11.02.11 Kreistagsetatrede

Haushaltsrede der Fraktionssprecherin Martina Zeller-Mühleis im Kreistag zur 3. Lesung zum Haushalt 2011

11.02.2011

Sehr geehrter Herr Landrat, meine Damen und Herren,

Vieles wirft man uns Grünen in Wahlkampfzeiten vor. Wir seien die Dagegen-Partei, wir seien Verhinderer, wir seien Fortschrittsverweigerer. In der Tat: wir waren und bleiben Gegner von Stuttgart 21, wir sind gegen Atomkraft und gegen die Verlängerung von Laufzeiten der Atommeiler, wir sind gegen Gentechnik und gegen die Bevorzugung von Agrarlobbyisten, wir sind gegen eine noch größere soziale  Kluft unserer Gesellschaft, wir sind gegen Bildung, die immer mehr vom sozialen Status der Familie abhängt. 
 
Aber – wir sind für
einen leistungsfähigen Kopfbahnhof, wir sind für Energieeffizienz und eine nachhaltige Energieerzeugung, wir sind für eine Landwirtschaft, die den einzelnen Landwirt und nicht Agrarfabriken im Mittelpunkt sieht, wir sind für eine Verbraucherschutzpolitik, die nicht immer noch mehr Bürokratie produziert und erst recht den nächsten Lebensmittelskandal nach sich zieht, wir sind für einen Hartz IV- Regelsatz, der dem Einzelnen ein bisschen mehr zum Leben lässt aber auch einen Anreiz darstellt, Arbeit wieder aufzunehmen.
 
Wir sind für eine Schulreform von unten: Überall dort, wo von Schulträgern, Eltern und LehrerInnen gewünscht, sollen längeres gemeinsames Lernen aller Kinder und neue Lernformen eingeführt werden.

Die Aufzählung ließe sich noch fortsetzen. Wir bieten Alternativen – nur so lässt sich Politik gestalten.
 
Für uns ist es eine positive Entwicklung, dass Menschen sich (wieder) einmischen wollen. Denn Demokratie lebt von der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Um dieses Element bereichert, bleibt auch das Rückgrat der Politik, die repräsentative Demokratie, stark und lebendig. Gewaltfreiheit gehört für uns selbstverständlich dazu.
 
Einige wenige Anmerkungen zum Haushalt 2011:
 
Verkehrsverbund Filsland: Lange war Göppingen der einzige Landkreis ohne Verkehrsverbund. Zum 1.1.11 endlich gegründet, und dann überwiegt in der öffentlichen Wahrnehmung das negative Image. Leserbriefe mit berechtigter Kritik gab es viele, die Profiteure des Verkehrsverbundes haben sich leider nicht gemeldet. Kritikpunkte werden und müssen abgearbeitet werden, damit die Akzeptanz erhöht wird und wir das Umsteigen vom Auto auf den ÖPNV erleichtern und nicht umgekehrt, wie in manchem Leserbrief angekündigt. Als nächsten Schritt im Sinne einer Qualitätssteigerung des ÖPNV gilt es die Vertaktung Bahn-Bus anzugehen. Es kann nicht sein, dass wir im dichtbesiedelten Raum eine Stunde am Busbahnhof stehen, bis der nächste Bus kommt.
 
Kliniken: Wir erinnern uns alle an die letzte Kreistagssitzung, in der wir einen Aufschub in Geislingen zur Schließung der Geburtshilfe beschlossen haben. Zeitgleich mit der Berichterstattung zu dieser Sitzung kam der Vorschlag von Herrn Wehde (Christophsbad) zum Neubau eines gemeinsamen Klinikums auf Christophsbad eigenem Gelände. Zufälle gibt es!
 
Wir erinnern an das im vergangenen Sommer beschlossene Sanierungskonzept und die Strategie 2015, die Investitionen in Millionenhöhe beinhalten und ein Bekenntnis zur kommunalen Trägerschaft sind. Wir haben und werden Investitionsmittel seitens des Landes erhalten, zwar chronisch unterfinanziert, aber immerhin besser als nichts. Mit einem nie dagewesenen Personalabbau wird versucht, das Defizit der Kliniken des Landkreises zu senken. Dies oft bis an die Grenze der Belastbarkeit des einzelnen Mitarbeiters. Ein Klinikneubau bindet nicht nur Mittel des Landes, sondern auch des Landkreises. Hinzu kommt eine Unruhe bei den Mitarbeitern, die sich in der jetzigen Phase negativ für den gesamten Prozess auswirken kann. Gewachsene Strukturen sollten nicht ohne erkennbare Notwendigkeit klein geredet werden.
 
Wir haben die nächsten Jahre viele Aufgaben (Bsp. S-Bahn) zu erledigen. Da gilt es für uns unter dem Aspekt der Prioritätensetzung zu entscheiden. Für Gespräche zur Optimierung von Zusammenarbeit Kliniken-CB oder auch dessen Gremien sind wir offen.
 
Klimaschutz: Da bewegt sich der Landkreis in die richtige Richtung. Zwar eher in kleinen Schritten – aber immerhin. Wir sollten Vorbildfunktion für die Kommunen übernehmen. Dieses global wichtige Thema kommt in der tagespolitischen Themenfülle immer zu kurz – deswegen werden wir uns diesem Thema mit Hartnäckigkeit annehmen.
 
Kreisumlage: Der Höhe des Hebesatzes haben wir bereits in unserer Stellungnahme zum Haushalt 2011 zugestimmt. Allerdings befinden wir uns seit Jahren  in einem finanzpolitischen Dilemma. Städte und Gemeinden fordern angesichts der Berg- und Talfahrt von Steuereinnahmen eine Reduzierung des Kreisumlageaufkommens. Der Weg stetiger Neuverschuldung von Landkreis und Kommunen ist auch keine Lösung, da er den Handlungsspielraum künftiger Generationen immer noch mehr einschränkt. Im Landkreis selbst werden Gewerbe- und Grundsteuer erhöht bzw. Bauplätze verkauft, um einen genehmigungsfähigen Haushalt hinzubekommen. Bund und Land müssen sich mehr an einer ausreichenden Finanzierung der Kommunen beteiligen. Die Erweiterung der Gewerbesteuer wäre ein zaghafter Schritt in diese Richtung.
 
Ansonsten haben wir ein spannendes Jahr vor uns mit den anstehenden Landtagswahlen, der Entscheidung über die Geburtshilfe und dem Stresstest S 21. Lassen wir uns nicht beirren, lassen Sie uns fair dieses Jahr bewältigen.
 
Für die Fraktion
 
Martina Zeller-Mühleis

zurück zu Mitteilungen…