21 Geislingen: Geburtshilfe

Jetzt muss die Geldspritze noch wirken

Autor: EBERHARD WEIN | StZ 21.12.2010

Geislingen Am Mittwoch entscheidet der Kreistag, ob die Geburtshilfe der Helfensteinklinik eine Galgenfrist erhält.

Der Geislinger Oberbürgermeister Wolfgang Amann möchte die Geburtshilfestation der örtlichen Helfensteinklinik in eine Genossenschaft überführen und so vor der Schließung retten. In einem Schreiben an den Landrat Edgar Wolff bittet er darum, dass die kreiseigene Klinikengesellschaft, der neben der Helfensteinklinik auch die Göppinger Klinik am Eichert gehört, ein solches Modell prüft. Die entscheidende Sitzung wird am Mittwoch stattfinden. Dann berät die Gesellschafterversammlung von 15 Uhr an hinter verschlossenen Türen. Sie ist identisch mit dem Kreistag, der anschließend von 17 Uhr an öffentlich tagt.

Offiziell geht es bei beiden Sitzungen um den Bau eines Gesundheitszentrums an der Helfensteinklinik. Nachdem ein guter Teil der Flächen für das Ärztehaus vergeben ist und erste Zuschusszusagen des Landes vorliegen, soll ein entsprechender Baubeschluss für das auf knapp 20 Millionen Euro taxierte Projekt fallen. „Das ist eine wichtige Sitzung", sagte der Landrat Edgar Wolff. Allerdings hält auch er es für wahrscheinlich, dass das Thema Geburtshilfe ebenfalls zur Sprache kommt. Dabei hat die Gesellschafterversammlung der Schließung der defizitären Abteilung zum 6. Januar 2011 bereits zugestimmt.

Doch die Proteste in Geislingen und im oberen Filstal ebben nicht ab. Gestern Abend versammelten sich erneut mehrere Hundert Menschen zu einer Kundgebung vor dem Klinikum. In einer beispiellosen Aktion gelang es den Initiatoren, bis gestern mehr als 250 000 Euro zu sammeln.

Das Geld stammt von Bürgern, Firmen, und aus kommunalen Kassen. 80 000 Euro stellt allein die Stadt Geislingen bereit, je 10 000 Euro wollen Bad Ditzenbach und Bad Überkingen beisteuern. Mit dem Geld könnte der Geislinger Geburtshilfe, die nach den Angaben der Klinikleitung jährlich ein Minus von 250 000 Euro erwirtschaftet, eine Galgenfrist gewährt werden. Damit wäre Zeit gewonnen, um ein Zukunftskonzept für die Abteilung zu entwerfen. So könne sie in Kooperation mit der Filderklinik in Filderstadt (Kreis Esslingen) anthroposophisch ausgerichtet werden, lautet ein Vorschlag. Die Klinikleitung hatte erst im November bekanntgegeben, dass sie die Geburtshilfe schließen möchte.

Wie Amann betonte, habe ihm der früherer Rektor der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, Professor Eduard Mändle, bereits versichert, dass ein genossenschaftliches Modell, das den Kreis nichts koste, in diesem Fall möglich und aussichtsreich sei. Als Genossen kämen Privatleute, Firmen, Gemeinden und Organisationen infrage. Der Geschäftsführer der Kliniken, Professor Jörg Martin, zeigte sich jedoch skeptisch. Das eigentliche Problem sei damit nicht gelöst. „Wir brauchen mehr Geburten." Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der jährlichen Entbindungen in Geislingen von 800 auf geschätzte 450 in diesem Jahr zurückgegangen. Wegen der Nachtbereitschaften benötige man dafür aber dasselbe Personal.

Die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung des 250 000-Euro-Schecks überlasse er aber der Gesellschafterversammlung, sagte Martin. Dort gibt es durchaus Stimmen, die dafür votieren, es noch einmal zu versuchen. Die Geislinger Kreisräte Hans-Peter Maichle (CDU) und Bernhard Lehle (Grüne) haben sogar selbst je 1000 Euro in die Geburtshilfekasse einbezahlt. Jedoch würde eine einjährige Verlängerung die Klinikleitung vor Probleme stellen. „Uns fehlen Ärzte", so Martin. Und welcher junge Mediziner komme in eine Abteilung, die nur unter Vorbehalt bestehe?

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