fraktion stellte die CDU bei der Stellungnahme zum Haushaltsplan 2011 keine Anträge. Sie listete jedoch ihre wesentlichen kommunalpolitischen Handlungsfelder auf: Betreuung, Kinder, Jugend und Bildung werden gefördert. „Geislingen ist und bleibt eine kinderfreundliche Stadt“, erklärte Fraktionschef Scheible. Die Stadtbezirke könnten darauf vertrauen, gleichrangig wie die Kernstadt vertreten zu werden. Ehrenamtliches Engagement werde sehr geschätzt und die Integration von Migranten als zentrales Thema gesehen. Dass dieses auch mit dem Begriff der Gewaltkriminalität verknüpft sei, mache Sorgen und erforderte eine intensive Beachtung.

SPD:

  • Heranziehen von Stadtseniorenrat und Integrationsrat als sachkundige Bürger bei den sie betreffenden Themen.
  • Können wir uns das Sanierungsgebiet östlich der Hauptstraße 2011 leisten?
  • Bericht über Kosten und Nutzen im Gebiet Bronnenwiesen. Welche Ausgaben und Einnahmen sind zu erwarten?
  • Kann die Stadt etwa 20 000 Euro für die Renovierung der Siechenkapelle nicht doch aufbringen?
  • Wiedereinführung der Planungsrate zur Generalsanierung des Michelberg-Gymnasiums.
  • Keine Reduzierung des Schul-Etats um zehn Prozent.
  • Ab wann belastet das Gewerbegebiet Türkheim unseren Haushalt?
  • Bericht über die Erfahrungen mit dem Sozialpass/Gutscheinheft.
  • Bericht vom Runden Tisch Schulsozialarbeit.
  • Bericht über die Kinderbetreuung und die Sprachförderung in den Kindergärten. Hat sich die Sprachfähigkeit verbessert?
  • Wie weit ist die Umsetzung unseres Antrags auf Erhöhung des Fachkräfteschlüssels auf 1,8 in den Kindergärten durchgeführt?
  • Bericht zur Inklusion von behinderten Kindern in normale Schulklassen. Gibt es bereits Projekte?
  • Bericht über die Fortbildung städtischer Angestellter im Umgang mit Migranten und Ausländern.
  • Bericht der Vhs über Ergebnisse der Sprach- und Integrationskurse. Gibt es Wartezeiten?
  • Bericht über die Werkstatt für interkulturelle Kompetenz. Ist das Projekt gesichert?
  • Für den Omnibusbahnhof sind 50 000 Euro eingestellt – wofür?
  • Welche Planung gibt es für den Oberlin-Kindergarten?
  • Ist ein Stiftungslehrstuhl für Hochschule Geislingen noch notwendig?
  • Überprüfung der Eintrittspreise ins 5-Täler-Bad am Jahresende.

Freie Wähler:

  • Was geschieht, wenn sich das Land aus der Finanzierung der Schulsozialarbeit zurückzieht? Antwort darauf soll der geschäftsführende Rektor der Geislinger Schulen, Ottmar Dörrer, geben.
  • Bericht über baurechtliche Möglichkeiten, um das üppige Wachstum sogenannter Spiel- und Vergnügungsstätten einzudämmen. Dies gilt auch für Wettbüros.
  • Änderung der Geschäftsordnung des Gemeinderats, um bürgerlichen Beteiligungsforen die Möglichkeit zur Teilnahme an den Sitzungen zu ermöglichen.
  • Liegen der Verwaltung Informationen über die Auditierung zur Familienpolitik von Kommunen vor?
  • Einrichtung eines „Demografieworkshops“ mit speziell geschulter Fachkräfte. Bewerbung um das Transfair-Siegel.
  • Überprüfung der Eintrittspreise ins 5-Täler-Bad.

GAL:

  • Durchführung einer Zukunftskonferenz zu Bürgerbeteiligung und demografischem Wandel.
  • Bericht der Sozialarbeiter.
  • Bericht der Schulleiter zum Stand der Umwandlung der Hauptschulen zu Werkrealschulen.
  • Betreuungsschlüssel für die Kindergärten.
  • Gibt es die Möglichkeit, durch einen Schulsozialarbeiterpool schneller Stellen zu schaffen?
  • Gründung eines Arbeitskreises „Bürgerbeteiligung Geislingen“.
  • Inwieweit kann die Homepage der Stadt Geislingen erweitert oder ergänzt werden?
  • Stellungnahme des Integrationsrates zum Bedarf an Mehrsprachigkeit bei Serviceleistungen der städtischen Homepage.
  • CO2-Emissionen für einzelne Gebäude im Rahmen des Energieberichts.
  • Wie weit sind wir bei unseren städtischen Heizungsanlagen mit der Umrüstung auf energiesparende Heizungspumpen?

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