10 Wahlkampf: Kreisjugend- und -seniorenrat

Wie die Überraschungseier

Landtagskandidaten stellen sich den Fragen von Schülern und Senioren

Autorin: EVA-MARIA MANZ | NWZ 10.02.2011

Unter dem Motto „Wir haben die Wahl“ luden Kreisjugendring und Kreisseniorenrat Landtags-Kandidaten in die Turnhalle des Freihof-Gymnasiums ein. Dort mussten die Kandidaten sich den Fragen der Schüler und Senioren stellen.

Göppingen. Der Vorsitzende des Kreisjugendrings Volker Landskron wirft Überraschungseier ins Publikum in der Göppinger Freihof-Turnhalle. Rund 150 Schüler und Senioren sind gekommen, um den Landtagskandidaten auf den Zahn zu fühlen. Landskron sagt: „Wie diese Überraschungseier sehen die Landtagskandidaten von außen erstmal alle gleich aus. Wir wollen sprichwörtlich wissen, was drin ist und ob manche vielleicht für eine Überraschung gut sind.“ Moderatorin Christine Besenfelder aus Tübingen konfrontiert die Kandidaten mit verschiedenen Fragen der Schüler, insgesamt bekommt jeder Kandidat aber nur zwölf Minuten Redezeit. Gleich zu Beginn kommt eine Überraschung: Alle fünf Kandidaten antworten in einer Ja-Nein-Fragerunde, in der sie nur ein Ja- oder Nein-Schild nur Beantwortung einer Frage hochhalten sollen, fast immer gleich – obwohl es um Streitthemen wie den Ausbau der S-Bahn bis nach Göppingen, Verbraucherberatung und Schlichtungen geht.

Schüler und Interessierte können an dieser Podiumsdiskussion auf drei verschiedene Arten Fragen stellen: über das Mikrofon aus dem Publikum, per SMS anonym oder auf Facebook. Die Fragen werden direkt auf eine Leinwand mit dem Beamer projiziert und an die Kandidaten gerichtet.

Großes Interesse besteht dabei an Themen wie den Diskussionen über das Schulsystem und das Konzept der Gesamtschulen. Nicole Razavi (CDU) erklärt: „Wir halten an dem dreigliedrigen Schulsystem fest, es ist durchlässig und es selektiert nicht, alle haben die gleichen Bildungsmöglichkeiten und Baden-Württembergs Schulsystem ist eines der besten.“ Jörg-Matthias Fritz von den Grünen hingegen ist ganz anderer Meinung: „Unser Schulsystem ist absolut undurchlässig, der Geldbeutel der Eltern entscheidet doch darüber, wer welche Ausbildung bekommt.“

Auch am Thema G8 schieden sich die Geister. Christian Stähle (Linke) betonte: „Die Lehrpläne hätten geändert werden müssen. Es wurde die gleiche Menge Stoff in acht Jahre gequetscht, ich bin für G9.“ Antje Spoddig de Boer (FDP) meinte: „Der Druck auf die Kinder ist bereits in der Grundschule sehr groß. Eltern sollten in allen Belangen an Schulen mehr mitreden dürfen.“ Zusammenhänge der von ihr geschilderten Problematik mit G8 sieht die Politikerin aber nicht und betont: „G8 macht Sinn, auch wenn an einigen Stellschrauben noch gedreht werden muss.“

Peter Hofelich von der SPD hingegen möchte eine Wahlmöglichkeit für G9 einführen und setzt sich außerdem „für die flächendeckende Einführung von Ganztagesschulen“ ein. Hofelich: „Wir müssen unser Bildungswesen verbessern, der Weg nach oben soll allen Menschen offen stehen.“ Daher spricht sich Hofelich auch für die Einführung der Gesamtschule aus. Razavi und Spoddig de Boer sind nicht einer Meinung mit dem SPD-Politiker. Razavi: „Wenn alle in der gleichen Schule sind, wird es zunehmend schwieriger, einzelne gezielt zu fördern.“ Doch Jörg-Matthias Fritz von den Grünen hält dagegen: „Es kann nicht sein, dass mehr als die Hälfte der Schüler die Schule ohne Nachhilfe nicht schafft.“

Zwischen den Fragerunden müssen die Kandidaten eine weitere Aufgabe meistern: Sie sollen ein Thema wie etwa Atomkraft oder Studiengebühren neutral erklären. Das fällt besonders Linke-Politiker Stähle schwer, der meint: „Ich kann das nicht neutral erklären.“ Die Forderung der Schüler nach neutralen Erklärungen zeigt das Bedürfnis nach aufrichtigen Antworten der Politiker. In dieselbe Richtung geht auch eine Frage nach der Bedeutung von Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit in der Politik. Nicole Razavi ist überzeugt: „Wir müssen den Menschen die Wahrheit sagen, auch wenn sie unbequem ist.“ Auch Jörg-Matthias Fritz meint: „Wir werden nichts versprechen, was wir nicht halten können.“

Ein kleiner Wermutstropfen ist am Schluss dennoch, dass aus Zeitmangel nicht auf alle Fragen der Schüler und Senioren eingegangen werden kann. Vor allem beim Thema Studiengebühren und Studienplätze, das viele Schüler besonders interessiert, kommt die Diskussion etwas zu kurz. Die Schüler fragen, warum für den Doppeljahrgang, der bald Abitur macht, nicht genügend Studienplätze geschaffen wurden. Razavi streitet das ab: „Mit dem Studienausbauprogramm 2012 haben wir die Grundlage für eine ausreichende Anzahl an Studienplätzen geschaffen.“ Hofelich betont in der von ihm geforderten neutralen Erklärung des Themas Studiengebühren, dass jeder entscheiden müsse, ob Bildung ein freies Gut sein solle oder ob man zweckgebundene Mittel einsetzen wolle. Die nicht beantworteten Fragen werden die Politiker nun per Mail schicken; am Schwarzen Brett des Freihof-Gymnasiums werden diese dann ausgehängt.

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