30 Stuttgart 21: Baustopp

„Weiterbauen wäre unklug“

Stuttgart 21: Baustopp der Bahn ruft unterschiedliche Reaktionen hervor

Autor: DIRK HÜLSER | NWZ 30.03.2011

Es war ein Paukenschlag: Die Deutsche Bahn hat gestern einen Bau- und Vergabestopp für Stuttgart 21 und die Neubaustrecke nach Ulm verhängt. Projektgegner jubeln, die Befürworter sind skeptisch.

Kreis Göppingen. Der frischgewählte grüne Landtagsabgeordnete Jörg Matthias Fritz ist erleichtert: „Der Baustopp ist ein erster richtiger Schritt der Bahn, der mal Ruhe reinbringt.“ Dennoch findet er: „Der Schritt ist nicht lang genug.“ Denn der von Bahnvorstand Volker Kefer gestern verkündete Bau- und Vergabestopp für Stuttgart 21 und die Neubaustrecke gilt vorläufig nur bis zur Vereidigung des neuen Ministerpräsidenten. Die Grünen – Fritz nahm gestern Nachmittag in Stuttgart an der ersten Fraktionssitzung nach der Wahl teil – hätten es lieber gesehen, wenn der Baustopp bis zum Ende des bei der Schlichtung vereinbarten Stresstests gegolten hätte. „Aber das war nicht zu erwarten“, meint Fritz.

Der SPD-Abgeordnete Peter Hofelich – selber ein glühender Verfechter des Bahnprojekts – meint: „Die Bahn hat der neuen Regierung sicher die Reverenz erweisen wollen.“ Hofelich findet, dass nun Schritt für Schritt vorgegangen werden sollte. „Und die neue Regierung soll dann über eine Volksabstimmung befinden.“ Auch Landrat Edgar Wolff ist ein Anhänger von Stuttgart 21 und ist skeptisch: „Ich sehe das natürlich mit Sorge.“ Der Baustopp sei nun zwar erst einmal nur eine Verzögerung. Vorübergehend könne er aber damit leben. „Es mag ja auch eine verständnisvolle Reaktion der Bahn sein.“ Nun will Wolff erst einmal abwarten: „Dann schauen wir mal, wie es weiter geht.“

Auch im Göppinger Rathaus wird die Entwicklung kritisch betrachtet. Bürgermeister Jürgen Lämmle glaubt: „Die Alternative zum Bauen heißt nicht bauen – und trotzdem zu zahlen.“ Damit spielt er auf die zu erwartenden Schadenersatzforderungen durch die Bahn an. „Grundsätzlich stehen wir nach wie vor zu Stuttgart 21, insbesondere zur Schnellbahntrasse.“ Davon erhoffe sich die Stadt Göppingen Kapazitäten für einen künftigen S-Bahn-Anschluss.

IHK-Geschäftsführer Peter Saile bleibt auch als Befürworter von Stuttgart 21 gelassen: „Man kann das eigentlich als logische Entscheidung der Bahn betrachten. Das heißt ja nicht, dass das Projekt als solches aufgegeben wird.“ Schließlich habe dieser Entschluss der Bahn auch eine politische Komponente: „Die neuen Gesprächspartner sehen das Projekt etwas kritischer und es ist eine sinnvolle Verhaltensweise, sich darauf einzustellen.“ Saile klingt fast wie ein Projektgegner, wenn er abschließend meint: „Jetzt weiterzubauen, wäre unklug.“

Annerose Fischer-Bucher war bis gestern Abend Sprecherin des Göppinger Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21. Dann trat sie von ihrem Amt – wie angekündigt, nach der Landtagswahl – zurück. Zuvor erklärte sie noch: „Der Baustopp ist zunächst mal ganz gut.“ Zugleich bedauerte sie, dass die Bahn schon vielerlei Fakten geschaffen habe und sie hat eine Befürchtung: „Dass die Grünen aus Koalitionsräson bei der Neubaustrecke wackeln.“ Ihre Wunschlösung wäre, „wenn die Bahn das Projekt mit Hilfe des Stresstests einfach beerdigt“.

Aus Berlin meldete sich auch der Bundestagsabgeordnete Werner Simmling (FDP) gestern zu Wort. Er warnte: „Die Bahn darf nicht der Sündenbock für ideologische Grabenkämpfe der neuen Landesregierung werden.“

zurück zur Presseübersicht März 2011…