21 Wahlkampf: U18-Wahl

Die NPD bekommt mehr Kreuzchen als anderswo

Autor: KLAUS NONNENMACHER | StZ 21.03.2011

Göppingen Das Ergebnis der U18-Wahl im Kreis bedarf der Erklärung. Am Ende hat Rot-Grün die Nase vorn.

Ja spinnen die denn?” Antonia ist fassungslos. Es ist 18.45 Uhr. Im CVJM-Haus in der Göppinger Ulrichstraße werden die ersten Hochrechnungen der U18-Wahl für den Landtag an die Leinwand projiziert. Eine Woche lang konnten sich die Kinder und Jugendlichen im Landkreis Göppingen in 19 Wahllokalen an der landesweiten Jugendwahl für den Landtag beteiligen. Und nun das: die NPD hat im Filstal knappe zehn Prozent. „Welche Idioten wählen die denn? Haben die alle keine Ahnung?” Die 15-jährige Antonia ist vom Ergebnis entsetzt.

Der Stimmenanteil der Nationalen ruft auch bei Holger Schrag vom Göppinger Kreisjugendring Kopfschütteln hervor. Der Jugendsozialarbeiter Hänsi Weiss sieht es gelassener. Er war vergangene Woche mit einer mobilen Wahlurne auf den Schulhöfen unterwegs und sammelte Wählerstimmen. Die meisten seien eher Jugendliche mit Migrationshintergrund. „Da stehen dann halt fünf Albaner und jeder muss den starken Mann markieren und kreuzt die NPD an”, berichtet Weiss von seinen Erfahrungen. Holger Schrag findet es dennoch bedenklich. „Über die Nazis haben sich die Leute auch erst lustig gemacht und plötzlich waren sie an der Macht”, meint er trocken. Er traut der Sache nicht so recht.

Eines macht das Ergebnis der ersten Jugendwahl – NPD hin, Jux her – auf jeden Fall deutlich. Die künftigen Wähler setzen andere Schwerpunkte und ihr Kreuzchen an anderer Stelle als ihre Eltern und Großeltern. Rot-Grün gewinnt. Im Land wie im Landkreis. Im Detail allerdings sehen die Filstäler die SPD vor den Grünen. Im Land liegen die Grünen mit 34 Prozent vor der SPD mit 23 Prozent. Die CDU schafft es auch im Kreis Göppingen bei den Minderjährigen mit knapp 18 Prozent auf den dritten Platz. Danach sind im Landkreis Göppingen je nach Wahlkreis mal die Piraten, mal die NPD auf Platz vier. Landesweit haben die Piraten mit 8,7 Prozent die Nase vorn. Landesweit gesehen kämen dagegen weder die NPD noch die FDP oder die Linken in den Landtag. Sie haben bei den unter 18-Jährigen alle weniger als fünf Prozent der Stimmen errungen. Im Kreis Göppingen dagegen wären auch die Linken dabei. Nur die FDP wäre an der Fünfprozenthürde gescheitert.

Fragt man bei einigen U18-Wählern nach, scheinen die vermeintlichen Wahlkampfthemen Nummer eins und zwei für sie kaum eine Rolle gespielt zu haben. Von Stuttgart 21 spricht kaum jemand, und zur Atompolitik meist so: „Am Aus für die Kernkraft kommt eh keiner vorbei. Das werden alle gleich machen”, erklärt ein 17-Jähriger. Die Bildungspolitik, Schulreform, G8 oder G9, Studiengebühren, das sind Themen, die die Jugendwähler umtreiben und, dass manche Parteien ihnen schlichtweg glaubwürdiger erscheinen als andere.

Ein wichtiges Thema scheint aber auch das Ziel der Jugendwahlaktion zu sein: Mitbestimmung. „Ich finde die Aktion einerseits gut, weil wir auch einmal gefragt werden, anderseits aber beschissen, weil wir ja sowieso nicht viel zu sagen haben – weil es niemand interessiert”, ärgert sich Miodrag Krstic. „Die Erwachsenen sagen immer: Die Jugend ist unsere Zukunft. Aber sie benehmen sich so, als ob die Erwachsenen unsere Zukunft wären”, verdeutlicht er. Der 17-jährige Kroate sieht sich als Protestwähler. Welcher Partei er seine Stimme gegeben hat, verrät er aber nicht.

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U18-Wahl: Jugendliche für Politikwechsel

SPD und Grüne haben die Nase vorn – Piratenpartei „entert“ imaginäres Parlament

Autorin: SUSANN SCHÖNFELDER | NWZ 21.03.2011

Würden die unter 18-Jährigen ihren eigenen Landtag wählen, wäre die SPD stärkste Kraft, gefolgt von den Grünen. Und die Piraten säßen auch im Plenum.

Kreis Göppingen. Die Spannung steigt: In sechs Tagen haben die Menschen in Baden-Württemberg die Wahl. Sie entscheiden, wer künftig das Land regieren wird. Kinder und Jugendliche haben bereits am Freitag ihr Kreuz gemacht – bei der U18-Wahl. Natürlich zählt ihre Stimme nicht, aber mit diesem „Urnengang“ soll bei jungen Leuten das Interesse an Politik geweckt werden. Außerdem soll dem Bedürfnis der Jugend, die mitentscheiden will, Beachtung geschenkt werden.

Im Kreis Göppingen hatte der Kreisjugendring die Stimmabgabe organisiert. Das Ergebnis ist eindeutig: Die beiden Regierungsparteien im Land bekämen bei den Teenagern keine Mehrheit. Im Wahlkreis Göppingen landete die CDU bei 18 Prozent der Stimmen, die FDP erreichte drei Prozent. Stärkste Partei war die SPD mit 25,7 Prozent, gefolgt von den Grünen mit 23,3 Prozent. Die Piraten zögen in den Landtag ein – und zwar mit 11,3 Prozent. Auch die Linke würde mit 5,9 Prozent den Sprung ins Parlament schaffen. Für die NPD haben sich 7,4 Prozent der U18-Wähler ausgesprochen.

Im Wahlkreis Geislingen ergab sich ein ähnliches Bild: Auch hier hatten die Sozialdemokraten mit 27 Prozent deutlich die Nase vorn, zweitstärkste Kraft sind die Grünen mit 22,2 Prozent der Stimmen. Die CDU landete bei 17,1 Prozent, die FDP bei 2,2 Prozent. Die Linke schaffte im Wahlkreis Geislingen 6,8 Prozent, die NPD erreichte 10,6 Prozent und die Piraten 7,1 Prozent.

Männliche und weibliche Teilnehmer hielten sich beim Pendant zur „echten“ Landtagswahl in etwa in die Waage, die jungen Menschen gaben jeweils ihre Zweitstimme ab. Im Wahlkreis Göppingen haben 1834 Kinder und Jugendliche (69 ungültige Stimmen) bei der U18-Wahl mitgemacht, im Wahlkreis Geislingen waren es 649 (16 ungültige Stimmen). Die jüngsten Teilnehmer im Kreis waren sieben Jahre alt. Die Grüne Jugend Baden-Württemberg sowie die Piratenpartei im Land haben in einer Pressemitteilung auf das Ergebnis der U18-Wahl reagiert. Die Grünen zeigten sich erfreut über das „rege Interesse“ und forderten in diesem Zuge, „junge Menschen auch schon vor dem 18. Lebensjahr politisch zu beteiligen und ihre Meinung ernst zu nehmen“. Daher will sich die Grüne Jugend für eine Absenkung der Wahlaltersgrenzen bei allen politischen Wahlen einsetzen. Der Jugendverband sieht die U18-Wahl als „richtungsweisend“ für die Landtagswahl in sechs Tagen.

Die Piratenpartei, die im Kreis 11,3 beziehungsweise 7,1 Prozent der Stimmen schaffte, erzielte landesweit knapp neun Prozent und hat nachgerechnet: „Das würde beispielsweise für eine Regierungskoalition Grün-Orange reichen.“ Eine imaginäre Regierung. Kommenden Sonntag wird es dann richtig ernst.

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