15 Wahlkampf: Kandidaten zur Atomkatastrophe

Japan-Schock sitzt tief

Wie die Landtagskandidaten über die Zukunft der Kernkraftwerke denken

Autor: MANFRED BOMM | GZ 14.03.2011

Der Schock sitzt tief: Angesichts explodierender Reaktoren in Japan werden auch jene Politiker nachdenklich, die bisher die Atomenergie verteidigt haben. Eine Umfrage bei den Landtagskandidaten.

Raum Geislingen. Die Meiler sind zwar außer Sichtweite, wären aber bei einem größeren Störfall auch eine Bedrohung für den Geislinger Raum: Das Kernkraftwerk Gundremmingen ist gerade mal 40 Kilometer Luftlinie entfernt, Neckarwestheim nur knapp doppelt so viel.

Seit der Katastrophe von Japan rücken die Reaktoren in der Umgebung wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein. Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus hatte zwar bei seiner Rede am Sonntagvormittag in Bad Überkingen der Opposition vorgeworfen, aus den Ereignissen in Japan „politisches Kapital“ schlagen zu wollen, doch eines solchen Vorgehens bedarf es nach Meinung des Grünen-Landtagskandidaten Bernhard Lehle gar nicht. Denn seine Partei habe schon immer vor dieser „gefährlichen Technik“ gewarnt und deshalb den Ausstieg aus der Kernenergie gefordert. Wie sehr die Menschen dieses Thema umtreibe, sei am Wochenende mit der kilometerlangen Demonstration zwischen Stuttgart und Neckarwestheim deutlich geworden. Die dortige Menschenkette sei aber nicht aufgrund der Ereignisse in Japan organisiert worden, sondern bereits lange zuvor geplant gewesen. Allerdings, so betont Lehle, seien deutsche Reaktoren durchaus mit jenen in Japan zu vergleichen: „Wir haben eine ähnliche Situation.“

Diese Einschätzung vertritt auch SPD-Kandidat Sascha Binder. Gerade die älteren Anlagen, so betont er, müssten sofort abgeschaltet werden. Denn in Japan habe sich gezeigt, dass die Risiken, die immer vorhanden gewesen seien, nicht verhindert werden könnten. Binder plädiert deshalb für „den gemeinsam mit den Grünen beschlossenen Ausstieg“ aus der Atomenergie. Nun gelte es, die im Oktober von der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossenen Laufzeitverlängerungen (um zehn bis 14 Jahre) zu stoppen. Einen ersten Schritt dazu hat die Regierung gestern getan.

„Ich war noch nie für Kernkraft sagt Linke-Kandidatin Sabine Rösch-Dammenmiller. Deshalb spreche sie sich „ganz klar für den Ausstieg“ und das sofortige Abschalten der älteren Anlagen aus. Sie selbst achte ohnehin darauf, nur regenerative Energien zu nutzen. Sie unterstütze deshalb regionale Versorgungsunternehmen, denen sie am ehesten zutraue, dass sie sich für die Energiegewinnung aus Wind, Sonne und Wasser engagierten.

„So schnell wie möglich“ möchte auch FDP-Kandidat Winfried Hüttl „einen Teil der 17 recht veralteten“ Meiler vom Netz nehmen. Unrealistisch sei es jedoch, sofort alle abzuschalten. Hüttl plädiert für eine Überprüfung der Laufzeiten-Verlängerung, warnt aber davor, jetzt hektisch zu reagieren: „Wir müssen schauen, was machbar ist, ohne die Stromversorgung zu gefährden.“

Nicole Razavi, die wieder kandidierende CDU-Landtagsabgeordnete, will eine sachliche, vor allem aber keine „ideologisch-emotionale, überstürzte Diskussion.“ Mit der Verkürzung der Laufzeiten sei es nicht getan, denn viel wichtiger erscheine ihr die Sicherheit der Anlagen. Nun müsse geprüft werden, welche Erkenntnisse sich aus der Katastrophe in Japan ergäben. Die deutschen Kernkraftwerke würden jedenfalls „auf Herz und Nieren geprüft.“ Denn die Ereignisse in Japan, so räumt Razavi ein, hätten „alle Fachleute überrascht“, zumal sich die dortigen Anlagen auf einem hohen technischen Niveau befänden.

Angesichts des enormen Energiebedarfs einer Industrienation wie Deutschland sei ein sofortiges Abschalten der Reaktoren nicht möglich. Razavi verweist auf den steigenden Strombedarf – insbesondere im Hinblick auf Elektroautos. Längerfristig jedoch ist auch sie für den Ausstieg aus der Kernenergie: „Wir müssen langsam, verantwortbar, so schnell wie möglich raus.“

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