29 Wahlsieg: Fritz im Interview

„Ich bin kein heuriger Hase“

Der neue Landtagsabgeordnete ist ein enger Wegbegleiter Kretschmanns

Autor: HELGE THIELE | NWZ 29.03.2011

Jörg Matthias Fritz ist überglücklich über seinen Einzug in den Landtag. Zum Schlafen kam der Chef der Göppinger Grünen in der Nacht nach dem historischen Sieg nicht – aber das lag nicht an der Wahlparty.

Herzlichen Glückwunsch zum Landtagsmandat. Wie lange haben Sie den Sieg der Grünen denn gefeiert?
JÖRG MATTHIAS FRITZ: So bis halb eins. Ich bin abends von Göppingen nach Stuttgart gefahren, um Winfried Kretschmann auf der Party im Kunstverein persönlich zum Wahlsieg zu gratulieren.

Wussten Sie da schon, dass Sie den Sprung in den Landtag geschafft haben?
FRITZ: Nein, eben nicht. Ich habe es erst unterwegs telefonisch erfahren. Das war auf der B 10, ungefähr auf der Höhe von Esslingen.

Und? Sind Sie erst mal rechts rangefahren und haben ein paar Freudenschreie rausgelassen?
FRITZ: (lacht) Nein. Ich bin ja kein heuriger Hase. Es ist schön, wenn man mit 51 Jahren noch mal vor einem Neubeginn steht. Aber ich habe ja lange genug mit Winfried Kretschmann und anderen Grünen auf Landes- und Bundesebene zusammengearbeitet. Auch der Kontakt zur Landtagsfraktion war immer da. Ich betrete also nicht völlig unsicheres Eis, sondern ich wusste, worauf ich mich mit meiner Kandidatur eingelassen habe.

Es war knapp für Sie am Sonntag. Sie haben das letzte Mandat für die Grünen im Regierungsbezirk errungen. Wieso haben Sie die Party in Stuttgart schon so früh verlassen?
FRITZ: Weil die Arbeit gerufen hat. Ich bin die ganze Nacht mit einem Eimer Kleister durch den Wahlkreis Göppingen gefahren und habe auf meine Plakate ein , Danke schön’ an die Wähler geklebt. Gegen halb sieben ging mir dann der Kleister aus.

Und dann rief Ihr Bett ganz laut . . .
FRITZ: Ja, ich habe dann vier Stunden geschlafen. Das entspricht dem Schnitt der letzten Wahlkampfwochen. Man gewöhnt sich dran.

Am heutigen Dienstag treffen sich die Mitglieder der neuen Landtagsfraktion der Grünen zu ihrer ersten Sitzung. Welche Aufgaben warten in Stuttgart auf Sie?
FRITZ: Das wird man sehen. Ich kann derzeit noch nichts zu meinen Schwerpunktthemen als Abgeordneter sagen. Das hängt ja auch davon ab, welche Kompetenzen die anderen mitbringen. Ich kenne mich zum Beispiel aus in Verkehrspolitik, Haushaltspolitik und Integration. Aber ich will das gar nicht einengen und erhebe auch keine Ansprüche.

Sie sind seit vielen Jahren ein enger Wegbegleiter Kretschmanns, Sie kennen ihn gut. Jetzt werden Sie zusammen regieren. Was dürfen die Menschen denn da erwarten?
FRITZ: Ja, so schließt sich der Kreis. Winfried Kretschmann und ich haben vor 30 Jahren gemeinsam angefangen, wir sind beide Gründungsmitglieder der Grünen im Land. Ich erinnere mich noch gut an den jungen Abgeordneten Kretschmann, das war 1980. Die Menschen dürfen mit einem anderen Politikstil rechnen und damit, dass man ihnen zuhört, ihre Sorgen ernst nimmt und nicht über ihre Köpfe hinweg ,durchregiert’. Kretschmann ist aufgrund seiner langen Erfahrung und Persönlichkeit ein Mensch, der das Zeug zum Ministerpräsidenten hat und der für Gemeinwohl und Bürgersinn steht.

Was werden Sie in Ihrem Wahlkreis als erstes anpacken?
FRITZ: Meine erste Aufgabe wird sein, viele Kontakte herzustellen, mit möglichst vielen Menschen zu sprechen und ihre Anliegen mit nach Stuttgart zu nehmen.

Und inhaltlich? Im Wahlkampf war Ihnen kein klares Bekenntnis zum Weiterbau der neuen B 10 zu entlocken. Sind Sie gegen das Projekt?
FRITZ: Nein, ich habe auch nie gesagt, dass ich gegen den Weiterbau der B 10 bin. Die Situation in den Städten und Dörfern ist eine Katastrophe. Ich verspreche bloß keine Dinge, die ich nicht halten kann. Ich bin für den Weiterbau der neuen B 10, wenn dieser vom Bund finanzierbar ist. Es gehört zur Redlichkeit, das den Menschen zu sagen. Grundsätzlich halte ich aber an der Devise fest: Wir müssen erst die bestehenden Straßen in Ordnung bringen, bevor wir daran denken, neue zu bauen.

Was wollen Sie im Energiebereich für den Landkreis erreichen?
FRITZ: Wir sind nicht gewählt worden, weil in Japan ein Atomkraftwerk hoch gegangen ist, sondern weil die Grünen seit Jahren auf die Gefahren hinweisen und wir Konzepte bieten, wie wir den Ausstieg aus der Atomenergie schaffen können. Durch die Förderung und den Ausbau erneuerbarer Energien, sowohl was die Erzeugung als auch was die Speichertechnologie betrifft, sehe ich eine große Chance für das Handwerk und den Maschinenbau im Kreis Göppingen.

Wie geht es jetzt mit Stuttgart 21 und dem Bau der Schnellbahntrasse weiter? Die Grünen sind dagegen, die SPD ist dafür?
FRITZ: Es bleibt bei unserer gemeinsamen Ankündigung: Es wird eine Volksabstimmung geben.

Jörg Matthias Fritz will Göppinger Grünen-Chef bleiben

Der neu gewählte Landtagsabgeordnete Jörg Matthias Fritz will Vorsitzender der Göppinger Grünen bleiben. Auch seine freiberufliche Tätigkeit als Dozent in der Erwachsenenbildung will der 51-Jährige nicht komplett an den Nagel hängen. „So wie bisher 40 bis 50 Unterrichtsstunden pro Woche sind als Abgeordneter natürlich nicht mehr möglich“, sagte Fritz. Zumal es da auch noch die Familie gibt: Fritz, der in einer festen Lebenspartnerschaft lebt, ist vor sechs Monaten noch einmal Vater geworden. Der kleine Fabian fand die Wahlparty nicht so toll: „Als alle geklatscht haben, war es ihm viel zu laut“, so Fritz. Übrigens: Ob die Grünen bei der Göppinger OB-Wahl einen Kandidaten ins Rennen schicken, sei offen.

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