18 Göppingen: Einkaufscenter

Strenge Vorgaben der Stadt

Umstrittenes Mega-Einkaufscenter am Göppinger Bahnhof ist vom Tisch

Autor: HELGE THIELE | NWZ 18.12.2010

Die CDU hat sich nicht durchgesetzt: Ein Einkaufszentrum mit bis zu 18 000 Quadratmetern am Göppinger Bahnhof wird es nicht geben. Auch am Güterbahnhof darf keine Shopping-Mall gebaut werden.

Göppingen. Monatelang hatten die Göppinger Stadträte emotional und kontrovers um den Bau eines Einkaufszentrums gerungen. Auch am Donnerstag machte es sich der Gemeinderat in seiner letzten Sitzung vor Weihnachten alles andere als leicht, um das nicht unumstrittene Projekt voranzubringen, das entweder am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) oder in der Bleichstraße verwirklicht werden soll. Doch nach mehreren Appellen von Oberbürgermeister Guido Till, „nichts mehr auf die lange Bank zu schieben“, verabschiedeten die Bürgervertreter am Abend einstimmig die in den vergangenen Wochen gemeinsam mit der Verwaltung erarbeiteten Kriterien, die ein Einkaufscenter in der Innenstadt erfüllen muss.

Auch die CDU-Fraktion stimmte dem Gesamtpaket zu, nachdem sie zuvor versucht hatte, die zulässige Größe einer Shopping-Mall am ZOB wieder nach oben zu korrigieren. Doch für ihren Änderungsantrag fanden die Christdemokraten keine Mehrheit. Damit steht fest: Das vom Essener Investor MFI geplante Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche von bis zu 18 000 Quadratmetern wird es nicht geben. Der Gemeinderat zurrte für den Standort ZOB eine Obergrenze von 12 500 Quadratmetern fest und folgte damit der Empfehlung der von der Stadt mit einem Gutachten beauftragten Ludwigsburger Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA).

Eine völlige Absage erteilte der Gemeinderat einer Shopping-Mall auf dem Gelände des früheren Güterbahnhofs: Das Areal, auf dem das Hamburger Unternehmen ECE gerne bauen würde, liegt den Stadtpolitikern zu weit weg von der City. Der Standort wurde aussortiert.

Sollte das Einkaufszentrum in der Bleichstraße gebaut werden, wo die Augsburger Kaufmannsfamilie Schenavsky (Frey-Center) gemeinsam mit den Investoren Acrest Property Group und Sonae Sierra aktiv werden will, soll die Gesamtverkaufsfläche 23 600 Quadratmeter nicht überschreiten.

Derzeit sind in der Bleichstraße 18 600 Quadratmeter Ladenfläche genehmigt, davon werden derzeit jedoch 4200 nicht genutzt. Die neu hinzukommende Fläche darf demnach maximal 5000 Quadratmeter betragen. Dieser Zuwachs, das legte der Gemeinderat auf Antrag der Grünen mehrheitlich fest, darf allerdings nicht für die Sortimente Textil, Schuhe und Sport verwendet werden. Der gewünschte hochwertige Textilbetrieb, der neben dem Erhalt von Galeria Kaufhof und C&A in einem Einkaufszentrum in der Bleichstraße angeboten werden soll, müsste demnach auf die bereits genehmigte Verkaufsfläche angerechnet werden. Auch am ZOB wäre die Verkaufsfläche für diese Sortimente auf 4600 Quadratmeter beschränkt.

Unstrittig waren die weiteren Kriterien zur jeweiligen Sortimentsstruktur. Sowohl am ZOB als auch in der Bleichstraße werden für ein Einkaufszentrum ein großflächiger Elektrofachmarkt vorgeschrieben. Dass die neue Shopping-Mall „auf vorhandene Baustrukturen und deren Maßstäbe Rücksicht nehmen“ muss, war ebenfalls einhelliger Tenor – genauso wie die Feststellung, dass ein innerstädtisches Einkaufszentrum „durch Gassen und Passagen“ in unterschiedliche Baufelder aufgegliedert werden muss. Grundsätzlich gilt: „Das Stadtbild der Göppinger Innenstadt soll nicht durch überdimensionale Gebäude beeinträchtigt werden.“

Falls die Mall am ZOB gebaut wird, dürfte der Investor maximal 250 Parkplätze schaffen – bei der CDU stieß das auf Kritik. Der stellvertretende Fraktionschef Jan Tielesch sprach sogar von einem „K.o.-Kriterium“ für den Standort ZOB. Die Stadtverwaltung argumentierte dagegen mit den bestehenden Parkhäusern in der Umgebung. Ziel sei es, „die Austauscheffekte mit der Innenstadt zu stärken“.

Eine Mehrheit gab es für den Antrag der FDP/FW-Fraktion, wonach sich die Stadt, unabhängig vom Standort eines Einkaufszentrums, mit bis zu 50 Prozent, aber maximal 2,5 Millionen Euro an den Investitionskosten im öffentlichen Raum beteiligt. Den Rest muss der Investor tragen. Ziel ist es, die Mall durch eine Verbesserung der jeweiligen Fußwege und Durchgänge gut an die Neue Mitte anzubinden.

Geplantes Einkaufszentrum: Wie geht es jetzt weiter?

Der Göppinger Gemeinderat hat strenge Kriterien für den Bau eines Einkaufszentrums beschlossen. Für die Investoren ECE und MFI sieht es danach schlecht aus: Das Güterbahnhofsareal (ECE) ist aus dem Rennen. MFI müsste seine Pläne für die „Arcaden“ am ZOB um 5500 Quadratmeter abspecken. Das ist nicht ausgeschlossen, erscheint aber nach den jüngsten Aussagen von MFI-Projektleiter Stefan Berg unwahrscheinlich. Am 14. oder 28. Februar findet im Rathaus ein öffentliches Hearing mit allen Interessengruppen statt. Im März entscheidet der Gemeinderat, ob am ZOB oder in der Bleichstraße gebaut wird.

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Warnung vor „Micky-Maus-Center“ verhallt

Autor: EBERHARD WEIN | StZ 18.12.2010

Göppingen. Der Gemeinderat lässt zum Missfallen des Investors am Bahnhof nur ein kleines Einkaufszentrum zu.

Sollte sich der Göppinger Gemeinderat für die Ansiedlung eines Einkaufszentrums am Zentralen Omnibusbahnhof entscheiden, so wird dessen Vekaufsfläche höchstens 12 500 Quadratmeter betragen. Der Versuch, in letzter Minute diese Flächenbegrenzung aufzuweichen, ist am Donnerstag bei der letzten Gemeinderatssitzung dieses Jahres gescheitert. Ein entsprechender Antrag der CDU wurde nur noch von Teilen der SPD und vom FDP-Fraktionschef Rolf Daferner mitgetragen. 12 500 Quadratmeter hatte die Gesellschaft für Markt und Absatzforschung (GMA) in einem Gutachten als gerade noch verträglich eingestuft. Die Verkaufsfläche aller Geschäfte der Göppinger Innenstadt summiert sich gegenwärtig auf 60 000 Quadratmeter.

In ihrem Antrag hatte die CDU einen großen Elektromarkt aus den 12 500 Quadratmetern herausgerechnet. „Wir alle wollen diesen Fachmarkt", sagte der CDU-Stadtrat Jan Tielesch. Bei einem Flächenbedarf von 2000 bis 3000 Quadratmetern wäre der Gemeinderat damit den Wünschen des potenziellen Investors weit entgegengekommen. Die Management für Immobilien AG (MFI) mit Sitz in Essen, die am Göppinger Busbahnhof bauen möchte, hatte bisher erklärt, 18 000 Quadratmeter seien für ein solches Einkaufszentrum die unterste Grenze. Sonst könne es nicht die notwendige Strahlkraft entfalten.

Einen Tag vor der Gemeinderatsentscheidung hatte die MFI mit einer ganzseitigen Anzeige in der Lokalzeitung für ihr Vorhaben geworben und es als große Chance bezeichnet. Um Göppingen als Einkaufsstadt Nummer eins zwischen Stuttgart und Ulm zu etablieren, reiche ein „Micky-Maus-Center mit 12 500 Quadratmetern nicht aus", hieß es dort. Ob das Unternehmen nun überhaupt noch an den anvisierten Verhandlungen mit der Stadt interessiert ist, ließ der Projektleiter Stefan Berg gestern offen. Der Katalog, in dem der Gemeinderat seine Bedingungen für den Bau eines Einkaufszentrums in der Innenstadt auflistet, liege ihm noch nicht vor.

Für Tielesch stand nach der Sitzung hingegen fest, dass die Ansiedlung am Bahnhof vom Tisch sei. Der Katalog enthalte „mehrere K.-o.-Kriterien" für das auf 120 Millionen Euro taxierte Projekt. Auch der frühere Baubürgermeister Joachim Hülscher, der für die Vereinigung Unabhängiger Bürger (VUB) im Gemeinderat sitzt, räumte ein, der Katalog sei „ein wenig Bleichstraßen-lastig". Dies sei aber kein Problem, „wir sind ja erwachsen genug".

Tatsächlich herrscht bei den MFI-Konkurrenten Acrest Property und Sonae Sierra, die zusammen mit der Eigentümerfamilie des Frey-Centers Schenavsky das in die Jahre gekommene Bleichstraßenviertel zu einem modernen Einkaufszentrum ausbauen wollen, verhaltener Optimismus. „Wir werden unsere Pläne am Kriterienkatalog ausrichten", kündigte Simon Schenavsky an. Für die Bleichstraße, wo unter anderem Kaufhof und C & A angesiedelt sind, legte der Gemeinderat die Obergrenze auf 23 600 Quadratmeter fest. Bisher sind dort 18 600 Quadratmeter genehmigt, davon stehen 4000 Quadratmeter leer.

In den kommenden drei Monaten will die Stadtverwaltung nun mit den möglichen Investoren verhandeln. Tielesch forderte, den Gemeinderat ständig über die Gespräche zu informieren: „Wir wollen wissen, woran es hakt, damit wir an der ein oder anderen Stellschraube noch drehen können." So will Tielesch gewährleisten, dass der Gemeinderat noch eine Auswahl hat, wenn am 17. März die endgültige Standortentscheidung fallen soll.

DAS WICHTIGSTE AUS DEM KRITERIENKATALOG

Generell Für beide Standorte gilt: Die einzelnen Baukörper sollen sich in Größe und Form der Struktur der Innenstadt anpassen. Die Wege im Center sollen mit Tageslicht erhellt werden und nachts passierbar bleiben. Die Geschäfte, unter ihnen ein großer Elektromarkt und ein großer, hochwertiger Textilanbieter, sollen sich nicht nur nach innen, sondern auch zum öffentlichen Straßenraum hin öffnen. An notwendigen Investitionen für öffentliche Straßen und Plätze beteiligt sich die Stadt höchstens mit 50 Prozent und 2,5 Millionen Euro.

Bleichstraße Im Falle dieses Standorts fordert der Gemeinderat eine bessere Anbindung an die 1-a-Lage. Das Center sollte vom 260 Meter entfernten Marktplatz aus sichtbar sein. Die Verkaufsfläche dürfte von 18 600 auf höchstens 23 600 steigen. Negative städtebauliche Situationen sollen sich verbessern. Außerdem wären mindestens 650 Stellplätze erforderlich.

Omnibusbahnhof Das Vorhaben mit einer Verkaufsfläche von maximal 12 500 Quadratmetern müsste sich auf das Quartier zwischen Graben- und Bahnhofstraße konzentrieren. Stadtbildprägende Gebäude wie das Kümmerle-Haus sollten erhalten bleiben. Es dürfen höchstens 250 Stellplätze geschaffen werden. Die Verlegung des Busbahnhofs an die Bahnlinie ist zwar sinnvoll, die Vergabe des alten Geländes bedarf aber einer europaweiten Ausschreibung.

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Verletzungen

Kommentar

Autor: EBERHARD WEIN | StZ 18.12.2010

Standortdiskussion. Nach einer schweren Niederlage kann sich der OB doch noch durchsetzen.

Vordergründig betrachtet, ist 2010 ein verlorenes Jahr gewesen. Noch immer ist offen, ob und wo ein modernes Einkaufszentrum die Göppinger Einzelhandelslandschaft bereichern soll. Auch dass die Pläne der Investoren, die das marode Bleichstraßenviertel aufmöbeln wollen, gegenüber dem Vorhaben am Zentralen Omnibusbahnhof im Vorteil sind, entspricht exakt dem Stand vor einem Jahr.

Damals hatte sich der Oberbürgermeister Guido Till frühzeitig auf die Bleichstraße festgelegt, obwohl sein Gemeinderat noch längst nicht so weit war. Es folgten das vorübergehende Aus für das Bleichstraßenprojekt und damit eine herbe Niederlage für den OB, der sich in der Folge mühsam wieder in die Offensive arbeiten musste.

Dies ging nicht ohne Verletzungen ab und schlug im Gemeinderat, in dem sich nach Sitzungsende alle duzen, merklich auf die Stimmung. Jetzt stehen vor allem die Bahnhofsbefürworter von CDU und SPD, auf deren Unterstützung der parteilose Till bei seinem nächsten Wahlkampf im Jahr 2012 zählt, als Verlierer da. Sie müssen einsehen, dass der Standort am Bahnhof zwar attraktiver scheint, aber mit vielen Problemen verbunden ist. Immerhin existiert als Ergebnis dieses schmerzlichen Prozesses ein Kriterienkatalog, der den Wünschen der Investoren die Vorgaben der Stadt gegenüberstellt. Das ist ein Erfolg dieses Jahres, das dann doch kein verlorenes ist.

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