24 Landtagswahl: Wahlchancen Göppingen

Alle sind siegesgewiss, aber einige sind nervös

Autor: EBERHARD WEIN | StZ 24.03.2011

Göppingen Japan, Libyen und Stuttgart 21 haben den Wahlkampf im Wahlkreis 10 bestimmt. Von Eberhard Wein

Die Menschen seien offen für den Wechsel, hat der SPD-Landtagsabgeordnete Peter Hofelich festgestellt. „Wir haben einen Zuspruch erfahren, der alles, was in den vergangenen 20 Jahren war, in den Schatten stellt”, meint der Grünen-Kandidat Jörg Matthias Fritz. „Für uns ist der Wahlkampf sehr gut gelaufen”, sagt Christian Stähle von den Linken. Viel Zuspruch will auch die FDP-Frau Antje Spoddig-de Boer erhalten haben. „Ich rechne mit acht Prozent”, erklärt sie. Und der CDU-Platzhirsch Dietrich Birk kommt bezüglich seiner Erfolgsaussichten ebenfalls zu einer „optimistischen Einschätzung”. Die CDU-Basis sei hochmotiviert. „Das führt zu einer hohen Mobilisierung .”

Fragt man die Kandidaten im Kreis Göppingen nach ihren Erwartungen für die Landtagswahl, dürfte es am kommenden Sonntag nur Sieger geben. Dabei ist unkalkulierbar, welche Auswirkungen die jüngsten Entwicklungen in Libyen und Japan auf das Wahlergebnis im Kreis haben werden. Birk, der das Direktmandat im westlichen Teil des Landkreises bereits zum vierten Mal anstrebt, glaubt aber, dass sich die Situation nach der ersten Aufregung etwas beruhigt habe. Für die Zurückhaltung der Bundesregierung gegenüber einem Militäreinsatz in Libyen habe es an den Wahlständen viel Zuspruch gegeben. Und auch Merkels Atom-Moratorium werde positiv gesehen. Die Menschen seien offen für rationale Argumente. Klar sei doch, dass ein hochindustrialisiertes Land wie Baden-Württemberg die Kernenergie als Brückentechnologie noch einige Zeit brauche.

Als jemand, der schon in seiner Schulzeit mit einem „Atomkraft? Ja bitte”-Button herumlief, kann er kaum etwas anderes sagen. Dass das Thema auch im Kreis Göppingen die Menschen bewegt, wurde am vergangenen Freitag deutlich, als der CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus bei einem Wahlkampfauftritt in der Göppinger Stadthalle vor der Türe von rund 150 Atomkraft- und Stuttgart 21 -Gegnern mit lautstarken „Mappus-muss-weg”-Rufen begrüßt wurde.

Auch das Bahnhofsthema hat im Kreis Göppingen im Wahlkampf eine Rolle gespielt, zumal die Neubaustrecke nach Ulm durch den Kreis führt. Das Nein der Grünen zu dieser Trasse hat den Grünen Jörg Fritz allerdings in Erklärungsnot gebracht. Denn im Filstal stellen sich viele nun die Frage, ob die Grünen stattdessen die alte Strecke zwischen Plochingen und Geislingen für Hochgeschwindigkeitszüge ertüchtigen wollen. Der Bürgermeister von Reichenbach/Fils, Bernhard Richter, dessen Gemeinde zwar im Kreis Esslingen liegt, aber als einzige zum Göppinger Wahlkreis gehört, ließ sogar eine entsprechende Resolution verabschieden. Fritz bat daraufhin den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer nach Reichenbach. Der grüne Stuttgart-21-Experte stellte klar, dass die Grünen bei einem Wahlsieg kein drittes Gleis und keine riesigen Brücken- und Tunnelbauwerke im engen Filstal planten.

Trotzdem wird dieser Aspekt immer wieder von CDU und SPD gegen die Grünen ins Feld geführt. Auch der Sozialdemokrat Hofelich steht zu dem Stuttgarter Milliardenprojekt, wobei es ihm wesentlich besser gelang, auch mit den Kritikern im Dialog zu bleiben. Ansonsten legt er Wert auf die Feststellung, dass die Auseinandersetzungen im Kreis immer noch „in der Hauptsache zwischen CDU und SPD” ablaufen würden. Und da sei die CDU sichtlich aggressiv geworden. „Gerade für die Politikergeneration der CDU, die nie etwas anderes als Politik gemacht hat, ist die Aussicht auf den Machtverlust besonders schwierig.”

DIE KANDIDATEN DES WAHLKREISES GÖPPINGEN IM ÜBERBLICK

Dietrich Birk, CDU

Sei 1946 ist das Direktmandat im Wahlkreis Göppingen an die CDU gegangen. Dietrich Birk, 44, verheiratet, zwei Söhne (sechs und acht Jahre), will es sich trotz Atomdebatte zum vierten Mal sichern. Der promovierte Kaufmann arbeitete als Manager in der Energiewirtschaft, heute ist er Staatssekretär im Wissenschaftsressort.

Jörg Matthias Fritz, Grüne

Der Dozent in der Erwachsenenbildung lebt erst seit zwei Jahren im Kreis Göppingen. Bei den Grünen ist Jörg Fritz (55) aber seit deren Gründung. Bis 2009 war er Mitglied im Nürtinger Gemeinderat und im Esslinger Kreistag. In Göppingen sitzt der Vater zweiter Söhne (24 Jahre und fünf Monate) dem Grünen-Ortsverein vor.

Peter Hofelich, SPD

Der einstige IBM-Vertriebsdirektor sitzt seit 2006 im Landtag und hat neben Birk die besten Chancen auf ein Mandat. Peter Hofelich ist in seiner Heimat Salach fest verwurzelt und auch Mitglied des Göppinger Kreistags. Der 58-Jährige ist verheiratet, hat zwei Töchter (sechs und fünf Jahre) und leitet den Kreisverband des Roten Kreuzes.

A. Spoddig-de Boer, FDP

Die Göppinger FDP-Chefin Antje Spoddig-de Boer (42) ist Mitglied des Bartenbacher Bezirksbeirats. Die Betriebswirtin ist verheiratet, hat zwei Töchter (zehn und 13 Jahre alt) und arbeitet im Wahlkreisbüro des FDP-Bundestagsabgeordneten Werner Simmling. Ehrenamtlich engagiert sie sich als Kostümausstatterin für Theaterprojekte.

Christian Stähle, Linke

Mit seinen Dienstaufsichtsbeschwerden, die er als Göppinger Stadtrat regelmäßig gegen den Oberbürgermeister einreicht, hält Stähle das Regierungspräsidium auf Trab. Als Theologe ist der 52-Jährige allerdings auch innerhalb seiner Partei eine Ausnahmeerscheinung. Stähle lebt mit zwei Katzen und einem Hund in Göppingen.

DIE KLEINEN PARTEIEN

Sonstige Parteien, die noch nicht im Landtag sind, kommen nur auf den Stimmzettel, wenn sie im jeweiligen Wahlkreis 150 Unterstützungsunterschriften vorlegen. Neben der Linken haben das nur die Piratenpartei und die „Republikaner” in allen 70 Wahlkreisen geschafft. NPD und ÖDP treten in 68 und 63 Kreisen an. Weitere zehn Parteien stehen vereinzelt zur Wahl, aber nicht im Wahlkreis Göppingen.

Piraten Die Partei, die sich für die Freiheit im Internet einsetzt, schickt Stefan Klotz ins Rennen. Der Elektroniker ist 24 Jahre alt und kommt aus Uhingen-Sparwiesen. Dort ist er auch Mitglied der Feuerwehr.

„Republikaner” Hier kämpft Wilhelm Plesetz aus Reichenbach/Fils um ein Mandat. Der 64-Jährige ist Berufsfahrer.

NPD Die rechtsextreme Partei hat den Schlosser Michael Beier nominiert. Der 33-Jährige kommt aus Gerabrunn im Hohenlohekreis.

ÖDP Für die Ökologisch-Demokratische Partei tritt der 59-jährige Versicherungskaufmann Karl-Heinz Bok aus Waiblingen an.

 

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